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Ganz Ohr sein

– mit der richtigen Ohrenhygiene

Von Ines Winterhagen | Nicht jeder, der schlecht hört, muss gleich schwerhörig sein. Oft ist nur ein sogenannter Ceruminal-Pfropf schuld an der plötzlichen Schwerhörigkeit. Dieser kann durch eine Überproduktion von Ohrenschmalz oder eine unsachgemäße Reinigung entstehen und den Gehörgang komplett verschließen. Somit wird die physiologische Selbstreinigung des Ohres blockiert und es kann zu unangenehmen Beschwerden wie Ohrensausen, Schwindel, Tinnitus sowie Juckreiz, Druckgefühl oder Schmerzen kommen. Neben der professionellen Ohrspülung beim HNO-Arzt können bei leichten Verstopfungen Tropfen oder Sprays aus der Apotheke Abhilfe schaffen und den Gehörgang wieder frei machen.

Das Ohr wird in drei Abschnitte unterteilt: das äußere Ohr mit Ohrmuschel und Gehörgang, das Mittelohr mit Trommelfell, Gehörknöchelchenkette und Ohrtrompete sowie das Innenohr. Das Außenohr fängt Schallwellen auf, die dann über das Mittel- ins Innenohr weitergeleitet werden. Zum äußeren Ohr zählen die Ohrmuschel (Auricula auris) und der äußere Gehörgang (Meatus acusticus externus). Die Ohrmuschel besteht mit Ausnahme des Ohrläppchens aus einem elastischen Knorpel, der von Haut überzogen ist. Der äußere, etwa 3 cm lange Gehörgang verläuft nicht gerade, sondern leicht S-förmig gekrümmt und erweitert sich vor der Trommelfell-Ebene grabenförmig nach unten. Er wird von teils knöchernen, teils knorpeligen Strukturen gebildet. Im knorpeligen Anteil befinden sich in der darüber liegenden feinen Haut neben Haarzellen auch die Ceruminal-Drüsen, die das Cerumen (Ohrenschmalz) absondern.

Das Ohrenschmalz

Menge und Farbe des Cerumens variieren von Mensch zu Mensch. Genetisch bedingt existieren zwei verschiedene Formen von Ohrenschmalz: die feuchte Form ist ölig-klebrig und gelblich-hellbraun oder dunkelbraun, die trockene Form erscheint hingegen staubig-grau. Während 97% aller Bewohner Afrikas und Europas dunkles, feuchtes Schmalz in den Ohren haben, findet man in Ostasien in 80 bis 95% aller Ohren helles, trockenes Ohrenschmalz. Die Zusammensetzung wird über das Gen ABCC11 auf dem Chromosom 16 gesteuert. Das klebrige Sekret, das fast ausschließlich aus Fetten und Wachs-Estern, in geringen Mengen auch aus keimtötenden Substanzen wie antibakteriell wirksamem Lysozym und aus Duftstoffen besteht, ist ein wichtiges Element zur Selbstreinigung des Ohres. Zudem erfüllt es zahlreiche weitere essenzielle Aufgaben: physiologischer Schutz des Trommelfells vor Wassereinwirkung, Schmierung und Schutz des Gehörgangs vor Austrocknung sowie Abwehrfunktion gegen Krankheitserreger und Insekten.

Aufbau des Ohres Im äußeren Drittel des knorpeligen Teils des Gehörgangs befinden sich die Ohrenschmalzdrüsen (Glandulae ceruminosae). Das von diesen modifizierten Schweißdrüsen gebildete Ohrenschmalz überzieht die Haut des Gehörgangs sowie die äußere Wand des Trommelfells. Es sorgt dafür, dass der Gehörgang gereinigt wird, schützt die Haut im Ohr vor dem Austrocknen und vor der Ansiedlung von Bakterien und Pilzen. Da der Gehörgang leicht gebogen ist und sich nach innen verjüngt, kann mit der falschen Reinigungsmethode das Schmalz weiter in den Gehörgang hineingedrückt und komprimiert werden.

Natürliche Selbstreinigung der Ohren

Die Gehörgänge reinigen sich selbst. Hierbei wandern abgestorbene, abgeschilferte Epithelzellen zunächst langsam vom Zentrum des Trommelfells aus mit Staubpartikeln und Verunreinigungen den Gehörgang entlang. Sie vermischen sich im äußeren Teil des Gehörgangs mit dem Ceruminal-Sekret. Unterstützt durch Kaubewegungen gelangt diese Masse dann allmählich in Richtung Ohrmuschel nach außen. Auf der bereits vorhandenen dünnen Cerumen-Schicht im Gehörgang kann nachfolgendes Cerumen leicht vorantransportiert werden. Ungestört durch äußere Manipulationen bleibt die Cerumen-Schicht im Gehörgang stets sehr dünn und sorgt als Schutzfilm dafür, dass keine Krankheitserreger eindringen.

