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Arzneimittel und Therapie
Nicht lieferbar, aber austauschbar?
Lieferengpässe bei Johanniskraut-Präparat Laif® lassen Fragen nach Alternativen aufkommen
Offensichtlich keine Petitesse
Immerhin war es der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 5. März 2016 eine Meldung wert, dass Laif® 900 – laut Arzneiverordnungsreport 2015 der unangefochtene Marktführer unter den Johanniskraut-Extraktpräparaten, von dem 2014 mehr als 30 Millionen definierte Tagesdosen (DDD) verordnet wurden – nicht oder nur eingeschränkt lieferbar ist.
Es ist eine fatale Situation. Denn schließlich hatte die Firma Bayer das Präparat im Zuge der Übernahme der Firma Steigerwald in ihr OTC-Portfolio (und teilweise in ihr Rx-Portfolio) übernommen. Skeptiker dieser überraschenden Übernahme mögen argwöhnen, dass das so kommen musste. Denn mit diesem Sortiment betrat der globale Pharmagigant zweifelsohne Neuland. Und fast wie eine Bestätigung dieser wenig begründeten Skepsis könnte man ein Zitat aus der FAZ-Meldung auffassen, dass so etwas für dieses Präparat zuvor noch nie vorgekommen sei.
Als Grund für die Nichtverfügbarkeit wurden Lieferschwierigkeiten für den Rohstoff, die Arzneidroge Johanniskraut in akzeptabler Qualität, angegeben (DAZ.online, 7.3.2016). Das wiederum scheint Bayer damit zu begründen, dass die Droge „aus verschiedenen Ländern“ bezogen wird, so nachzulesen bei der FAZ. Der DAZ gegenüber erklärt Bayer, dass es sich bei Laif® 900 um ein pflanzliches Produkt handle, bei dem die Qualität des Arzneimittels maßgeblich von dem natürlichen Rohstoff Johanniskraut abhängig sei, aus dem das Arzneimittel gewonnen wird. Die Beschaffenheit eines solchen Rohstoffs könne schwanken. Man habe aber den Anspruch, den Verwendern ein Arzneimittel zur Verfügung zu stellen, das allen Ansprüchen in puncto Wirksamkeit, Verträglichkeit und Qualität entspricht, so Bayer (s. auch Kasten).
„Ernte konnte Qualitätsstandards nicht erfüllen!“
Warum gibt es kurz nach der Übernahme der Firma Steigerwald durch Bayer Probleme mit der Lieferfähigkeit von Laif®? Bayer begründet dies mit Rohstoff-Qualitätsproblemen. Aber besteht auch ein Zusammenhang mit neuen Grenzwerten für Pyrrolizidinalkaloide?
Laut Auskunft der Firma Bayer stammt der Rohstoff für Laif® aus Wildsammlungen und kontrolliertem Anbau nach Good Agricultural And Collection Practice (GACP). Er müsse umfangreichen Qualitätsanforderungen genügen, da die Qualität des Fertigarzneimittels maßgeblich von dem natürlichen Rohstoff Johanniskraut abhängig ist, aus dem es gewonnen wird. Die Beschaffenheit eines solchen Rohstoffs könne aufgrund von witterungsbedingten, jahreszeitlichen und herkunftsbedingten Schwankungen unterschiedlich ausfallen. Das mache strenge Kontrollen vor und nach der Verarbeitung zum Extrakt erforderlich, um eine gleichbleibende Qualität zu garantieren, so Bayer. Man habe den Anspruch, den Verwendern ein Arzneimittel zur Verfügung zu stellen, das allen Ansprüchen in puncto Wirksamkeit, Verträglichkeit und Qualität entspricht. Teile der letzten Ernte hätten die hohen Qualitätsstandards nicht in allen Punkten erfüllt. Deshalb komme es vorübergehend zu Lieferengpässen, so ein Sprecher der Firma. Seitdem arbeite man mit Hochdruck daran, bald wieder in vollem Umfang lieferfähig zu sein.
Angesprochen auf die neuen Vorgaben des BfArM vom 1. März 2016 bezüglich Einhaltung des Grenzwerts für Pyrrolizidinalkaloide (PA) wurde betont, dass diese selbstverständlich auch für Bayer gelten. Die Pyrrolizidinalkaloid-Belastung in pflanzlichen Rohstoffen und Honig sei durch eine erhebliche Steigerung der Empfindlichkeit der analytischen Messmethodik zurück ins Bewusstsein der Erzeuger und Behörden gekommen. Eine prinzipiell gestiegene Belastung sehe man aber nicht. Vielmehr wird darauf verwiesen, dass bei pflanzlichen Rohstoffen, die selbst keine PA enthalten, eine Verunreinigung durch Beikräuter in der Größenordnung von 2 bis 3 Pflanzen pro Hektar ausreichen, um nachweisbare Mengen wiederzufinden. Verbände und Hersteller pflanzlicher Arzneimittel hätten sich bereits in den letzten Jahren mit der Etablierung geeigneter Prüfverfahren bei pflanzlichen Rohstoffen und Extrakten beschäftigt und einen „Code of Practice“ erarbeitet. Auch Bayer habe sich als Hersteller pflanzlicher Arzneimittel hierbei frühzeitig eingebracht und werde die mit der Bekanntmachung des BfArM vom 1. März 2016 festgelegten Maßnahmen entsprechend umsetzen.
