Foto: DAZ/Schelbert

Zwischen Plausibilität und Popularität

Eine altbewährte Nasensalbenrezeptur

Von Cornelia Bruns | Der Blick in die Rote Liste offenbart neben den bekannten industriell hergestellten Nasensprays und –tropfen auch eine kleinere Anzahl an Nasensalben oder –cremes, deren Status entweder der eines Arzneimittels oder eines Medizinproduktes ist. Von HNO-Ärzten werden jedoch weiterhin gern altbekannte Rezepturen von Nasensalben für spezielle Anwendungen verordnet, wie zum Beispiel ausgetrocknete Nasenschleimhaut oder zur Pflege der Nasenschleimhäute nach chirurgischen Eingriffen. Die Herkunft ist oft nicht mehr genau nachzuverfolgen und es kursieren verschiedene Zusammensetzungen sowie Namen im deutschsprachigen Raum. Anhand einer populären Rezeptur soll die Plausibilität diskutiert und die Anforderungen des Europäischen Arzneibuches näher betrachtet werden.

Anforderungen an Zubereitungen zur nasalen Anwendung

Die Monografie des Europäischen Arzneibuches [1] „Zubereitungen zur nasalen Anwendung – Nasalia“ umfasst flüssige, halbfeste und feste Zubereitungen. Demnach sollen diese Zubereitungen keine Reizungen und Beeinträchtigungen der Nasenschleimhaut und Zilien hervorrufen. Ferner sollte das Packmittel so konzipiert sein, dass eine Kontamination des Inhaltes bei der Applikation vermieden werden kann und es den allgemeinen Anforderungen für Behältnisse entspricht.

Da die Angaben zur Herstellung sich fast ausschließlich auf die mikrobiologische Qualität beziehen, kommen den einzelnen Abschnitten zu den unterschiedlichen Zubereitungen größere Bedeutung zu. Während hier die wässrigen Zubereitungen zur nasalen Anwendung definiert und Anforderungen formuliert werden, gibt der Abschnitt über die halbfesten Zubereitungen zur nasalen Anwendung nur den Hinweis, dass „die Behältnisse eine Vorrichtung haben müssen, um die Zubereitung an den Anwendungsort zu bringen“ und verweist auf die Monografie „Halbfeste Zubereitungen zur kutanen Anwendung“. Neben den allgemeinen Fragen zur Wirkstoffeinarbeitung (gelöst oder dispergiert) und zur Grundlage muss für die weitere Herstellung zunächst die Notwendigkeit der Sterilität der Zubereitung geklärt werden. Wie im Kommentar zum Europäischen Arzneibuch [2] explizit vermerkt, ist es „dem Apotheker mitunter nicht möglich zu entscheiden, ob eine große offene Wunde oder schwer geschädigte Haut behandelt werden soll“. Daher bleibt im Einzelfall nur die Rücksprache mit dem behandelnden Arzt und die Prüfung, ob und wie die Rezeptur unter der Maßgabe der Sterilität technisch umsetzbar ist.

Rezepturbeispiele in den digitalen Medien

Nicht nur in der Fachliteratur, sondern auch in diversen Foren werden unterschiedliche Rezepturen publiziert oder diskutiert. Ob diese Öffentlichkeit z. B. bei Problemen der Herstellung allen Beteiligten so zuträglich ist, darf bezweifelt werden.

Eine Auswahl an Rezepturen, die im Internet frei zugänglich sind, zeigt die Tabelle 1.

Tab. 1: Zusammensetzungen von Nasensalben bzw. -cremes
Name der Rezeptur
Inhaltsstoffe
Quelle
Wittmaacksche Nasensalbe
Citronensäure, Diammoniumhydrogencitrat, demineralisiertes Wasser, Wollwachs, dickflüssiges Paraffin
LungenWiki des Lungennetzwerks
Nasensalbe mit Chlorhexidin
Chlorhexidinacetat, Propylenglykol, mittelkettige Triglyceride, Wollwachs
Caelo Rezepturforum
Kieler weiche Nasensalbe
Wollwachs, dickflüssiges Paraffin
Morbus Osler Selbsthilfe e.V.
Tübinger Nasensalbe
Salbeiöl, Hydrocortison, Otriven, Vitamin-A-Palminat, Dexpanthenol-Salbe, Olivenöl
jucknix - Neurodermitis Portal
Nasensalbe HNO UKE
weißes Vaselin, Erdnussöl, Lavendelöl
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, www.uke.de/zentrale-dienste/apotheke/index_13236.php

