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Management

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Bei der Mitarbeiterführung die eigenen Zwänge nicht weitergeben

Führungskräfte setzen sich oft unter starken Druck, den sie an ihre Angestellten weiterleiten. Die einen reagieren hier mit ­inneren Blockaden, andere mit aktivem Gegendruck und wieder andere schalten ab und er­ledigen nur das Allernötigste. Das Ergebnis: Jeder kämpft – ­allerdings nicht für das gemeinsame Ziel, sondern mit sich und gegeneinander.

Druck ist nicht nur subjektiv ­unangenehm für die Mitarbeiterinnen*, sondern auch objektiv gesehen negativ. Unter nicht ­kontrollierbarem Stress arbeiten nur noch bestimmte Hirnregionen, Leistungsschwäche und ein Mangel an Entscheidungsfähigkeit sind die Folge, die Kreativität ist blockiert.

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Unter Druck wird man leicht sauer Das gilt für Führungskräfte, Mitarbeiter und Apothekenkunden gleichermaßen. Vertrauen in die eigene Person und in andere kann hier ungeahnte Motivationsschübe und positive Reaktionen hervorrufen.

Wodurch entsteht Druck bei Führungskräften?

Echte oder eingebildete finanzielle Not verursacht Unbehagen und Angst vor Konkurs, die „inneren Antreiber“ sind unablässig aktiv. Nehmen Sie so etwas bewusst wahr oder reagieren Sie automatisch? Eine weitere Möglichkeit: Angst, den Anschluss zu verlieren, wenn man nicht permanent nach vorne treibt, da nur so gute Gewinne erzielt werden könnten. Also wird gejagt, mit dem Erfolg der Atemlosigkeit und Erschöpfung bei allen Beteiligten.

Zudem ist in vielen Köpfen immer noch, manchmal auch unbewusst, der Mythos vorhanden, dass nur ein etwas rigider, dominierender Führungsstil gute Ergebnisse bringt und nicht angetriebene Mitarbeiterinnen träge werden.

Das Verlangen nach Kontrolle gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Shiran Habekost betont in dem Buch „Neuroleadership“: „Somit ist das Kontrollbedürfnis etwas, was zur Herbeiführung und Aufrechterhaltung der eigenen Ziele wichtig ist. ­Etwas nicht im Sinne seiner eigenen Ziele kontrollieren zu können stellt eine schwerwiegende Ver­letzung eben dieses Grundbedürfnisses dar.“

In Minimalform begegnet uns dieses „Gesetz“ in der Apotheke, wenn Anordnungen oder Wünsche der Leitung nicht im erwarteten Maß oder Zeitfenster umgesetzt werden: Die Chefin ist gestresst. Parallel dazu verläuft ein zweiter Prozess: Jede Angestellte hat ihre Aufgaben und somit den täglichen eigenen Arbeitsplan als Checkliste in sich. Störungen von außen bedeuten Kontrollverlust, die noch gerade in Sichtweite befindlichen eigenen Ziele werden für jetzt unerreichbar zugunsten anderer. Gerne verschiebt die ­Mitarbeiterin die Aufgabe der Chefin oder sie ist frustriert, weil der Druck sie zur Unterbrechung des eigenen Ablaufs zwingt. So manche Inhaberin musste sich vor ihrem Urlaub schon überrascht den nett gemeinten Spruch anhören: „Wie schön, dass Sie in Urlaub fahren, dann kann ich endlich mal in Ruhe arbeiten!“

Der Druck der Leiterin, der weitergegeben wird, erzeugt Gegendruck: Je mehr angetrieben wird, desto mehr Widerstand, Angst und Blockaden entstehen. So ­passiert nicht selten, dass sobald eine Aufgabe verteilt oder dringend zu mehr Schnelligkeit oder mehr Leistung aufgerufen wurde, flugs etwas schiefgeht oder die Angestellten schlechter Laune sind.

Exkurs: Auch die Kunden nicht drängeln!

Bei Kunden ist Druck ebenfalls oft kontraproduktiv. Schaffen Sie es, sich innerlich so zu lösen, dass der Kunde keinen Kaufzwang spürt, entscheidet er sich eher und kauft mehr, als wenn Sie ihn überreden oder ihm keine Wahl lassen.

