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Arzneimittel und Therapie
Mehr als nur ähnlich
Kreuzreaktive Antikörper beweisen große Übereinstimmung zwischen Biosimilar und Referenzarznei
Sind ein Biosimilar und die entsprechende Referenzarznei gleich wirksam? Ja, muss die Antwort lauten, vorausgesetzt, sie sind strukturell sehr ähnlich und diese strukturelle Ähnlichkeit besteht auch eine klinische Überprüfung. Dies sollte für einen molekular geschulten Experten, wie es Apotheker beispielsweise sind, eine geradezu triviale Erkenntnis sein. Für Ärzte hingegen, die aufgrund ganz anders gelagerter Ausbildungsschwerpunkte nicht so ein ausgeprägtes Molekülverständnis haben können, sind diese Zusammenhänge jedoch offensichtlich sehr schwer zu vermitteln. Denn immer wieder zweifeln Ärzte an der Äquivalenz der Wirksamkeit von Biosimilar und Referenzarznei, besonders dann, wenn die direkte klinische Evidenz fehlt. Obwohl auch alle Biosimilars klinisch geprüft sein müssen, wenn sie eine Zulassung erhalten wollen, so muss diese Prüfung nicht in allen Indikationen erfolgen, für die die Referenzarznei zugelassen ist. Diese, als Extrapolation bezeichnete Routine der Zulassungsbehörde fußt darauf, dass ein Molekül, das strukturell in hohem Maße übereinstimmt mit der Referenzarznei, auf deren Basis es entwickelt wurde, auch ganz analog wirken sollte.
Sicherlich sind strukturelle Feinheiten so großer Moleküle wie monoklonale Antikörper nicht leicht nachzuvollziehen, auch wenn sie, wie im Fall des ersten zugelassenen monoklonalen Biosimilar-Antikörpers Remsima®/Inflectra® sehr detailliert beschrieben sind [1]. Vielleicht überzeugen da eher klinische Daten, die darauf abzielen, die große strukturelle Übereinstimmung des Biosimilar-Moleküls und des Referenzwirkstoffs Infliximab zu belegen. In einer Studie, die kürzlich veröffentlich wurde, zeigen die Autoren sehr klar, dass Antikörper, die Patienten fast immer entwickeln, die wegen einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) mit Remicade® (Infliximab) behandelt werden, auch das Infliximab-Biosimilar (Remsima®) erkennen [2].
Marker der Woche: RF
Rheumafaktoren: Autoantikörper, die bei Verdacht auf rheumatoide Arthritis im Blut bestimmt werden.
Normwert: testabhängig im Allgemeinen <20kU/l im Serum oder der Synovialflüssigkeit
Remicade®-Antikörper erkennen auch Remsima®
Konkret wurden in der Studie 125 Patienten- (69) und Kontrollseren (56) untersucht. Keines der 56 Kontrollseren, die von 14 gesunden Probanden und 42 nicht behandelten CED-Patienten stammten, enthielt Antikörper gegen Infliximab (ATI = antibodies to infliximab). Und ebenfalls reagierte keines der Seren mit dem Biosimilar-Antikörper. Hingegen zeigten alle 69 Seren der Patienten, die mit Remicade® behandelt wurden, ATIs sowohl gegen Remicade® als auch gegen Remsima®.
Anti-Remicade®-ATIs von CED-Patienten zeigten eine vergleichbare funktionelle Inhibition hinsichtlich der TNF-α-Bindungskapazität von Remsima® und Remicade®. Und Antikörper gegen Adalimumab (Humira®) in Seren von Patienten, die mit Humira® behandelt wurden, zeigten keinerlei Kreuzreaktivität mit Remsima® oder Remicade®.
Diese klinische Studie belegt auf eine indirekte Weise sehr eindrucksvoll die extrem hohe strukturelle Übereinstimmung des Biosimilars (Remsima®) mit der Referenzarznei (Remicade®) auf deren Basis das Biosimilar entwickelt wurde, und zwar bei einem Patientenkollektiv, das nicht für die Zulassung des Biosimilars getestet wurde. Denn die Zulassungsstudien für Remsima®/Inflectra® wurden in den Indikationen rheumatoide Arthritis (PLANETRA-Studie [3]) und Ankylosierende Spondylitis (PLANETAS-Studie [4]), nicht jedoch für chronisch entzündliche Darmerkrankungen durchgeführt.
Die Studie von Ben-Horin und Kollegen [2] ist so enorm wichtig, weil sie nochmal das Zulassungsprinzip von Biosimilars bei der EMA untermauert. Die EMA besteht für die Zulassung eines Biosimilars auf den Nachweis einer sehr hohen strukturellen Ähnlichkeit des Biosimilars mit der Referenzarznei, wobei ganz unterschiedliche Untersuchungsansätze verfolgt werden müssen. Ist der Nachweis zufriedenstellend erbracht, muss von einer sehr ähnlichen klinischen Wirksamkeit ausgegangen werden, und dies in aller Regel in allen für die Referenzarznei zugelassenen Indikationen.
Das Konzept muss verstanden werden
Es ist wichtig, dieses sehr nachvollziehbare wissenschaftliche Konzept der Zulassung und Indikationsextrapolation von Biosimilars zu verstehen, um unnötige, und damit ethisch fragwürdige, klinische Studien zu vermeiden und um tatsächlich auch die ökonomischen Effizienzreserven zu heben, die sich das unter hohen Kosten stöhnende Gesundheitssystem von dieser neuen Wirkstoffgruppe erhofft. |
Literatur
[1] Soon Kwan Jung, et al. (2014). Physicochemical characterization of Remsima®, mAbs, 6:5,1163-1177, DOI: 10.4161/mabs.32221
[2] Ben-Horin S, et al. (2015). Cross-immunogenicity: antibodies to infliximab in Remicade-treated patients with IBD similarly recognise the biosimilar Remsima. Gut 2015;0:1–7. doi:10.1136/ gutjnl-2015-309290
[3] Yoo DH, et al. (2013). A randomised, double-blind, parallel-group study to demonstrate equivalence in efficacy and safety of CT-P13 compared with innovator infliximab when coadministered with methotrexate in patients with active rheumatoid arthritis: the PLANETRA study. Ann Rheum Dis 2013;72:1613-1620
[4] Park W, et al. (2013). A randomised, double-blind, multicentre, parallel-group, prospective study comparing the pharmacokinetics, safety, and efficacy of CT-P13 and innovator infliximab in patients with ankylosing spondylitis: the PLANETAS study. Ann Rheum Dis 2013;72:1605-1612
Zum Weiterlesen
Gleich, ähnlich oder anders? Bei Biosimilars gibt es noch viele Fragen; Antworten finden Sie in dem Beitrag von Prof. Dr. Theo Dingermann und Ilse Zündorf in DAZ 2015 Nr. 7 ab Seite 34
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