Interpharm 2016 – Pädiatrie-Symposium

Gute Beratung bei Neurodermitis

Damit sich die Kinder und ihre Eltern wohl in ihrer Haut fühlen

cb | Die Neurodermitis ist die häufigste chronische Erkrankung im Säuglingsalter. Sie beruht auf einer Barrierestörung der Haut und besitzt eine gute Prognose. Im zweiten Teil des Pädiatrie-Symposiums ­wurde die Behandlung und pharmazeutische Betreuung von Neurodermitis-Patienten aus Sicht eines ­Kinderarztes, eines Apothekers und einer Kommunikationsexpertin beleuchtet.
Foto: DAZ/A. Schelbert

Dr. med. Lars Lange

Nach Aussage von Dr. med. Lars Lange, der in Bonn als Kinder-Pneumologe und Allergologe tätig ist, gehört die Neurodermitis zu den Erkrankungen, „die auch Eltern krank machen können“ und zu der noch immer viele „Mythen“ existieren. Die gute Nachricht für kleine Patienten und Angehörige: Erhebungen zufolge haben zwei Drittel der Kinder im dritten Lebensjahr keine Ekzeme mehr.

Nicht jedes Ekzem ist eine Neurodermitis

Die diagnostischen Kriterien für die Neurodermitis sind relativ leicht „abzufragen“: ein chronischer oder chronisch-rezidivierender Verlauf, eine Eigen- oder Familienanamnese für eine Atopie, die typische Morphologie und Verteilung der Ekzeme und der Juckreiz als unverzichtbares Merkmal sind die Hauptkriterien, von denen drei für eine sichere Diagnose vorhanden sein müssen. Zu den Nebenkriterien zählen unter anderem Hauttrockenheit, Schuppungen, Lippen- und Mamillen­ekzeme, eine Neigung zu Hautinfektionen, Intoleranz gegenüber Wolle, Seifen oder Nahrungsmitteln. Bezüglich der Verteilung der Ekzeme herrscht häufig Unklarheit: das typische Beugeekzem gilt nur für das Jugend- und Erwachsenenalter, während bei Säuglingen und Kindern überwiegend das Gesicht und die Streckseiten der Gliedmaßen sowie auch Bauch und Rücken befallen sind. Nahrungsmittelallergien können bei Kindern mit Neurodermitis im Kleinkindalter vorkommen, sie sind jedoch keineswegs bei allen Patienten vorhanden. Daher sind Diäten häufig nicht sinnvoll. Auch Zucker wirkt nicht grundsätzlich verstärkend für die Erkrankung – vielmehr ist Zucker in größeren Mengen für jedes Kind schädlich, betonte Lange.

Keine Antihistaminika gegen Juckreiz

Der Juckreiz als quälendstes Symptom der Erkrankung ist ein komplexes Geschehen, und Histamin ist nur einer von vielen Faktoren, die dabei eine Rolle spielen. Zwar können einige Patienten von modernen Antihistaminika profitieren. Wirkstoffe der ersten Generation wirken aufgrund der sedierenden Eigenschaften, führen aber zu einer Leistungsminderung und sollten nicht empfohlen werden – auch nicht in Form eines kühlenden Gels. Bessere Alternativen sind Umschläge (z. B. mit Schwarztee), feuchte Verbände, Kühlen (z. B. mit coolpacks), angepasste Kleidung (Handschuhe zum Schutz vor selbst zugefügten Kratzläsionen) und Schutz vor Überhitzen. Im Übrigen schützen die häufig verpönten Weichspüler mehr als sie schaden, da sie Irritationen reduzieren, erläuterte Lange. Zur Kurzzeitbehandlung von Ekzemen kommen moderne topische Steroide wie Hydrocortisonbutyrat, Methylprednisolon, Prednicarbat oder Hydrocortisonbuteprat zum Einsatz. Sie sollen einmal täglich über maximal sieben bis zehn Tage angewendet werden. Cortison-Zubereitungen sind wegen der verbreiteten „Cortison-Angst“ der Eltern (Untersuchungen zufolge bei über 70%) stark erklärungsbedürftig. Bei schweren und dauerhaften Ekzemen ist die sogenannte proaktive Therapie mit regelmäßiger Cortison-Intervallbehandlung empfehlenswert. Eine solche Schubprophylaxe kann die Ekzeme wirksam unterdrücken. Einen festen Platz in der Behandlung (ab dem zweiten Geburtstag) haben mittlerweile die topischen Calcineurin-Inhibitoren Tacrolimus und Pimecrolimus. Sie sind erste Wahl bei Ekzemen im Gesicht und in anderen sensiblen Bereichen. Bisher haben sich keine Hinweise auf ein kanzerogenes Potenzial ergeben, auch verursachen sie keine Hautatrophie. Die häufigste unerwünschte Wirkung ist ein Brennen nach dem Auftragen, darauf sollten die Patienten bzw. Angehörigen im Beratungsgespräch hingewiesen werden.