Dass der Pyrrolizidinalkaloid-Gehalt für die Qualitätsprobleme verantwortlich sei, wollte Bayer nicht bestätigen. Betont wurde, dass die Qualitätsanforderungen aufgrund möglicher Schwankungen der Inhaltsstoffe nicht erfüllt werden konnten.
Wie kann man ausweichen?
Für die Praxis stellt sich die Frage, auf welche Johanniskraut-Präparate jetzt zurückgegriffen werden kann. Nicht zuletzt haben neben anderen auch wir immer argumentiert, dass man pflanzliche Extrakt-Präparate kaum kopieren kann. Phytogenerika gibt es derzeit zumindest nicht. Denn neben der Drogenqualität, die im Fall der Nichtlieferbarkeit von Laif® 900 so deutlich in den Mittelpunkt gerückt ist, bestimmen die vielen Spezifikationsdetails des Herstellungsprozesses, darunter vor allem auch das verwendete spezielle Extraktionsmittel, die Einzigartigkeit eines Phytopharmakons.
Deshalb sollte man ohne Grund nicht das Präparat wechseln, wie dies auch in der Leitlinie „Gute Substitutionspraxis“ der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) empfohlen wird. Im aktuellen Fall stellt sich die Situation allerdings anders dar, denn ein bestimmtes Produkt ist nun einmal nicht verfügbar.
Wer sichergehen will, sollte folgende Empfehlungen beachten:
- 1. Es sollte in jedem Fall ein Extrakt-Präparat verwendet werden.
- 2. Dieses sollte möglichst mit dem gleichen Extraktionsmittel hergestellt worden sein wie das nicht lieferbare Laif® 900.
- 3. Man sollte darauf achten, dass das gleiche oder ein sehr ähnliches Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) deklariert ist.
- 4. Und schließlich sollte die Tagesdosis so gewählt werden, dass sie bei vergleichbaren Spezifikationen der von Laif® 900 entspricht.
Man kann jedoch und muss eventuell wie in diesem Fall auch einmal weniger ähnliche Produkte empfehlen; denn kein anderes Präparat enthält einen Trockenextrakt, der mit 80% Ethanol hergestellt wurde. Allerdings sollte man sich vergewissert haben, dass der eingesetzte Extrakt klinisch getestet wurde (s. Tabelle).
Präparat |
DEV |
Extraktionsmittel |
Dosierung |
---|---|---|---|
Felis 425 Hartkapseln
Felis 650 Filmtabletten
|
3,5 – 6:1 |
Ethanol 60% (m/m) |
2 × 425 mg oder 2 × ½ 650 mg |
Hyperforat |
3,5 – 6:1 |
Ethanol 60% (V/V) |
2 – 3 × 250 mg |
Hypericum Stada 425 mg |
3,5 – 6:1 |
Ethanol 60% (m/m) |
2 × 425 mg |
Jarsin® 300 mg überzogene Tabletten, Jarsin® 450 mg überzogene Tabletten, Jarsin® 450 mg Filmtabletten, Jarsin® 750 mg Filmtabletten, Jarsin® Rx 300 mg überzogene Tabletten |
3 – 6:1 |
Methanol 80% (V/V) |
3 × 300 mg oder 2 × 450 mg oder 2 × ½ 750 mg |
Johanniskraut 650 1A Pharma Filmtabletten |
3,5 – 6:1 |
Ethanol 60% (m/m) |
2 × ½ 650 mg |
Johanniskraut AL Hartkapseln |
3,5 – 6:1 |
Ethanol 60% (m/m) |
2 × 425 mg |
Johanniskraut Dragees H 300 mg |
— |
— |
3 × 300 mg |
Johanniskraut dura 425 mg Hartkapseln |
3,5 – 6:1 |
Ethanol 60% (m/m) |
2 × 425 mg |
Jo Sabona forte 425 Hartkapseln* |
3,5 – 6,0:1 |
Ethanol 60% (m/m) |
2 × 425 mg |
Kira 300 mg überzogene Tabletten |
3 – 6:1 |
Methanol 80% (V/V) |
2 × 425 mg |
Laif® 612 |
5 – 8:1 |
Ethanol 50% (V/V) |
1 × 612 mg |
Laif® 900 Filmtabletten
Laif® 900 Balance Filmtabletten
|
3 – 6:1 |
Ethanol 80% (V/V) |
1 × 900 mg |
Lemur Kapseln 425 mg* |
3,5 – 6:1 |
Ethanol 60% (m/m) |
2 × 425 mg |
Neuroplant® Filmtabletten,
Neuroplant® 300 mg Novo Filmtabletten
Neuroplant® Aktiv Filmtabletten
|
3 – 7:1 |
Methanol 80% (V/V) |
1 × 600 mg oder 3 × 300 mg |
Hüten sollte man sich davor, wahllos ins Johanniskraut-Arzneimittelsegment zu greifen. Die Qualitäten der Präparate unterscheiden sich teils hochrelevant, und diese Unterschiede sind für Laien, aber auch für den ein oder anderen Fachmann, oft schwer oder gar nicht zu erkennen. |
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