Komplementäre Therapien

Der rechtliche und politische Rahmen

Gesetzliche Grundlagen, Zulassung und Erstattungsfähigkeit anthroposophischer Arzneimittel

Das Wichtigste vorab: Die Anthroposophische Medizin ist eine integrativ ansetzende Medizin, die sich als Ergänzung und Erweiterung der konventionellen Medizin (und nicht als Alternativmedizin) versteht. Dementsprechend können in Diagnostik und Therapie alle Elemente der modernen naturwissenschaftlichen Medizin eingesetzt werden. Ergänzt wird dieses Spektrum durch die besonderen Therapien der Anthroposophischen Medizin wie Heil­eurythmie und Kunsttherapie sowie durch anthroposophische Arzneimittel. So ist es für die Anthroposophische Medizin selbstverständlich, innerhalb der „normalen“ Rahmenbedingungen des Gesundheitswesens und als fester Bestandteil der medizinischen Versorgung verortet zu sein. Konkret bedeutet das, dass die Anthroposophische Medizin in Deutschland bereits seit 1976 im Arzneimittelgesetz verankert und seit 1989 im Sozialgesetzbuch V als „Besondere Therapierichtung“ gesetzlich anerkannt ist.

Rechtliche Stellung

Auf dieser Basis ist die Stellung der anthroposophischen Arzneimittel rechtlich abgesichert (Sozialgesetzbuch V und § 25 Abs. 7 Arzneimittelgesetz (AMG); 10. Novelle). Definiert werden sie folgendermaßen: „Anthroposophisches Arzneimittel ist ein Arzneimittel, das nach der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis entwickelt wurde, nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren oder nach einem besonderen anthroposophischen Zubereitungsverfahren hergestellt worden ist und das bestimmt ist, entsprechend den Grundsätzen der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis angewendet zu werden“ (AMG § 4, Nr. 33).

Anthroposophische Arzneimittel kommen (ebenso wie Homöopathika und Phytotherapeutika) durch ein besonderes Zulassungsverfahren auf den Markt (Monografieerstellung durch die Kommission C am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) oder werden als registrierte Arzneimittel ohne Indikation in den Handel gebracht. Wie alle anderen Arzneimittel sind auch die anthroposophischen Arzneimittel in der Apotheke erhältlich, viele sind jedoch nicht verschreibungspflichtig und werden als OTC-Produkte in der Selbstmedikation eingesetzt. Wie für alle anderen Arzneimittel gilt auch für die Anthroposophika: Qualität und Unbedenklichkeit werden regel­mäßig nachgewiesen.

Zertifizierte Weiterbildung der GAPiD

Jeder Apotheker kann sich zum „Apotheker/in für Anthroposophische Pharmazie (GAPiD)“ weiterbilden. Diese Zertifizierung wird von der Gesellschaft Anthroposophischer Apotheker in Deutschland e. V. (GAPiD) angeboten. Benötigt werden dafür (innerhalb von drei Jahren) 150 Weiterbildungsstunden zu zentralen Themen der Anthroposophischen Pharmazie und Medizin sowie praktische Kurse und eine schriftliche Ausarbeitung. Eine Besonderheit dieser Weiterbildung sind Grundlagenkurse, in denen Ärzte und Apotheker gemeinsam in die Substanz- und Arzneimittelkunde eingeführt werden. Das Ziel ist es, sich die Spezialkompetenz zur Beratung anthroposophischer Arzneimittel anzueignen und Rezeptur-Verordnungen anthroposophischer Ärzte umzusetzen zu können.

PTAs können den Titel „Pharmazeutisch-technische Assistentin für Anthroposophische Pharmazie (GAPiD)“ er­werben. Für sie gelten An­forderungen, die in einer eigenen Weiterbildungsordnung der GAPiD festgehalten sind.

www.gapid-akademie.de

Qualität gesichert

Um die Qualität in der Ausbildung, in der Beratung und der Herstellung zu sichern, wurde vor einigen Jahren die Marke „AnthroMed Pharmazie“ ent­wickelt. Die Nutzung der Marke steht damit allen Apotheken zur Verfügung, die die Akkreditierungsrichtlinien des GAPiD-Qualitätsverbundes erfüllen. Beim Zertifizierungsverfahren wird nicht der einzelne Pharmazeut zertifiziert, sondern die gesamte Apotheke. Voraussetzung ist, dass es in der Apotheke einen Apotheker nach den Kriterien der Gesellschaft Anthroposophischer Apotheker in Deutschland e. V. (GAPiD) gibt. Außerdem wird die Beratungskompetenz der PTA in der Apotheke überprüft.

