Arzneimittel und Therapie

Sicherheit von Opioiden bestätigt

In niedriger Dosierung erhöhen sie nicht die Mortalitätsrate bei COPD

Laut WHO entwickelt sich die COPD bis zum Jahr 2050 zur weltweit dritthäufigsten erkrankungsbedingten Todesursache. Aufgrund der potenziell atemdepressiven Nebenwirkungen von Benzodiazepinen und Opioiden gilt ihr Einsatz bei der chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung als unsicher, obwohl deren anxiolytische und analgetische Effekte ihren Einsatz bei schweren Formen der COPD indizieren. Nun wurde die Sicherheit einer Opioid- bzw. Benzodiazepin-Therapie untersucht, um zu klären, ob die bisherige Anwendungsbeschränkung gerechtfertigt ist.

Die chronisch obstruktive Atemwegserkrankung (COPD) stellt einen Sammelbegriff für die chronisch obstruktive Bronchitis sowie das Lungenemphysem dar. Etwa 200 bis 300 Millionen Menschen leiden weltweit an der typischen AHA-Symptomatik (Auswurf, Husten, Atemnot) [1]. Diese umfasst chronischen, vornehmlich morgens auftretenden Husten, der oft begleitet ist mit Auswurf von zähem Sputum. Aber auch Atemnot (Dyspnö), die zuerst nur unter Belastung auftritt, kann im Verlauf der Erkrankung erheblich zunehmen und auch in Ruhe zur vollständigen Immobilität führen, sodass eine dauerhafte Versorgung mit Sauerstoff nötig wird. Patienten mit schwerer COPD können eine stärkere und länger andauernde Phase der Atemnot erleiden als Patienten mit fortgeschrittenem Bronchialkarzinom [2].

Klinische Studien zeigten, dass die kontinuierliche orale Gabe von Morphin-haltigen Retardpräparaten die Symptome einer chronischen Dyspnö lindern kann [3]. Ebenso besitzen Opioide analgetische Wirksamkeit, wohingegen Benzodiazepine zur Behandlung von Angstzuständen verwendet werden, beides Symptome mit hoher Prävalenz unter COPD-Patienten. Auch die Leitlinien der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin erwähnen die positiven Effekte von Morphin bei schwerer Dyspnö. Sie empfehlen jedoch, den Einsatz auf einige wenige Patienten mit besonders schwerer Atemnot und Hyperventilation zu beschränken und die Behandlung ausschließlich unter stationärer Kontrolle einzuleiten [4]. Der Einsatz von Opioiden sowie Benzodiazepinen bei COPD-Patienten mit schwerer Atemnot gilt aufgrund der gemeinsamen atemdepressiven Nebenwirkungen als risikoreich, da schwerwiegende, teils lebensbedrohliche Komplikationen befürchtet werden. Die durchweg restriktive Behandlung mit Opioiden und Benzodiazepinen, allein oder in Kombination, erschwert nach Meinung vieler behandelnder Ärzte die optimale Therapie zur Linderung bzw. Prävention der chronischen Atemnot bei COPD. Gesicherte Daten aus randomisierten klinischen Studien fehlen jedoch bislang, um diese generellen Bedenken zu rechtfertigen. Schwedische und US-amerikanische Forscher haben daher in einer prospektiven, populationsbasierten Kohortenstudie die Sicherheit einer Opioid- bzw. Benzodiazepin-Behandlung bei COPD-Patienten untersucht und die Ergebnisse nun im BMJ publiziert [5].

Hierfür griff man auf die Daten des Svedevox-Registers aus den Jahren 2005 bis 2009 zu, welches die Daten von etwa 85% aller COPD-Patienten in Schweden umfasst, die aufgrund der auftretenden Atemnot dauerhaft mit Sauerstoff versorgt werden mussten. Insgesamt 2249 Patienten (45 Jahre und älter) wurden hierfür beobachtet, wobei 535 (24%) Personen zusätzlich mit Benzodiazepinen, 509 (23%) mit Opioiden bzw. 200 (9%) mit einer Kombination aus beiden Wirkstoffklassen behandelt wurden. Die zur Behandlung verschriebenen Arzneimittel umfassten sowohl stark (Morphin, Fentanyl) als auch schwach (Codein, Tramadol) wirksame Opioide sowie klassische Vertreter der Benzodiazepine (Diazepam, Oxazepam), aber auch rein schlaffördernde Präparate (Zolpidem). Bezüglich der Dosierung wurde eine DDD (definierte Tagesdosis, defined daily dose) von ≤ 0,3 als niedrige Dosis definiert bzw. ≤ 30 mg/d des oralen Morphin-Äquivalents. Primäre Endpunkte der Studie waren sowohl die Gesamtmortalitätsrate als auch die Anzahl an Hospitalisierungen aufgrund des Auftretens schwerwiegender Ereignisse.