Ihre eigene Erfahrung: Wie geht es Ihnen damit, wenn Sie in einem Geschäft einkaufen und das Gefühl haben „hier komme ich nur wieder raus, wenn ich ­etwas mitnehme“. Ist es nicht angenehmer, Ihnen wird etwas empfohlen und Sie werden gut beraten mit dem Gefühl: „Hier bin ich auch gerne gesehen und akzeptiert, wenn ich nichts kaufe?“ ­Sicher werden Sie hier zu einem späteren Zeitpunkt eher wieder reinschauen als anderswo, wo man Sie getrieben hat. Sie sind dann auf der Flucht und kaufen nicht einmal das, was Ihnen gut gefällt und was Sie sonst mitgenommen hätten.

Auch im Umgang mit Ihren ­Kunden wirkt somit die eigene Freiheit von Druck positiv. Wohlgemerkt: Es ist Ihnen nicht gleichgültig, was oder wie viel Sie verkaufen. Ihre innere Einstellung zum Gegenüber ist aber in jedem Falle akzeptierend und wertschätzend.

Perfektionisten sind Härtefälle

Ein besonderer Härtefall besteht bei Perfektionisten. Es ist vollkommen normal, sich ein „Soll“ gegenüber zum „Ist“ zu setzen und hohe Ansprüche an sich selbst zu stellen. Der Unterschied besteht in der Haltung. Während der Nicht-Perfektionist das Ziel als noch nicht erreicht betrachtet und das in Ordnung findet, leidet der typische Perfektionist un­säglich an der Spannung des ­Abstandes des „Ist“ zum „Soll“. So beschreibt es der Wiener ­Psychiater Raphael M. Bonelli. Das Sehen und Empfinden von ­eigenen Schwächen und Fehlern erzeugt immensen Druck bis zum Zweifel an der eigenen Existenzberechtigung.

Ihr Ansatz sollte daher sein, sich selbst so zu entlasten, dass Sie eher Zuversicht, Vertrauen, Freude und Gelassenheit empfinden. Das ist einfach gesagt, die Frage ist: Was steckt bei Ihnen jeweils dahinter, wovor haben Sie Angst oder welches Ziel ist so stark, dass Sie dem alles andere in­klusive Ihrer eigenen Gesundheit unterordnen? Ist es überhaupt ­erreichbar und vor allem: Ist es den Aufwand, der ja nicht nur ein paar Tage, sondern womög­lich Jahre und Jahrzehnte anhält, wert?

Wenn die Chefin ruhiger wird, werden auch die Mitarbeiterinnen davon profitieren und konzentrierter und effektiver arbeiten. Aber auch viele Angestellte haben recht hohe und unerfüllbare Ansprüche an sich selbst, die sie eher hinterfragen können, wenn die inneren Forderungen nicht noch zusätzlich von der Leitung befeuert werden. Konflikte im Team beispielsweise sollte die Chefin wahrnehmen, aber nicht steuernd oder parteilich einsteigen, sondern die Mitarbeiterinnen anregen, selbst einen Ausweg zu finden. Dies gilt für regelmäßig wieder auftauchende Kämpfe um Urlaub, Überstundenabbau, Aufgabenverteilung etc. Wenn die Angestellten gezwungen sind, selbst eine gerechte Lösung zu finden, setzen sie sich ernsthaft damit auseinander, anstatt den Beschluss „von oben“ abzuwarten und dann womöglich unzufrieden oder beleidigt zu reagieren.

Lassen Sie einen inneren Film vor sich ablaufen: Wie wäre es, wenn Sie morgens aufwachten, ohne eine Spur von Zwang oder Druck zu empfinden? Stattdessen gingen Sie locker und gelöst zur Arbeit, vielleicht ein Stück weit zu Fuß oder mit dem Rad. In der Apotheke läuft alles bestens, ein genussvoller Arbeitstag. Wie fühlt sich das an? Was ist jetzt verkehrt? Glauben Sie, dass Sie nur mit Druck arbeitsfähig sind und „was wegschaffen“? Darf Arbeit grundsätzlich nicht angenehm sein, ist sie sogar durch Ärger, Druck und aussichtslose Endlosigkeit ­definiert? Ist es falsch, wenn Ihr Herz dabei lacht? Sich quälen als Lebensinhalt? Sind Sie sich da 100%ig sicher? Dann kann es so weitergehen wie bisher, oder? Nein, natürlich wissen alle, dass es „ohne“ besser geht!

