Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom : Von Irritationen und Diskontinuitäten

Rückblick auf das Jahr 2015

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

Man muss kein akribischer Beobachter sein, um zum Ergebnis zu kommen, dass das Jahr 2015 geopolitisch, für Europa, aber auch oder insbesondere für Deutschland ein Jahr war, das viele sprachlos, atemlos, ja sogar manche hoffnungslos zurücklässt. Aktuell sind es die nicht beherrschbar anmutenden Flüchtlingsströme, die – was jeder für undenkbar gehalten hatte – die gesamte Griechenland-Frage aus dem Fokus ­geworfen haben, sowie die Terroranschläge in der westlichen Welt in nicht gekannter Taktung und ohne Rücksicht auf Verluste. Wann gab es das, dass ein Fußballspiel nicht wegen schlechten Wetters, sondern wegen einer Terrorwarnung abgesagt werden musste? Und als ob das alles noch nicht ­genug wäre, ließ im Frühjahr ein nicht mehr mit dem Leben zurechtkommender Pilot das von ihm gesteuerte Flugzeug abstürzen.

Die Vielzahl dramatischer Ereignisse im Jahr 2015 lässt sich an der Anzahl an ARD-Brennpunkten ablesen, die – wie der Name sagt – ja dann angezeigt sind, wenn wo auch immer ein besonderer Krisenherd besteht und eine gesonderte Berichterstattung über Hintergründe und neueste Erkenntnisse das Abendprogramm ­zwischen Karneval, Krimi und ­Comedy um 15 bis 30 Minuten nach hinten verschiebt.

Dies sind normalerweise Zeiten, in denen andere Politikfelder in den Hintergrund geraten, andere Themen auch für die gesamte Öffentlichkeit relativiert werden und ihre Brisanz bisweilen pulverisiert wird. Verbände, Kammern, sonstige Institutionen, aber natürlich auch die Betroffenen aus den vermeintlich nicht so spektakulären Bereichen haben dann zu Recht die Sorge, dass ihre Ansinnen zurückgedrängt werden und von ­daher an Relevanz einbüßen.

In der Gesundheitspolitik und insbesondere für Themen, die für Apotheken bedeutsam sind, kann man dies für 2015 nicht sagen – und bewertet dies insgesamt mit dem Ergebnis unbefriedigend. Es kann an dieser Stelle nicht alles gewürdigt werden, was in rund 100 Ausgaben AZ und DAZ dem Leser angeboten wurde, an Themen, an Menschen, an Verwerfungen. Aber drei Beispiele machen deutlich, dass die Politik trotz der weltpolitischen Gemengelage es sich nicht hat nehmen lassen, Gesetze mit Auswirkungen auf Apotheken zu erwirken, jahrzehntelange Tatbestände neu zu definieren oder auch nur zu interpretieren und notwendige ökonomische Entscheidungen in die nächste ­Legislatur zu vertagen.

Mit dem E-Health-Gesetz hat die Politik sicher einen wichtigen Meilenstein kurz vor Jahresende beschlossen. Aber dass dabei die Apotheken die Rolle eines „Adjutanten“ zugeordnet bekommen, ist meilenweit vom eigenen Selbstverständnis – operationalisiert im Perspektivpapier 2030 – entfernt. Da hilft kein Vertun, kein Schönreden. In weiten Teilen des Perspektivpapiers hat man sich über das Medikationsmanagement de­finiert und ist durch das Gesetz jetzt allenfalls zweite Wahl, ­Assistent oder 5. Rad am Wagen. Schade! Das reicht bei Weitem nicht und wirft die Bemühungen der Apothekerschaft um eine dem Studium und der inhaltlichen ­Verantwortung gerecht werdende Position um Jahre zurück.

Verknüpft man die apothekenrelevanten Ausprägungen dieses Gesetzes noch mit der vom Bundesgesundheitsministerium vorgeschlagenen Neudefinition des ­Apothekerberufs, löst dies noch weniger Freude aus. Hier findet sich der ambitionierte Apotheker nicht wirklich wieder und auch hier weicht die Sicht eines zuständigen Ministeriums signifikant von der Eigensicht des Berufs­standes ab.

Konsequenterweise hat das zweite für Apotheken zuständige Ministerium – das Bundeswirtschaftsministerium – alle Ansprüche auf eine Anpassung des Honorars nach hinten geschoben. Bedauerlicherweise ist nicht einmal sicher, wie ernst das Ministerium die Beauftragung eines Gutachtens zur Überprüfung des Apotheken- und Großhandelshonorars selbst nimmt oder ob es nur ein cleverer Bauerntrick ist. Schließlich verstreichen nach Bekanntgabe des Gutachtenerstellers im März 2016 noch 18 Monate, bis ein Ergebnis präsentiert wird – zu Weihnachten 2017, also mitten in den Koalitionsverhandlungen einer dann wie auch immer gearteten neuen Bundesregierung.

Alle drei hier in den Fokus ge­rückten Punkte bereiten wenig Vergnügen und haben kurzfristige (Honorar) sowie mittel- bis langfristige (E-Health-Gesetz, Berufsbild) Konsequenzen für Apotheken.

So diskontinuierlich das Jahr ­außerhalb der Apothekerschaft war, so irritierend war es für die Apotheker selbst. 2015 – kein ­gutes Jahr. |

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