Ursachen für Cerumen obturans

Bei einigen Menschen wird zu viel Ohrenschmalz produziert. Dann bildet sich mitunter im Gehörgang ein harter Pfropf, der das Hörvermögen erheblich beeinträchtigt. Die Betroffenen klagen über ein unangenehmes Druckgefühl und/oder leichte Ohrenschmerzen mit der Wahrnehmung „Hören wie durch Watte“. Ein Ohrenschmalz-Pfropf (Cerumen obturans) kann aber auch durch verminderten Sekretabfluss bei engen Gehörgängen oder irritierenden Fremdkörpern (Ohrstöpseln, Hörgeräten) sowie durch das Aufquellen von Cerumen (z. B. durch eintretendes Wasser beim Baden) entstehen. Eine häufige Ursache ist darüber hinaus die Verdichtung eines Pfropfes durch übertriebene Reinigung des Gehörgangs mit Wattestäbchen. Zudem können Manipulationen mit Haarnadeln oder anderen spitzen Gegenständen kleine Verletzungen mit nachfolgender Infektion im Gehörgang hervorrufen. So kommt es bei falschen Reinigungsversuchen auch leicht zu einer Gehörgangsentzündung (Otitis externa). Diese häufigste Erkrankung des äußeren Ohres geht oft mit starken Schmerzen einher. In der ersten Entzündungsphase treten Schwellung, Rötung und wässrig-eitrige Sekretion auf, mit zunehmender Heilung Juckreiz und Hautschuppung. Für den Laien erkennbar ist die Otitis externa durch eine einfache Probe: Der Schmerz verstärkt sich durch Ziehen am Ohrläppchen oder durch Druck auf den Tragus, die Region, die unmittelbar vor dem Eingang des Gehörkanals liegt.

Tipps zur richtigen Ohrenpflege

Normalerweise reicht es aus, täglich die sichtbaren Cerumen-Überschüsse im von außen sichtbaren Gehörgangs­eingang mit dem Finger und einem Kosmetik- oder Papiertaschentuch zu entfernen, alternativ mit einem Waschlappen oder Wattepad, angefeuchtet mit etwas lauwarmem Wasser. Erwachsene können auch versuchen, beim Duschen mit maximal mittelhartem Wasserstrahl vorsichtig die Ohren zu spülen. Hier ist aufgrund der Verletzungsgefahr jedoch Vorsicht geboten. Der Duschstrahl sowie die Ohrmuschel müssen dabei nach hinten/oben gerichtet sein. Leichter ist es, beim Duschen etwas Wasser in die Ohren laufen zu lassen und danach die Ohrmuscheln mit einem weichen Tuch abzutrocknen. Außerdem sollte auch die Haut hinter den Ohren regelmäßig gewaschen und gut abgetrocknet werden. Vor allem bei Kindern können dort sonst Entzündungen auftreten. Sollte das Cerumen trocken und krümelig sein, ist es hilfreich, einmal pro Woche ein paar Tropfen Babypflegeöl auf die Ohrmuscheln zu geben und vorsichtig einzureiben.

