Aus der Hochschule

Standards zur universitären Ausbildung im Fach Klinische Pharmazie

Fachgruppe Klinische Pharmazie der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG)

Nach einjähriger Diskussion um das zukünftige Leitbild des Apothekerberufs und der pharmazeutischen Versorgung in Deutschland wurde auf dem Deutschen Apothekertag 2014 das Perspektivpapier „Apotheke 2030“ verabschiedet [1]. Darin bekundet der Berufsstand seine Absicht, den Apo­theker und den Apothekerberuf als ­integralen Bestandteil eines heilberuflichen Netzwerkes weiterzuentwickeln und zentrale Aufgaben zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) zu übernehmen. Dabei spielen patientenorientierte Dienst­leistungen wie das 2012 in die Apothekenbetriebsordnung aufgenommene Medikationsmanagement eine zentrale Rolle. Darüber hinaus hat die Nutzen/Risiko-Bewertung von Arzneimitteltherapien für den einzelnen Patienten und für die Gesellschaft auf vielfältige Weise enorm an Bedeutung gewonnen: Zur evidenzbasierten Beurteilung von Therapien ist verstärkt Wissen durch patientenrelevante Forschung gefordert. Alle diese Entwicklungen bieten für den Apothekerberuf gleichzeitig neue zukunftsträchtige Verantwortlichkeiten und die Chance, aktiv an ­aktuellen und zukünftigen Weiter­entwicklungen im Gesundheitswesen mitzuwirken.

Die für diese Neuausrichtung der Apothekeraufgaben und -verantwortlichkeiten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten werden im Pharmazie­studium vor allem im Fach Klinische Pharmazie vermittelt, das jedoch an den einzelnen Hochschulstandorten in unterschiedlichem Umfang und mit divergierenden Inhalten gelehrt wird.

Klinisch-pharmazeutische Lehr­veranstaltungen in hoher Qualität sind die Voraussetzung für eine flächendeckende Etablierung patientenorientierter Dienstleistungen in Apotheken, eine evidenzbasierte Therapiebewertung und kompetente Mitwirkung bei Therapieentscheidungen sowie wissenschaftlich hochwertige und patientenrelevante Forschungsprojekte.

Bereits 2004 erarbeitete eine Arbeitsgruppe der Fachgruppe Klinische Pharmazie der DPhG zehn Standards, an denen sich die pharmazeutischen Institute bei der Planung der Lehrveranstaltungen orientieren konnten [2]. Vor dem Hintergrund der veränderten berufspolitischen Rahmenbedingungen und nach mehr als zehn Jahren ­Erfahrung mit Lehrveranstaltungen im Fach Klinische Pharmazie wurden die Standards nun aktualisiert und ­erweitert.

Es sei darauf hingewiesen, dass sich die formulierten Standards auf die universitäre Ausbildung und nicht auf den 3. Ausbildungsabschnitt beziehen. Die einzelnen Standards werden von der Arbeitsgruppe kommentiert.

Zielsetzung der universitären Ausbildung im Fach Klinische Pharmazie

Die Studierenden sollen befähigt werden, die Gesamtsituation des ­Patienten hinsichtlich seiner Erkrankung und Arzneimitteltherapie zu verstehen und diese Kenntnisse einzusetzen, um Patienten und ­Ärzte sowie Angehörige anderer ­Gesundheitsberufe in der optimalen Arzneimittelanwendung evidenz­basiert und verantwortlich zu ­unterstützen.

Kommentar: Diese Zielsetzung wurde bereits 2004 von der Fachgruppe Klinische Pharmazie formuliert und besitzt unverändert Gültigkeit. Sie steht im Einklang mit dem sich wandelnden Berufsbild des Apothekers hin zu einem patientenorientierten Heilberuf im Einklang mit dem Perspektivpapier „Apotheke 2030“. Mit der Ausbildung im Fach Klinische Pharmazie soll die Etablierung neuer patientenorientierter Dienstleistungen unterstützt und wissenschaftlich untermauert werden.

Standards

1. Das Fach Klinische Pharmazie wird durch eine eigenständige Vollprofessur vertreten, die an­gemessen mit personellen und finanziellen Ressourcen aus­gestattet ist.

Kommentar: Klinische Pharmazie ist eines von fünf Kern- und Examens­fächern der pharmazeutischen Hochschulausbildung. Die Vertretung des Faches durch eine dauerhafte Professur ist eine entscheidende Voraussetzung für eine hohe und langfristig gesicherte Qualität von Forschung und Lehre am Standort. Nur mit einer Professur im Stellenplan erhält das Fach Klinische Pharmazie angemessene personelle und finanzielle Ressourcen, mit denen es sich zu einer gleich­wertigen akademischen Disziplin entwickeln kann. Interimslösungen mit z. B. ausschließlich Lehrbeauftragten sind 14 Jahre nach Aufnahme des Faches in die Approbationsordnung für Apotheker und vor dem Hintergrund der zukünftigen Herausforderungen an den Berufsstand nicht mehr ak­zeptabel. Die Professur für Klinische Pharmazie sollte mit einem approbierten Apotheker besetzt werden.