Vertrauen ist harte Arbeit

Führen bedeutet lediglich, den Weg kennen und zeigen, ihn mit Entschlossenheit zu gehen und dabei in Kontakt mit dem Team zu bleiben. Ein Mensch, der sich verfolgt fühlt und mit Forderungen getriezt wird, sucht Abstand. Der Umgang mit den Angestellten braucht eine gewisse Sensibilität dafür, wie die eigene Motivation der einzelnen Mitarbeiterin angestoßen statt durch Druck gelöscht wird. So verstandene Führung wird erst möglich durch das Aufgeben von bewegungshemmendem Druck, der oft genug auch aus Misstrauen geboren wird. Und zwar aus ungesundem Misstrauen, das eine Chefin regelrecht beherrscht und dauerhaft die ­Beziehung stört.

„Vertrauen ist für alle Unternehmungen das große Betriebskapital, ohne welches kein nützliches Werk auskommen kann.“

Albert Schweitzer

Was zählt und wirkt, ist das Vertrauen. In der Apotheke darf es um mehr gehen als um funktionale Aufgabenerfüllung, um mehr als ein Abarbeiten. „Dieses ‚Mehr‘ besteht darin, den menschlichen Mehrwert jedes Mitarbeiters sichtbar, im Miteinander lebbar und im Interesse der Organisation nutzbar zu gestalten.“ So beschreiben es die Autoren Cichy, Matul und Rochow bereits im Vorwort ihres Fachbuchs über Führung. Sie sehen das Vertrauen als Basis von allem in einem gesunden Unternehmen. Wenn Sie jemandem Vertrauen schenken, kommt es zurück, zumindest eher, als wenn Sie den ersten Schritt vom Gegenüber erwarten. Vertrauen kann harte Arbeit sein. Dabei ist die Inhaberin die Vorreiterin und das Vorbild. Sie bringt genug Zeit auf, um mit ihren Mitarbeiterinnen zu reden und im Kontakt zu merken, was sie ihnen zutrauen kann. Mit ihren Zukunftsvisionen geht sie nicht zum Arzt, sondern teilt sie dem Team frühzeitig mit und bezieht es somit ein. Gleichzeitig betont sie, was bestehen bleibt, da Beständigkeit Vertrauen schafft und Veränderung verunsichernd ­wirken kann. Wichtig ist ein ­positives Feedback über erreichte Ergebnisse; die Mitarbeiterinnen nehmen wahr, dass ihre Arbeit gesehen, auch kritisch gesehen, sowie anerkannt und gewürdigt wird.

Der Zusammenhang zwischen mentaler und physiologischer ­Gesundheit ist längst bewiesen. Wer mit seiner Arbeit dauerhaft unzufrieden ist, wird öfter krank als jemand, der sich an seiner ­Arbeitsstelle wohl fühlt und ­gerne dort ist. Das gilt für die Apothekenleiterin genauso wie für die Angestellten. |

Ute Jürgens

Ute Jürgens ist Kommunikationstrainerin mit Spezialisierung auf die Heilberufler, Dipl. Erwachsenenpädagogin und PTA, www.kommed-coaching.de


* Da die überwiegende Anzahl der Apothekenmitarbeiter weiblich ist, schreibe ich in der weiblichen Form. Männliche Kollegen dürfen sich gerne mit angesprochen fühlen.


Literatur

Raphael M. Bonelli:
Perfektionismus – Wenn das Soll zum Muss wird.

Pattloch Verlag 2014
ISBN 978-3-629-13056-3

Uwe Cichy, Christian Matul, Michael Rochow: 
Vertrauen gewinnt – Die bessere Art, in Unternehmen zu führen. 
Schäffer-Pöschel Verlag 2011
ISBN 978-3-7910-3118-7

Rüdiger Reinhardt (Hrsg.): 
Neuroleadership – Empirische Überprüfung und Nutzenpotentiale für die Praxis. 
De Gruyter Verlag 2014
ISBN 978-3-11-036269-5

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