Eine historische Rezeptur und ihr Nachfolger

Im Jahr 1968 wurde die Wittmaacksche Salbe im Kapitel „Arzneiverordungen aus deutschen Krankenhäusern“ in der 6. Auflage des Pharmazeutischen Taschenbuches publiziert [3] und in der HNO-Heilkunde als Nasensalbe angewendet (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Originalvorschrift der Wittmaackschen Salbe aus dem „Pharmazeutischen Taschenbuch“ von 1968 [3].

Aufgrund der Einstufung der enthaltenen Borsäure als bedenklichen Stoff [4] in Rhinologika, musste die Rezeptur grundlegend überarbeitet werden. Wahrscheinlich unter der Voraussetzung, dass ein Antiseptikum enthalten und die Basis eine wasseraufnehmende Salbe sein sollte, ist zu Beginn der 80er Jahre aus der Wittmaackschen Salbe eine Nasensalbe mit Chlorhexidin entstanden:

Chlorhexidin-haltige Nasensalbe

Zusammensetzung der Nasensalbe mit Chlorhexidin

Chlorhexidindiacetat 0,01 g

Propylenglykol 0,33 g

mittelkettige Triglyceride 3,30 g

Wollwachs 6,36 g

Bei beiden bildet Wollwachs die Basis der Grundlage. Auf das noch in der Wittmaackschen Salbe enthaltene dickflüssige Paraffin wurde verzichtet und durch mittelkettige Triglyceride ersetzt.

Die Wortmarke „Bremer Nasensalbe“

Häufig wird die Chlorhexidin-haltige Nasensalbe mit dem Namen „Bremer Nasensalbe“ in Verbindung gebracht. Diese ehemals umgangssprachlich entstandene Bezeichnung muss bei Verordnung und Kennzeichnung aber unbedingt vermieden werden, da der Name „Bremer Nasensalbe“ seit 2007 beim Deutschen Patent- und Markenamt mit der Registernummer 30750522 als Wortmarke mit dem Verwendungszweck „Salbe für pharmazeutische Zwecke“ eingetragen ist [5]. Zwar ist mit dieser Eintragung keine Rezeptur geschützt, allerdings ist es Dritten untersagt, diesen Namen in irgendeiner Weise zu nutzen. Ansonsten könnte der Marken­inhaber, der im Bundesland Nordrhein-Westfalen ansässig ist, einen Unterlassungs-, wenn nicht gar einen Schadensersatzanspruch geltend machen.

Prüfung der Plausibilität auf relevante Punkte

Für die nach § 7 ApBetrO geforderte Plausibilitätsprüfung bieten sich sowohl die Print- als auch die digitalen Medien an. In diesem Fall dienen die digitalen Medien als eine erste Orientierungshilfe. Eine abschließende Beurteilung bedarf allerdings einer weiteren Recherche.

Applikationsart

Wasseraufnehmende Salbe zur nasalen Applikation unter Verwendung eines geeigneten Packmittels [6]

Inhaltsstoffe

Chlorhexidindiacetat hat wie auch die anderen Chlorhexidinsalze eine breite antimikrobielle Aktivität gegen diverse grampositive wie auch gramnegative Bakterien. Als Konservierungsmittel kann es in einer Konzentration von 0,01 bis 0,1% eingesetzt werden [4]. In dieser Zusammensetzung dürfte es als Antiseptikum und somit als Wirkstoff enthalten sein.

