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Nahrungsergänzung

Mit Antioxidanzien gegen freie Radikale?

Fraglicher Stellenwert in der Prävention und Therapie von Tumoren

Viele Menschen befürchten, nicht ohne zusätzliche Vitamine, Mineralstoffe und Antioxi­danzien auszukommen, selbst wenn sie sich eigentlich ausgewogen ernähren. In der Laienpresse wird dabei häufig suggeriert, dass gerade Antioxidanzien in Form von Nahrungsergänzungsmitteln vor Krebs schützen können. Viele Krebspatienten hoffen, die unerwünschten Wirkungen der onkologischen Therapie durch Antioxidanzien lindern oder sogar ihre Prognose verbessern zu können. Ernährungsmediziner und Onkologen sehen diese sogenannten „Radikalfänger“ jedoch sehr kritisch und raten von der Einnahme der Vitamin- und Mineralstoffpräparate explizit ab, da sie unter Umständen nicht nur unwirksam sind, sondern auch schaden können. Aktuelle Daten deuten sogar darauf hin, dass Antioxidanzien die Metastasierung von Tumorzellen fördern können. | Von Martin Smollich

Radikalstoffwechsel und Antioxidanzien

Hintergrund.  Freie Radikale sind aggressive Sauerstoff- und Stickstoff-Verbindungen, die während normaler metabolischer Prozesse in jedem Körper entstehen. Chemisch sind sie durch ein ungepaartes Elektron und eine entsprechend hohe Reaktivität gekennzeichnet [1]. Je nach Lebensstil kann die exogene Zufuhr von Radikalquellen unterschiedlich ausgeprägt sein (Tab. 1). Zu den physiologisch wichtigsten Radikalen gehören das Superoxidanion-Radikal (O2˙-), das Hydroxyl-Radikal (OH˙), das Stickoxid-Radikal (NO˙) und die Lipid-Peroxyl-Radikale (LOO˙). Da diese Radikale auch physiologisch fortlaufend anfallen, aufgrund ihrer hohen Reaktivität jedoch zur Schädigung verschiedener Makromoleküle wie Proteinen, Kohlenhydraten, Lipiden und DNA führen können, existieren im menschlichen Körper Mechanismen zur Radikal-Inaktivierung [1].

Tab. 1: Endogene und exogene Quellen der Radikal­entstehung, modifiziert nach [43].
endogene Quellen
exogene Quellen
oxidative Energiegewinnung (Mitochondrien)
ultraviolettes Licht
Phagozytose
Tabakrauch
Xanthin-/NADPH-Oxidase, Cytochrom-P450-Reduktase
radioaktive Strahlung
Arachidonsäurekaskade
Ozon
Peroxisomen
Sport/körperliche Anstrengung
Entzündungsprozesse
lokale Hypoxie

Inaktivierung von Radikalen. Die enzymatische Radikal-Inaktivierung erfolgt über ein System von Metalloenzymen, die als integrale Bestandteile bestimmte Mineralstoffe enthalten (Se, Cu, Mn, Zn). Die nicht-enzymatische Radikal-Inaktivierung wird durch niedermolekulare Substanzen vermittelt; dies sind die sogenannten Antioxidanzien wie Glutathion, Ubichinon und Harnsäure sowie die Vitamine E, C und β-Carotin. Verschiedene dieser Antioxidanzien wirken synergistisch (Vitamin C und E, Vitamin E und β-Carotin), weshalb eine ausgewogene Kombination verschiedener Mineralstoffe und Antioxidanzien vermutlich effektiver ist als die hochdosierte Anwendung isolierter Einzelstoffe. Dies kann im Einzelfall sogar negative Effekte haben, wie beispielsweise die pro-oxidative (!) Lipid-Wirkung von Vitamin C bei gleichzeitigem Tocopherol-Mangel.

Oxidativer Stress. Unter physiologischen Bedingungen besteht ein Gleichgewicht zwischen dem Anfall reaktiver Radikale und den genannten Inaktivierungsprozessen; verschiebt sich dieses Gleichgewicht durch einen Überschuss an Radikalen oder die Insuffizienz der Radikal-Inaktivierung, kommt es zum oxidativen Stress mit zunehmender Schädigung makromolekularer Strukturen (Tab. 2). Langfristige Konsequenz eines nicht ausreichend kompensierten Überschusses an freien Radikalen kann – insbesondere bei resultierenden DNA-Schäden – ein krebsfördernder Effekt sein. Vor diesem pathogenetischen Hintergrund wurde daher die Hypothese gebildet, dass eine über die empfohlenen Zufuhrmengen hinaus gesteigerte Aufnahme an Antioxidanzien vor Krebs schützen bzw. bei onkologischen Patienten die Tumorprogression bremsen könnte. Während ein definitiver Nährstoffmangel jedoch sowohl das Krebsrisiko erhöhen als auch die Pro­gnose bei bestehender Krebserkrankung verschlechtern kann, ist die postulierte positive Wirkung entsprechender Supplemente bei ausreichendem Ernährungsstatus nicht belegt.

Tab. 2: Pathogenetische Relevanz freier Radikale und ihrer Sekundärprodukte an körpereigenen Strukturen, modifiziert nach [43].
körpereigene Struktur
Folge von Radikalschäden
DNA
Mutation
Proteine
Karzinogenese, Funktions­einbußen, Zellschädigung
Lipide
Membranschädigung, LDL-Oxidation, Atherosklerose
Kohlenhydrate
Rezeptorschädigung, reduzierte Viskosität der Synovialflüssigkeit

Antioxidanzien und Krebs. Die Plausibilität der „Antioxi­danzien gegen Krebs“-Hypothese manifestiert sich in einem unübersichtlichen Markt an Ratgeberliteratur und Nahrungsergänzungsmitteln. Anders als ein Blick in die Publikumsmedien suggerieren könnte, ist die wissenschaftliche Datenlage jedoch weniger eindeutig; vielmehr häufen sich in jüngster Zeit auch Berichte, die gerade bei Tumorpatienten vor den möglicherweise negativen gesundheitlichen Folgen insbesondere der therapiebegleitenden Antioxidanzien-­Supplementation warnen.