www.anthromed.net

Besondere Herstellungsverfahren

Laut International Association of Anthroposophic Pharmacists (IAAP) gibt es in Europa rund 1700 zugelassene und/oder registrierte anthroposophische Arzneimittel. Es gibt sie als (teils homöopathisch) potenzierte, pflanzlich konzentrierte oder als Kompositionspräparate. Die anthroposophischen Arzneimittel werden vorwiegend in rhythmischen Prozessen und/oder abgestuften Wärmeanwendungen hergestellt – das jeweilige therapeutische Ziel ist für die Auswahl entscheidend. Außerdem gibt es einige spezielle anthroposophisch-pharmazeutische Herstellverfahren, die ausschließlich in der Anthroposophischen Pharmazie eingesetzt werden.

Die Herstellung vieler anthroposophischer Arzneimittel ist durch das Homöopathische Arzneibuch (HAB) ge­regelt. In diesen sind auch Vorgaben zur Qualitätskontrolle enthalten. Die Herstellung wird turnusgemäß durch staatliche Behörden kontrolliert. Auch für die Arzneimittelsicherheit gelten gesetzliche Regeln: Unerwünschte Wirkungen werden an die Hersteller, an die Arzneimittelkommissionen und die Überwachungsbehörden gemeldet.

Erstattungsfähigkeit

Die Anthroposophische Medizin ist in der Gesetzlichen Krankenversicherung vertreten. Allerdings werden nicht alle Kosten standardmäßig erstattet. Für die Arzneimittel sieht die Situation ­folgendermaßen aus:

Seit nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht mehr durch die Gesetzliche Krankenversicherung erstattet werden, müssen Patienten die Kosten für den Großteil der anthroposophischen Arzneimittel selbst tragen. Unter bestimmten Voraussetzungen können diese Arzneimittel jedoch für Kinder unter zwölf Jahren beziehungsweise Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum 18. Lebensjahr auf Kassenrezept verordnet werden. Eine ­weitere Ausnahme gilt für rund 30 schwerwiegende oder lebensbedrohende Krankheitsbilder, etwa Demenz oder maligne Tumore (in der palliativen Therapie). Bei diesen Erkrankungen, bei denen die Schulmedizin bestimmte, nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel einsetzt, können auch Arzneimittel der Anthroposophischen Medizin erstattet werden: Dazu müssen sie für die in der Arzneimittelrichtlinie genannten Indikationen (einschließlich der Anwendungsvoraussetzungen als Therapiestandard in der Anthroposophischen Medizin) gelten. Stimmen Diagnose und die in der Arzneimittelrichtlinie genannten Anwendungsvoraussetzungen überein, kann bei schwerwiegenden Erkrankungen jedes dafür in der Anthroposophischen/Homöopathischen Medizin als Standardmittel gebräuchliche Arzneimittel verordnet werden.

Trotz dieser Ausnahmen hat die Entscheidung der damaligen Bundesregierung, nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Erstattung durch die Gesetzliche Krankenversicherung auszuschließen, bei den Patienten viel Unmut ausgelöst. Besonders, da die Verfahren der Besonderen Therapierichtungen (Anthroposophische Medizin, Homöopathie, Phytotherapie) seit Jahren immer beliebter werden.

Inzwischen hat die Bundesregierung reagiert und den Kassen die Möglichkeit eingeräumt, ihren Versicherten die Kosten für Arzneimittel der Besonderen Therapierichtungen (also auch der Anthroposophischen Medizin) als Satzungsleistungen zu erstatten. Dabei gelten jeweils unterschiedliche Höchstgrenzen und die Voraussetzung, dass das Arzneimittel ärztlich verordnet sein muss. |

Autor

Dr. Manfred Kohlhase, Apotheker, Vorstand der Gesellschaft Anthroposophischer Apotheker in Deutschland e. V. (GAPiD)

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