Propylenglykol kann als Lösungsvermittler, Feuchthaltemittel und Konservierungsmittel eingesetzt werden. Unter der Berücksichtigung, dass hier eine wasserfreie Zubereitung vorliegt, wäre eine Konservierung nicht zwingend erforderlich. Zudem läge die Konzentration mit 3,3% in der Gesamtzubereitung unterhalb der für die Konservierung erforderlichen Menge. In dieser Zubereitung dient es vorrangig der Lösung von Chlorhexidindiacetat. Zu beachten ist, dass Chlorhexidindiacetat nur schwer löslich in Propylenglykol ist und daher vollständig gelöst sein muss, bevor es in die Grundlage eingearbeitet wird, da ansonsten Kristalle in die Salbe eingearbeitet würden [7]. In welcher Weise sich Propylenglykol dabei in die Grundlage einfügt, kann nicht zweifelsfrei beantwortet werden. Zu vermuten ist die Anlagerung an die im Wollwachs enthaltenen hydrophilen Teilstrukturen der Emulgatoren.

Mittelkettige Triglyceride werden in Zubereitungen zur kutanen Anwendung wegen ihrer spreitenden und penetrationsfördernden Eigenschaften eingesetzt. Letztendlich stellt die W/O–Absorbtionsgrundlage Wollwachs mit ca. 63% den mengenmäßig größten Bestandteil der Salbe. Aufgrund der enthaltenen Alkohole besitzt es emulgierende Eigenschaften und kann mit Feuchtigkeit spontan unter Bildung einer Emulsion reagieren [8].

Unbedenklichkeit

In der Aufbereitungsmonografie der Kommission B7 beim Bundesgesundheitsamt/Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte unter Mitarbeit der Kommissionen B6 und B9 wurden Indikationen aus der HNO-Heilkunde für Chlorhexidin und seine Salze mit negativ bewertet [9]. Hintergrund dürfte hierfür die lokale Toxizität sein.

Therapiekonzept

Wasseraufnehmende Salben zur Verwendung als Nasensalbe finden sich hauptsächlich in der Rezeptur. Da durch die Grundlagen bei längerfristiger Anwendung die Funktionen der Zilien auf der Nasenschleimhaut beeinträchtigt und Verklebungen durch Rückstände hervorgerufen werden können, sind wasserfreie Rezepturen nicht unumstritten und nur kurzfristig einzusetzen. In der HNO-Heilkunde werden sie bei Epistaxis (Nasenbluten) und nach speziellen Operationen zur Nasenschleimhautpflege angewendet, unter anderem gegen Borkenbildung. Beide Indikationen sind in der Klinik durch ihre zeitliche Begrenzung charakterisiert. Von Vorteil gegenüber den wasserhaltigen Nasencremes ist eine bessere Haftung auf der Nasenschleimhaut und ein starker Hydratationsanstieg. Obwohl der Okklusionseffekt geringer ausgeprägt ist als bei den hydrophoben Salben, dürfte die in der Nase entstehende Emulsion ein Feuchtigkeitsreservoir bilden und damit die Verdunstung von Feuchtigkeit aus den oberen Schichten der Schleimhaut verhindern. Im weiteren Verlauf der W/O-Emulsionsbildung kann Propylenglykol als Lösungsvermittler und Penetrationsbeschleuniger für den Wirkstoff wirken. Nach heutigen Erkenntnissen dürfte die antiseptische Wirkung von Chlorhexidin­diacetat allerdings keine Relevanz besitzen.

Längerfristig und wiederholt werden derartige wasserfreie Rezepturen z. B. von Patienten mit Morbus Osler eingesetzt. Auch unter der Voraussetzung, dass der Leidensdruck bei diesen Patienten sehr hoch ist, kann die Nutzen-Risiko-Relation bei Langzeitanwendung nicht positiv bewertet werden.

Stabilität

Bei einer Herstellung dieser Zusammensetzung ist auf eine zügige Verarbeitung zu achten, da Chlorhexidindiacetat als fotoinstabil gilt. Durch die Wahl einer geeigneten Verpackung, z. B. in einer Aluminium-Tube mit entsprechendem Applikator kann die Zubereitung vor Licht geschützt werden. Wollwachs hingegen unterliegt wie tierische oder pflanzliche Fette einer Autooxidation, die mit zunehmender Lagerungsdauer ansteigt. Insofern sollte hier auf einwandfreies, nicht zu altes Ausgangsmaterial geachtet werden.

Haltbarkeitsdauer und Aufbrauchfrist

Bei der Verwendung von Tuben wird für wasseraufnehmende Salben eine Haltbarkeitsdauer von zwölf Monaten empfohlen [4, 6]. Um eine zu lange Lagerung einer geöffneten Tube zu vermeiden, sollte über eine Begrenzung der Aufbrauchfrist nachgedacht werden.

