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Interpharm 2016 – POP-Symposium
Phytopharmaka, neues Antibiotikum und Datenbank-Unterstützung
POP-Symposium zu den Harnwegsinfektionen
Nicht geeignet für die Selbstmedikation sind Harnwegsinfektionen (HWI), die mit Fieber, Schmerzen in der Nierengegend und/oder Blut im Urin einhergehen. Außerdem Erkrankungen, bei denen die Beschwerden zu- statt abnehmen oder bei denen die Symptome länger als fünf Tage andauern. Auch Schwangeren, Diabetikern, Patienten mit Niereninsuffizienz oder unter Immunsuppressiva-Therapie müsse zum Arztbesuch geraten werden, betonten die Referentinnen Apothekerin Dr. Kirsten Dahse und Dr. med. Johanna Lerner.
Wünschen Betroffene mit leichteren Symptomen ein pflanzliches Präparat, kann neben den klassischen Blasen- und Nierentees mit Bärentrauben- oder Birkenblättern, Echtem Goldrutenkraut, Orthosiphonblättern, Hauhechelwurzel oder Ackerschachtelhalmkraut auch auf einige Mono- bzw. Kombinationspräparate auf Basis von Bärentraubenblättern, Meerrettichwurzel plus Kapuzinerkressekraut oder auch Tausendgüldenkraut, Rosmarinblätter und Liebstöckelwurzel zurückgegriffen werden.
Auch verschiedene Cranberry-Zubereitungen werden seit einigen Jahren sowohl zur Prophylaxe als auch zur Behandlung von rezidivierenden Infektionen der Harnwege empfohlen. Allerdings konnte in einem Cochrane-Review bezüglich der Prophylaxe keine statistisch signifikante Überlegenheit gegenüber Placebo gezeigt werden.
Resistenzlage bestimmt Antibiotika-Auswahl
Etwa 80% der unkomplizierten Harnwegsinfektionen bei Frauen werden von Escherichia coli verursacht. Der Erreger heftet sich mithilfe von fadenförmigen Proteinen, sogenannten Fimbrien, an die Schleimhautepithelien an. Außerdem spielen Staphylococcus saprophyticus, Klebsiella pneumoniae und Proteus mirabilis als HWI-Erreger eine Rolle. Für die Auswahl der empfehlenswerten Antibiotika ist die Resistenzlage entscheidend. Dabei gilt die 80/20-Regel die besagt, dass Antibiotika mit einer Resistenzrate von 20% ungeeignet sind. Nach aktuellen Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin liegen die Escherichia-coli-Resistenzen gegen die beiden von ärztlichen Leitlinien als Mittel der ersten Wahl empfohlenen Substanzen Fosfomycin und Nitrofurantoin derzeit sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich unter 5%. Für Männer mit HWI eignen sich diese beiden Wirkstoffe jedoch nicht, da keine ausreichenden Gewebekonzentrationen erzielbar sind.
Neues Antibiotikum kürzlich zugelassen
Apotheker Dr. Markus Zieglmeier hält die Antibiotikatherapie von HWI für eine Gratwanderung zwischen Resistenzrisiko bei den häufig eingesetzten Verbindungen und Arzneimittelrisiken. So „verleite“ beispielsweise die einfache Einnahmemodalität und die gute Verträglichkeit von Fosfomycin zur häufigen Verordnung, die Resistenzlage dieser Substanz, die in der Klinik gegen MRSA-Infektion eingesetzt wird, könnte zunehmen. Neue Diskussionen werden sich ergeben durch die kürzlich erfolgte Zulassung von Pivmecillinam (X-Systo®), das bisher nur in Österreich und Skandinavien verfügbar war. Hierbei handelt es sich um ein Betalactam-Antibiotikum mit der verbindlichen Aussage in der Fachinformation, dass eine Allergie gegen Penicilline oder Cephalosporine eine Kontraindikation darstellt. Diskutiert wird auch, ob es bei Patienten unter Valproinsäure-Behandlung zu Störungen des Fettstoffwechsels infolge eines Carnithin-Mangels kommen kann. Dieser könnte durch eine additive Freisetzung von Pivalinsäure, die im Pivmecillinam verestert ist, verursacht werden; die klinische Relevanz ist jedoch unklar.
Bei Warnsignalen sofort reagieren!
Massive Probleme sieht Zieglmeier dagegen beim Einsatz von Nitrofurantoin. Hier könne jedoch die Apotheke wesentlich zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit beitragen.
So werden unter Nitrofurantoin beispielsweise schwere allergische Hautreaktionen wie das Stevens-Johnson-Syndrom und die toxische epidemale Nekrolyse beobachtet. Bei älteren Patienten und solchen unter Immunsuppression ist dieses Risiko besonders hoch. Sobald ein Patient über Kribbeln auf der Haut berichtet oder eine Blasenbildung beobachtet, muss Nitrofurantoin sofort abgesetzt werden.