Basispflege ist unverzichtbar

Ganz gleich, welche Wirkstoffe zum Einsatz kommen – wichtig ist in allen Stadien der Erkrankung die konsequente und regelmäßige Kombination mit einer wirkstofffreien, hydratisierenden und rückfettenden Basispflege. Sie sollte mindestens zweimal täglich aufgetragen werden und bildet die unterste Ebene im Stufenplan der Neurodermitis-Behandlung, wie er sich beispielsweise in der vor wenigen Wochen veröffentlichten aktualisierten S2k-Leitlinie „Neurodermitis“ findet. Wegen ihrer Bedeutung für die Erkrankung wird sie häufig auch als Basistherapie bezeichnet. Apotheker Dr. Dirk Simonis, Apothekeninhaber aus Aachen, ging auf häufige Fragen von Kunden zu diesem Thema ein. So kann beispielsweise die Menge der aufzutragenden Basiscreme anhand von „Fingerspitzen-Einheiten“ ermittelt werden. Generell sollten alle Produkte nicht zu dick aufgetragen werden, denn eine Okklusion kann sich negativ auf den Hautzustand aus­wirken.

Foto: DAZ/A. Schelbert

Dr. Dirk Simonis

Die Pflegeprodukte werden in Abhängigkeit vom Hautzustand und der Jahreszeit ausgewählt. Dabei gilt die Faustregel: je trockener die Haut, desto höher der Fettgehalt der Pflege und je akuter die Entzündung, umso höher sollte ihr Wasseranteil sein. Nicht nur das Eincremen, sondern auch die (schonende) Reinigung ist wichtig, um Irritanzien, Allergene und Cremereste zu entfernen. Spreitende Ölbäder sind dafür ideal. Wichtige Hinweise für das Beratungsgespräch zu Ölbädern sind:

  • keine Kombination mit anderen Badezusätzen oder Seifen,
  • um Unfälle durch Abrutschen zu vermeiden, das Kind nach dem Baden am besten mit einem Handtuch aus dem Bad heben,
  • zur Reinigung der Badewanne vor dem Ablassen des Wassers Spül­mittel zugeben.

Repair ist nicht gleich Repair

Für Eltern, die emulgatorfreie Zubereitungen wünschen, können die sogenannten DMS-Cremes (Derma-Membran-System) empfohlen werden, die allerdings ihren Preis haben. Um bei Neurodermitikern den transepidermalen Wasserverlust zu verringern sind Cremes mit Ceramiden, auch als Repair-Cremes bezeichnet, empfehlenswert. Die große Produktvielfalt kann leicht zu Verwirrung führen, betonte Simonis. So gebe es beispielsweise „Repair-Cremes“, die keine Ceramide enthalten – ein Blick in die Deklaration lohne sich daher. Zur Befeuchtung der Haut sind Glycerin und Urea die am häufigsten eingesetzten Inhaltsstoffe, wobei Glycerin vor allem für Kinder unter drei Jahren von Vorteil ist. Urea ist für offene und aufgekratzte Haut sowie für Kinder unter drei Jahren nicht geeignet. Hilfreich als Erinnerungsstütze, z. B. bezüglich Triggerfaktoren, gut wirksamen Basispflegeprodukten und anderen wichtigen Fakten kann ein Neurodermitis-Tagebuch sein.

Zielgruppenbezogen kommunizieren

Foto: DAZ/A. Schelbert

Dr. Bettina Ritter-Mamczek

Apotheker und PTA, die sich durch Fort- und Weiterbildung Fachwissen erworben haben, möchten dieses gern an ihre Kunden und Patienten weitergeben. Doch häufig wird das Gegenüber nicht erreicht, weil ihm „geballtes“ Wissen präsentiert wird, das er nicht ausreichend aufnehmen und verarbeiten kann, erläuterte Dr. Bettina Ritter-Mamczek, Kommunikationstrainerin aus Berlin. Daher sei es besser, ihn durch Fragen zu „aktivieren“. Ein generelles Rezept, wie die Zielgruppe am besten angesprochen werden kann, gebe es leider nicht. Bei jedem Kunden müsse man mit viel Empathie versuchen herauszufinden, wie er am besten zu erreichen sei. Da bei Neurodermitis häufig Kinder und Eltern gemeinsam am HV-Tisch stehen, ist ein „abwechselnder Blickkontakt“ über mindestens drei und maximal zehn Sekunden sinnvoll. Eine „Kindersprache“ sei jedoch nicht zu empfehlen. Die Fachsprache müsse in jedem Fall „geparkt“ werden. Auch für das Beratungsgespräch bei Neurodermitis gelte die (+) (-) (+)-Regel, das heißt: eine unangenehme Botschaft (-) sollte zwischen zwei positive Botschaften (+) verpackt werden. Beendet werden sollte das Gespräch mit einem positiven Ausblick bzw. einem Angebot, und die Wörtchen „bitte“ und „danke“ dürfe man im Beratungsgespräch auf keinen Fall vergessen. |


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