Abschlussbewertung

Unter der Voraussetzung, dass die Nasensalbe nur kurzfristig und klinisch begründet verwendet wird, ist der Einsatz von wasserfreien Grundlagen nachvollziehbar. Dagegen ist die Verwendung von Chlorhexidin in einer Nasensalbe aufgrund der Aufbereitungsmonografie nicht zu empfehlen. Hier sollte Rücksprache mit dem behandelnden Arzt gehalten werden.

Ausweg industriell hergestellte Produkte?

Bei den in der Roten Liste aufgeführten Präparaten lassen sich in der Rubrik „72. Rhinologika/Sinusitismittel“ neben Arzneimitteln auch Medizinprodukte finden [10]. Sollte man sich also entschließen, dem verordnenden Arzt ein Fertigarzneimittel oder Medizinprodukt anzubieten, empfiehlt es sich, Zusammensetzung und Indikationsgebiet gut zu recherchieren. Vorzuziehen wäre allerdings aus pharmazeutisch-technologischer Sicht, die Zusammensetzung einer Rezeptur nach Rücksprache mit dem Arzt zu verändern und eine individuell angepasste Nasensalbe unter Berücksichtigung der Nutzen-Risiko-Relation herzustellen.

Fazit

Die Plausibilität von Rezepturen sollte in angemessenen Abständen wiederholt und überprüft werden. Das diskutierte Beispiel zeigt deutlich, wie sich eine einmal getroffene Einschätzung einer Rezepturentwicklung unter den wissenschaftlichen Erkenntnissen ändern kann. Je populärer und subjektiv erfolgreicher jedoch eine Rezeptur ist, desto schwieriger gestalten sich Änderungen in der Zusammensetzung. |

Literatur

 [1] Europäisches Arzneibuch 8.0–8.2. Amtliche deutsche Ausgabe. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2015

 [2] Bracher F, Heisig P, Langguth P. Arzneibuch-Kommentar. Loseblattwerk. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2014

 [3] Arzneiverordnungen aus deutschen Krankenhäusern in: Kaiser H. Pharmazeutisches Taschenbuch, 6. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 1968

 [4] Ziegler AS. Plausibilitäts-Check Rezeptur. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2015

 [5] Registerauskunft. Registernummer: 30750522 Bremer Nasensalbe. Deutsches Patent- und Markenamt: https://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/307505227/DE

 [6] DAC/NRF-Kommission, ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Deutscher Arzneimittel-Codex®/Neues Rezeptur-Formularium® (DAC/NRF). Loseblattwerk in sechs Ordnern, Eschborn, Pharmazeutischer Verlag GmbH, 2013

 [7] DAC/NRF-Rezepturhinweise. http://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de

 [8] Fiedler H. Lexikon der Hilfsstoffe für Pharmazie, Kosmetik und angrenzende Gebiete. Aulendorf: Editio Cantor Verlag 1996

 [9] Aufbereitungsmonografie: Chlorhexidin und Chlorhexidin-Salze, Bekanntmachung vom 25. Juli 1994, Pharm Ztg 1994;139:3075-3077

[10] Rote Liste, www.rote-liste.de

Autorin

Cornelia Bruns ist Apothekerin für Klinische Pharmazie. Seit 1995 in der Zentralapotheke im Klinikum Bremen-Mitte Gesundheit Nord gGmbH Klinikverbund Bremen als Apothekerin tätig. Tätigkeitsbereich ist die Herstellung steriler und unsteriler Arzneimittel. Mitglied in der NRF-Kommission, stellvertretendes Mitglied der DAB-Kommission. Kein Interessenkonflikt.

Das könnte Sie auch interessieren

Ohne Lösungsmittel geht nichts in der Rezeptur

In Lösung bringen

Tipps zur Handhabung des THC-Stereoisomers in der Rezeptur

Herstellung von öligen Dronabinol-Tropfen

Apotheken können MRSA-Sanierung sichern

Turixin fehlt – Mupirocin gibt`s

1 Kommentar

Test

von Test am 24.10.2016 um 14:00 Uhr

Test

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.