2. Als Basis für eine akademische Lehre in der Klinischen Pharmazie findet am Standort patientenorientierte Forschung statt.

Kommentar: Um Qualifizierungs­möglichkeiten für den akademischen Nachwuchs zu schaffen und das Fach wissenschaftlich auf internationalem Niveau weiterzuentwickeln, soll die Möglichkeit bestehen, wissenschaft­liche Arbeiten (z. B. Masterarbeiten, Dissertationen, Habilitationen) im Fach Klinische Pharmazie anzufertigen. Dazu soll am Standort eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe angesiedelt sein, die patientenorientierte Forschungsprojekte durchführt und gut mit der pharmazeutischen Praxis sowie me­dizinischen Arbeitsgruppen vernetzt ist. Die Einbindung der Arbeitsgruppe und damit auch der Assistenten in die aktuelle Forschung gewährleistet, dass neueste wissenschaftliche Methoden und Ergebnisse in die Lehre ein­fließen.

3. In den Lehrveranstaltungen der Klinischen Pharmazie werden wissenschaftliche Grundlagen und methodische Voraussetzungen der Therapiebewertung, Therapie­individualisierung und Pharmazeutischen Betreuung vermittelt.

Kommentar: Wie in den anderen pharmazeutischen Disziplinen sollte auch in der Klinischen Pharmazie der Schwerpunkt darauf gelegt werden, dass die Studierenden Verständnis für wissenschaftliche Zusammenhänge entwickeln und Kompetenzen aufbauen, die die Voraussetzung für eine eigenverantwortliche Berufstätigkeit als Apotheker darstellen. Durch dieses Fundament sind sie befähigt, zukünftig aktuelle Entwicklungen ebenfalls aufgreifen zu können. Wegen der besonderen Bedeutung für den Apothekerberuf sollten wichtige Zukunftsthemen wie personalisierte Arzneimitteltherapie, Medikationsanalyse und ­Medikationsmanagement und andere Maßnahmen zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) eine zentrale Rolle in der Ausbildung spielen.

4. Die Klinische Pharmazie ist im Hauptstudium mit einer Vorlesung vertreten, die auf den 2. Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung vorbereitet.

Kommentar: Analog aller anderen pharmazeutischen Disziplinen sollten in einer semesterübergreifenden Vor­lesung alle wesentlichen Inhalte des Faches im Zusammenhang und in ausreichender Tiefe dargestellt werden. Die Studierenden werden damit systematisch auf den 2. Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung vorbereitet. In die Vorlesung können beispielsweise Stunden der Krankheitslehre, Klinischen Chemie, Pharmakotherapie, Pharmakoepidemiologie und Pharmakoökonomie eingehen.

5. Das Seminar „Klinische Phar­mazie“ wird zum überwiegenden Teil in kleineren Gruppen durchgeführt, um interaktives Lernen zu ermöglichen.

Kommentar: Ein wesentliches Merkmal der Ausbildung im Fach Klinische Pharmazie ist das problemorientierte, fallbezogene Lernen. Dieses ist nur in kleineren Gruppen oder Kleinstgruppen umsetzbar. Das Seminar dient der Vertiefung des Vorlesungsstoffs. Eine Durchführung des Seminars „Klinische Pharmazie“ im Vorlesungsstil ist daher nicht akzeptabel, da auf diese Weise die Lernziele nicht erreicht ­werden können.

6. Bei den im Rahmen des Seminars „Klinische Pharmazie“ zu bearbeitenden Beispielen spielen fallbasierte Übungen eine zentrale Rolle.

Kommentar: Übungen im Fach „Klinische Pharmazie“ sollten vor allem auf tatsächlichen Fallbeispielen basieren, da sich nur auf diese Weise die Fähigkeiten zum patientenorientierten Arbeiten entwickeln können. Dafür sollte an den verschiedenen Standorten ein Fundus von Patientenfällen aus verschiedenen Bereichen angelegt werden. Hierdurch kann das Ziel erreicht werden, diese auszutauschen und damit standortübergreifende Standards zu schaffen.

7. Während der Lehrveranstaltungen der Klinischen Pharmazie ­besteht ein direkter Kontakt mit Patienten.

Kommentar: Der direkte Kontakt zu Patienten sollte, wo immer möglich, Bestandteil der Lehrveranstaltungen im Fach Klinische Pharmazie sein. Dieser kann z. B. durch die Einladung von Patienten in die Lehrveranstaltungen, aber auch durch Aufenthalte von Studierenden in Apotheken, Einrichtungen der stationären Langzeitpflege oder auf Krankenhausstationen her­gestellt werden.