Außerdem können unter Nitrofurantoin Lungenreaktionen wie die interstitielle Pneumonie bis hin zu tödlich verlaufenden Lungenfibrosen auftreten. Daher muss die Therapie beim Auftreten von Atemnot, Husten und Fieber sofort abgebrochen werden. Außer zur Therapie der akuten unkomplizierten Zystitis der Frau (über maximal sieben Tage) ist Nitrofurantoin auch über maximal sechs Monate zur Reinfektionsprophylaxe chronisch rezidivierender aszendierender Harnwegsinfektionen zugelassen, weshalb diese Risiken besondere Beachtung verdienen. Denn bei wiederholter Gabe werden sie immer wahrscheinlicher, betonte Zieglmeier.
Eine Kontraindikation für Nitrofurantoin ist ein Glucose-6-Phosphatdehydrogenasemangel, da hämolytische Reaktionen auftreten können. In Malaria-Gebieten ist diese Enzymdefizienz ein Selektionsvorteil, weshalb überdurchschnittlich viele Menschen davon betroffen sind. Ärzte müssen dies berücksichtigen, wenn sie Flüchtlinge aus Malariagebieten antibiotisch behandeln.
Datenbank erleichtert das Medikationsmanagement
Apotheker und Diplomkaufmann Wolfgang U. Scholz, Vorstand der ePrax AG, stellte in seinem Vortrag die Vorteile der Scholz-Datenbank dar. Hervorgegangen aus der 1881 erstmals in Buchform veröffentlichen Scholz-Liste und seit 2006 zertifiziert durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) für die elektronische Verordnung im Arztcomputer enthält sie Informationen zu über 50.000 rezeptpflichtigen und OTC-Arzneimitteln. Sie basiert vor allem auf den Fachinformationen sowie auf Fachtagungen, Büchern, Fachzeitschriften den US-Prescriber-Informationen sowie speziellen Publikationen wie z. B. der PRISCUS-Liste.
Zentrales Thema war und ist das Vermeiden von Wechselwirkungen, und zwar nicht nur für Arzneimittel untereinander, sondern auch mit Nahrungs- und Genußmitteln. Zur Visualisierung arbeitet die Datenbank mit einem Ampelsystem. Dieses erscheint nicht nur anwenderfreundlich, sondern ist auch dynamisch, das heißt: der angezeigte Schweregrad verändert sich abhängig von Dosis und Anzahl involvierter Wirkstoffe. Für den Patienten können mit dem Apothekenlogo versehene Hinweise, z. B. zur Einnahme, ausgedruckt werden. Auch ein Medikationsplan mit laienverständlichen Informationen lässt sich mit der Scholz-Datenbank erstellen. „Dafür sind nur wenige Schritte für die Dateneingabe notwendig, und in nicht mehr als fünf bis zehn Minuten kann der Plan ausgedruckt werden“, betonte Scholz.
Wünscht der Apotheker zu einem Problem weiterführende Informationen, kann er sich diese mithilfe der MEDLINE-Schnittstelle direkt aus der Medikationsliste heraus beschaffen. Relevant für die Beratung ist auch die Möglichkeit der Nebenwirkungsanalyse. Gibt ein Patient beispielsweise an, dass er seit einiger Zeit unter Haarausfall leidet, zeigt die Datenbank an, welche der für ihn verordneten Arzneimittel dafür verantwortlich sein könnten.
Multiple Interaktionen gleichzeitig checken
Nach Ansicht von Scholz ist eine Interaktionsanalyse, die auf dem traditionellen „Pärchenmodell“ aufgebaut ist, obsolet. Zu den Neuerungen der Scholz-Datenbank zählt das Modul Multi Drug Drug interactions (MDDI). Wird ein Arzneimittel einer Medikationsliste gleichzeitig durch mehrere andere Wirkstoffe beeinflusst, lassen sich mithilfe des Moduls diese Interaktionen sowohl qualitativ als auch quantitativ darstellen. Es besteht auch die Möglichkeit, ein übersichtliches Protokoll auszudrucken und mithilfe des MDDI-Kalkulators eine gegebenenfalls notwendige Dosisanpassung zu berechnen. |
Immer schön neugierig bleiben!
In der kommenden Woche können Sie weitere Berichte von der Interpharm lesen:
- Festvortrag Statistik
- Wirtschafts-Interpharm
- Parkinson
- Neue Antikoagulanzien
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- Komplementärpharmazie-Symposium
- Pädiatrie-Symposium des consilium Offizin
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Interpharm 2017
Zum Vormerken für Ihren Kalender:
Im nächsten Jahr findet die Interpharm vom 31. März bis zum 1. April in Bonn statt. Wir laden Sie ganz herzlich ein!
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