Tab.:
Medizinprodukte zur Reinigung des Gehörgangs
und zum Lösen von Ceruminalpfropfen (Beispiele) [
Lauer-Taxe, Stand August 2015]
Produkt
Inhaltsstoffe
Anwendung
Audispray
®
Adult/- Junior
Audispray
®
Junior ab drei Jahren Audispray
®
Adult ab sechs Jahren
hypertonische Meerwasser­lösung
Flacon senkrecht halten, ein- bis zwei Sprühstöße ins Ohr sprühen,
Ohransatz zehn Sekunden massieren,
Kopf auf die Seite neigen, um die überschüssige Flüssigkeit herauslaufen zu lassen und Ohr abtrocknen,
Sprühöffnung nach jedem Gebrauch mit heißem Wasser reinigen
AuriPur
®
Ohrreinigungs-Spray
Glycerol, Ethanol, gereinigtes Wasser
enthält zwei Reinigungs-/Pflegetücher aus Baumwolle
Sprühkopfaufsatz auf die Flasche aufstecken und die körperwarme Flüssigkeit mit ein bis zwei Pumphüben in das Ohr sprühen,
Ohransatz kurz massieren und einige Minuten warten,
anschließend Kopf zur Seite neigen, damit die Flüssigkeit von selbst aus dem Ohr herauslaufen kann
Cerumenex
®
N Ohrentropfen
Ölsäure-Polypeptid-­Kondensat, Propylenglycol, Trometamol
mit der Pipette drei bis fünf Tropfen bei schräggehaltenem Kopf in den Gehörgang träufeln,
das äußere Ohr mit einem Wattebausch verschließen und 20 bis 30 Minuten einwirken lassen,
danach äußeren Gehörgang mit lauwarmem Wasser ausspülen
Cerustop
®
Ohrenöl Spray
Mandelöl, dickflüssiges Paraffin, mittelkettige Triglyceride, Sorbitanfettsäureester
Kopf leicht zur Seite neigen, etwa eine halbe Pipette körperwarmes Ohrenöl eintropfen,
Ohr locker mit einem kleinen Wattebausch verschließen,
nach ca. zehn Minuten Einwirkzeit Ohr mit warmem Wasser sanft spülen
Ohren-Spray Dr. Mann
®
Polysorbat 80, Natriumhydrogencarbonat, Natriumchlorid, gereinigtes Wasser
Aufsatz auf der Flasche anbringen, Sprühflasche direkt an den Ohreingang halten, zwei bis drei Sprühstöße in den Gehörgang einsprühen,
Kopf zur Seite neigen, um das Abfließen von Flüssigkeit und eventueller Ohrenschmalzrückstände zu begünstigen
Otitex
®
Ohrentropfen; Otowaxol
®
sine/Kombi­packung
(Lösung mit/ohne Ohrenspritze)
Docusat-Natrium, Ethanol, Glycerol
zehn Tropfen bei schräg gehaltenem Kopf in den Gehörgang einbringen, mit Watte leicht verschließen, nach ca. fünf bis zehn Minuten mit körperwarmem Wasser ausspülen
Otosan
®
Ohrenspray
isotonische Kochsalzlösung, Teebaumöl, Pflanzenextrakte: Aloe vera, Zitrone, Ringel­blume, Malve
Kopf aufrecht und gerade halten,
Spray senkrecht ans Ohr legen,
Rand des Sprühkopfes genau am Gehörgang ansetzen,
ein- bis zweimal sprühen, Spray einige Minuten einwirken lassen, anschließend den Kopf zur Seite neigen, sodass das behandelte Ohr nach unten zeigt und die Flüssigkeit und der Schmutz herausfließen können, Behandlung am anderen Ohr wiederholen,
Sprühkopf mit warmem Wasser abspülen
Vaxol
®
Ohrenspray
natives Oliven-Öl
Flasche in der Hand erwärmen und vor Gebrauch schütteln,
Außenohr oder Ohrmuschel vorsichtig aufwärts und nach hinten ziehen,
Flasche aufrecht halten und Sprühkopföffnung in den Gehörgang platzieren,
ein bis zwei Sprühstöße verabreichen,
Ohransatz massieren, Ohr nicht ausspülen

Finger weg von Wattestäbchen!

Die Mehrheit der Bevölkerung benutzt Wattestäbchen zur Ohrenreinigung. Doch diese haben in den Ohren nichts zu suchen. Das Ohrenschmalz wird durch die Stäbchen nicht herausbefördert, sondern noch tiefer nach innen in den Gehörgang und bis vor das Trommelfell geschoben. Das kann dazu führen, dass das Ohrenschmalz eintrocknet und einen harten Pfropf bildet. Dieser klebt am Trommelfell und übt damit ständig Druck aus. Zudem birgt der harte Innenteil der Stäbchen ein nicht zu unterschätzendes Risiko für Verletzungen des Gehörgangs oder Trommelfells.