8. In die Ausbildung im Fach Klinische Pharmazie sind sogenannte „Teacher/Practitioner“ fest ein­gebunden.

Kommentar: Die Verbindung zwischen akademischer Lehre und klinisch-pharmazeutischer Praxis gelingt am besten durch sogenannte „Teacher/Practitioner“, die als institutionalisiertes Lehrpersonal in der klinisch-pharmazeutischen Praxis arbeiten und ­zugleich in der universitären Lehre ­tätig sind (Empfehlung: mit jeweils 50%igem Stellenanteil). In anderen Ländern, wie z. B. Großbritannien, sind „Teacher/Practitioner“ fest in die universitäre Ausbildung integriert, indem sie den Studierenden Patientenfälle aus ihrer praktischen Tätigkeit vorstellen bzw. die Studierenden im Krankenhaus oder in der Apotheke bei klinisch-pharmazeutischen Übungen mit Patientenkontakt betreuen. Gemeinsam mit der Professorin oder dem Professor für Klinische Pharmazie stellen sie somit sicher, dass die Lehre neben einem soliden wissenschaftlichen Fundament auch einen ausreichenden klinischen Praxisbezug aufweist.

9. An der Ausbildung im Fach Klinische Pharmazie werden Apotheker und Ärzte aus der Praxis als Lehrende beteiligt.

Kommentar: Um den erweiterten ­Praxisbezug der zu vermittelnden Lehrinhalte herzustellen, sollten auch Krankenhaus- und Offizinapotheker mit besonderen Erfahrungen in der Klinischen Pharmazie an den Lehr­veranstaltungen mitwirken. Wichtig ist auch, Ärzte in die Lehrveranstaltungen einzubinden, damit den Studierenden frühzeitig die Sichtweise und Entscheidungsfindung des Arztes hinsichtlich der Arzneimitteltherapie deutlich wird und die interprofessionelle Zusammenarbeit frühzeitig gefördert wird. In diesem Sinne sind auch gemeinsame Lehrveranstaltungen für Studierende der Medizin und Pharmazie wünschenswert.

10. Im Rahmen der Lehrveranstaltungen zur Klinischen Pharmazie werden schriftliche Ausarbeitungen angefertigt.

Kommentar: In der pharmazeutischen Praxis nehmen Apothekerinnen und Apotheker auch schriftlich zur Arzneimitteltherapie im Allgemeinen oder bezogen auf einen individuellen Patienten Stellung. Neben den oben genannten interaktiven Übungen sollten daher in den Lehrveranstaltungen der Klinischen Pharmazie auch schriftliche Ausarbeitungen angefertigt werden. Denkbar sind die Berichterstattung über einen Patientenfall, der Ergebnisbericht einer Medikationsana­lyse oder die Beantwortung einer Anfrage zu einer klinisch-pharmazeutischen Fragestellung mit umfassender Literaturrecherche.

11. Im Rahmen der Lehrveranstaltungen zur Klinischen Pharmazie werden auch Grundlagen der Kommunikation mit Patienten und anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen thematisiert.

Kommentar: In der pharmazeutischen Praxis ist es von großer Bedeutung, wissenschaftliche Inhalte in praxis­gerechte Informationen zu übersetzen. Empfänger dieser Informationen sind Patienten und andere am Medikationsprozess Beteiligte, insbesondere Ärzte. Obwohl das Thema Kommunikation vor allem Inhalt des 3. Ausbildungs­abschnitts ist, sollten die Studierenden bereits im Hauptstudium für deren Bedeutung sensibilisiert werden. Kooperationen mit den Fachbereichen Kommunikationswissenschaften oder Psychologie können dabei hilfreich sein.

12. In der Prüfung „Klinische Pharmazie“ im 2. Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung stehen fallbasierte Fragen im Vordergrund.

Kommentar: Da die Lehre im Fach ­Klinische Pharmazie fallbezogen gestaltet werden sollte, ist es konsequent, die erworbenen Kenntnisse der Studierenden auch basierend auf Patienten­fällen zu prüfen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Studierenden an der Universität neben wissenschaftlich fundierten Kenntnissen im Fach Klinische Pharmazie auch Basiskompetenzen zur eigenverantwortlichen Durchführung patientenorientierter Dienstleistungen erworben haben. |

In der Arbeitsgruppe zur Erarbeitung dieser Standards haben mitgewirkt:

Prof. Dr. Frank Dörje, Erlangen; Prof. Dr. Kristina Friedland, Erlangen; Prof. Dr. Ulrich Jaehde, Bonn; Prof. Dr. Charlotte Kloft, Berlin; Dr. Hanna Seidling, Heidelberg; Isabel Waltering, PharmD, Münster, sowie Teilnehmer eines Workshops der Fachgruppe Klinische Pharmazie der DPhG am 14.11.2015 in Leipzig.

Literatur

[1] ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Apotheke 2030: Perspektiven zur pharmazeutischen Versorgung in Deutschland, 2014. www.abda.de/fileadmin/assets/Apotheke_2030/perspektivpapier_150112_ansicht.pdf

[2] Fachgruppe Klinische Pharmazie der ­Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG). Lehre im Fach Klinische Pharmazie: Standards zur Gestaltung der Pflichtveranstaltungen und Prüfungen. Dtsch Apoth Ztg 2004;144:1743-1746


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