Niedrigdosiert keine negativen Folgen

Entsprechend der schlechten Prognose für Menschen mit dauerhaftem Bedarf an externer Sauerstoffversorgung verstarben 50% (1129) der Patienten innerhalb einer medianen Nachbeobachtungszeit von 1,1 Jahren. Darüber hinaus mussten 76% der behandelten Personen (1681) aufgrund schwerwiegender Ereignisse erneut hospitalisiert werden. Obwohl eine Therapie mit Opioiden bzw. Benzodiazepinen keinen Einfluss auf die Hospitalisierungsrate hatte (HR 0,98, 95% KI 0,87 bis 1,10) bzw. (HR 0,98, 95% KI 0,86 bis 1,10), zeigte sich ein dosisabhängiger Anstieg der Mortalität in beiden Wirkstoffgruppen, verglichen mit Patienten ohne eine jeweilige Behandlung. Die Therapie mit hochdosierten Benzodiazepinen steigerte die Mortalitätsrate um 23% (95% KI 1,02 bis 1,48), wobei eine Opioid-Behandlung in hohen Dosierungen in einer um 21% (95% KI 1,02 bis 1,44) erhöhten Sterblichkeit resultierte. Dagegen zeigten niedrige Dosierungen von Benzodiazepinen eine nur moderat erhöhte Mortalität (HR 1,18, 95% KI 0,99 bis 1,40), und die Gabe von niedrig dosierten Opioid-Präparaten zeigte überhaupt keine Erhöhung der Sterblichkeitsrate (HR 1,03, 95% KI 0,84 bis 1,26). Interessanterweise schien die Wirkstoffkombination das Risiko einer erneuten Hospitalisierung um 14% zu reduzieren (HR 0,86, 95% KI 0,53 bis 1,42), ging jedoch ebenfalls mit einer erhöhten Mortalitätsrate einher. Das verminderte Auftreten lebensbedrohlicher Ereignisse ist daher wohl eher auf die intensive Betreuung durch Pflegekräfte bei diesen schwer beeinträchtigten Patienten zurückzuführen, so die Autoren der Studie.

Kausalität unklar

Da die Art und Dosierung der Medikation mit der Schwere der Symptomatik einhergehen, gestaltet sich eine exakte Schlussfolgerung der erhaltenen Ergebnisse als schwierig. Eine höhere Mortalitätsrate bei Patienten mit schwerer Dyspnö und entsprechend höherer Dosierung der Arzneimittel lässt nämlich nur bedingt auf einen kausalen Zusammenhang zwischen atemdepressiver Wirkung und erhöhter Sterblichkeit schließen. Die Autoren der Studie bestätigten dennoch, dass die Bedenken gegenüber einer Opioid- bzw. Benzodiazepin-Behandlung von COPD-Patienten mit schwerer Dyspnö berechtigt sind. Jedoch zeigt diese Studie auch, dass der Einsatz dieser Medikamente in niedrigen Dosierungen die Therapiesicherheit zu verbessern scheint und zumindest die Verwendung von Opioiden in geringer Dosis keine Erhöhung der Mortalitätsrate aufweist. Aufgrund dieser Daten schätzen die Wissenschaftler nun erstmalig die Sicherheit einer kontrolliert niedrig dosierten Opioid-Therapie zur symptomatischen Behandlung der Dyspnö bei COPD-Patienten als relativ hoch ein. 

Quelle

[1] Wie verbreitet ist die COPD? Information des Lungeninformationsdienstes vom Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH) www.lungeninformationsdienst.de

[2] Edmonds P et al. A comparison of the palliative care needs of patients dying from chronic respiratory diseases and lung cancer. Palliat Med (2001) 15(4): 287-295.

[3] Jennings A L et al. A systematic review of the use of opioids in the management of dyspnoea. Thorax (2002) 57(11): 939-944.

[4] Vogelmeier C, et al. Guidelines for the diagnosis and therapy of COPD issued by Deutsche Atemwegsliga and Deutsche Gesellschaft fur Pneumologie und Beatmungsmedizin. Pneumologie (2007) 61(5): e1-40.

[5] Ekstrom MP et al. Safety of benzodiazepines and opioids in very severe respiratory disease: national prospective study. BMJ (2014) 348: g445.

 

Apotheker André Said

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