Abhilfe gegen zu viel Ohrenschmalz: Tropfen, Spray und Spülung

Bei einem sehr hartnäckigen Ceruminal-Pfropfen im Gehörgang sollte ein HNO-Arzt aufgesucht werden, der den Pfropfen auf verschiedene Arten beseitigen kann: durch Ausspülen oder Absaugen der Ohren bzw. mittels einer Kürette. Auch wer übermäßig Ohrenschmalz bildet, sollte dieses regelmäßig – am besten in vierteljährlichem Abstand – professionell entfernen lassen. Alternativ gibt es für größere Cerumen-Mengen und locker sitzende Pfropfen in der Apotheke verschiedene Ohrentropfen und -sprays, die das Ohrenschmalz aufweichen, damit es leichter abfließt. Nicht angewendet werden dürfen sie bei entzündetem Gehörgang oder bei perforiertem Trommelfell. Hingegen sind die meisten Präparate auch für die Sauberhaltung des Gehörganges bei Hörgeräteträgern geeignet. Cerumen-erweichende Lösungen wie Cerumenex®, Otowaxol® oder Otitex® sollen nur für den jeweils vom Hersteller festgelegten Zeitraum im Ohr verbleiben, da sonst lokale Reizungen auftreten können. Während der Einwirkzeit wird der Gehörgang leicht mit etwas Watte verschlossen. Mithilfe einer Ohrenspritze kann der Cerumen-Pfropfen dann anschließend mit körperwarmem Wasser ohne großen Druck über dem Waschbecken ausgespült werden. Bei Ohrensprays erfolgt kein Ausspülen mit Wasser, die Flüssigkeit läuft hier bei seitlich geneigtem Kopf von allein ab. Unterschiede zwischen den einzelnen Präparaten bestehen zudem in ihrem Einsatzbereich. Während einige Produkte beschränkt sind auf die tägliche Anwendung bei übermäßigem, verhärtetem Ohrenschmalz sowie zur Vorbeugung und Entfernung von Ohrenschmalz-Pfropfen (Otowaxol®, Vaxol®, Cerumenex®), dürfen andere Produkte zusätzlich zur Pflege der Ohrmuschel, des Gehörgangeingangs und der Schweißfalte hinter der Ohrmuschel (Otosan®, AuriPur®, Cerustop® Ohrenöl Spray) eingesetzt werden. Hierzu wird ein Wattebausch oder Baumwolltuch mit der Substanz befeuchtet und danach die Ohrmuschel durch mehrmaliges Auswischen von anhaftendem Ohrenschmalz, Schmutz und Schuppen gereinigt und schließlich gut abgetrocknet.

Als alternative Reinigungsmittel stehen Ohrenspritzen ­(Ballonspritzen aus Gummi) in verschiedenen Größen, ­Ohrenreiniger mit einer Metallschlinge sowie z. B. die earshower® Ohrdusche zur Verfügung. Diese arbeitet als Spülung nach dem gleichen Prinzip wie die medizinische Anwendung beim Ohrenarzt. Zunächst wird Wasser in der Hand­innenfläche gesammelt, der Saugball zusammengedrückt und das Wasser aufgesaugt. Bei geneigtem Kopf wird der Sprühkopf am äußeren Gehörgang angelegt und gespült. Anschließend ist der Gehörgang mit der leeren Ohrdusche trocken zu blasen, um Restfeuchtigkeit zu vermeiden. Auch Ohrenkerzen (z. B. Otosan® Ohrkerze) werden zur Ohrreinigung angeboten. Sie werden von vielen Medizinern wegen möglicher Verletzungsgefahren jedoch abgelehnt, zumal der reinigende Effekt fraglich ist. Die 20 bis 30 Zentimeter langen Röhrchen werden in die Ohrmuschel gesteckt und angezündet. Der in der hohlen Kerze entstehende Unterdruck soll den Sekretfluss anregen. Nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren elektronische Geräte zur Ohrreinigung: Auch hier soll ein leichter Unterdruck im Ohr entstehen, mit dem das Ohrenschmalz „abgesaugt“ wird. Aber auch hier fehlt der Beleg, dass damit ein Ohrpfropf entfernt werden kann. |

Literatur

Hamacher H, Wahl MA. Selbstmedikation - Arzneimittelinformation und Beratung in der Apotheke, 2. Aufl., Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2013

Mutschler E, Vaupel P, Schaible HG. Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen, 7. Aufl., Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2015

Tipps zur richtigen Ohrenpflege. www.hno-aerzte-im-netz.de/allgemeines/hno-hygiene/tipps-zur-richtigen-ohrenpflege.html; Stand August 2015

www.ohren-reinigen.de; Stand August 2015

Lauer-Taxe, Stand August 2015


Autorin

Ines Winterhagen hat in Marburg Pharmazie studiert und ist seit der Approbation 2003 in der öffentlichen Apotheke tätig. Sie ist Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Homöopathie und Naturheilkunde. In der Reihe „Beratungspraxis“, die im Deutschen Apotheker Verlag erscheint, schrieb sie die Bücher „Neurodermitis“ und „Psoriasis“. Sie ist Referentin und Mitglied im Weiter­bildungsausschuss der LAK Baden-Württemberg.

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