Krebsprävention

Tatsächlich existieren für einige Lebensmittelgruppen Hinweise darauf, dass sie das Risiko für das Auftreten bestimmter Tumorentitäten reduzieren könnten [2, 3] (Tab. 3). Der überwiegende Teil dieser Daten beruht jedoch auf epidemiologischen Beobachtungsstudien. Zudem ist zu beachten, dass es sich bei den Angaben um Lebensmittelgruppen, also reguläre Bestandteile der Dauerernährung handelt. Ob es einzelne, chemisch definierte Inhaltsstoffe sind, die diese Effekte vermitteln, oder ob diese Effekte nicht vielmehr auf die synergistische Wirkung der Gesamtbestandteile zurückgehen, ist nicht bekannt und sollte daher aus derartigen Studien auch nicht abgeleitet werden.

Tab. 3: Einfluss verschiedener Lebensmittel bzw. ernährungsabhängiger Körperfaktoren auf das Krebsrisiko, modifiziert und gekürzt nach [3]. (↓): wahrscheinlich verringertes Risiko; (↑): wahrscheinlich erhöhtes Risiko; (↑↑): überzeugend erhöhtes Risiko.
Mund/
Rachen/
Kehlkopf
Speiseröhre
Magen
Lunge
Leber
Kolorektum
Brust
nicht-stärkehaltige Gemüse
Lauch
Früchte
Carotinoide in Lebensmitteln
β-Carotin als Nahrungs­ergänzungsmittel
↑↑
Salz
rotes Fleisch
↑↑
verarbeitetes Fleisch
↑↑
Alkohol
↑↑
↑↑
↑↑
↑↑
hoher Körperfettanteil
↑↑
↑↑
↑↑

Ernährungsmedizinisch muss zudem deutlich zwischen der Vitamin-Wirkung bei bestehendem Vitamin-Mangel und der Vitamin-Wirkung bei ausreichendem Vitamin-Status unterschieden werden: Die meisten Untersuchungen zeigen nur dann positive Effekte, wenn zuvor eine Unterversorgung mit Vitaminen vorlag. Nach aktuellem Stand des Wissens sind die offiziell empfohlenen Zufuhrmengen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) [4] zur optimalen Krebsprävention ausreichend; eine darüber hinaus gehende Zufuhr einzelner Antioxidanzien trägt nicht mehr zur signifikanten Reduktion des individuellen Krebsrisikos bei. Im Gegenteil kann die hochdosierte Zufuhr einzelner, eigentlich antioxidativer Vitamine negative Effekte besitzen oder das Krebsrisiko sogar erhöhen. Von den Ausnahmen Iod, Folsäure, Fluorid (und fraglich Vitamin D) abgesehen ist Deutschland kein Vit­amin-Mangel-Land.

Wissenschaftlich fundierte und zugleich praktische Empfehlung zur bestmöglichen Krebsprävention einschließlich des Ernährungsverhaltens bietet die deutsche Zusammenfassung des World Cancer Research Funds unter www.wcrf.org; auch hier ist die Aussage bezüglich der Nahrungsergänzungsmittel eindeutig: „Nahrungsergänzungsmittel werden für die Krebsprävention nicht empfohlen“ [3]. Als Begründung wird angegeben, dass die vorliegenden Studienergebnisse nicht auf die Allgemeinbevölkerung übertragbar sind und keine sichere Einschätzung von Nutzen und Risiken der Nahrungsergänzungsmittel (einschließlich der Antioxidanzien) vorgenommen werden kann.

Supplemente oder Ernährung? Aus epidemiologischen Untersuchungen ist bekannt, dass nicht alle Menschen die offiziell empfohlenen Zufuhrmengen an (antioxidativen) Vit­aminen und Mineralstoffen erreichen. Der Grund dafür liegt in spezifischen Erkrankungen oder in einer unausgewogenen Ernährung. Die Verbesserung des alltäglichen Ernährungsverhaltens ist daher nach Ansicht sämtlicher ernährungswissenschaftlicher und ernährungsmedizinischer Fachgesellschaften der Schlüssel zur bestmöglichen Prävention nicht nur von Krebs, sondern auch von zahlreichen anderen ernährungsassoziierten Erkrankungen. Die Einhaltung dieser Ernährungsempfehlungen, die auf eine abwechslungsreiche, ausgewogene und ballaststoffreiche Dauerernährung abzielen, liefert zudem ein optimales Verhältnis der einzelnen Nährstoffe inklusive der Antioxidanzien untereinander. Ein durch die hochdosierte Supplementation eines einzelnen antioxidativen Vitamins gestörtes Gleichgewicht der Antioxidanzien zueinander kann die eigentlich positive Wirkung umkehren: So erhöht β-Carotin als Supplement das Risiko für Lungenkrebs (bei Rauchern), während es das Risiko für Lungenkrebs als Nahrungsbestandteil senkt [5].

Bereits 2007 konnte in einer großen Metaanalyse gezeigt werden, dass die präventive Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit Antioxidanzien (β-Carotin, Vitamin E) die Gesamtmortalität signifikant erhöht [6]. Auch das Expertengremium der US Preventive Services Task Force (USPSTF) sieht in einer aktuellen Stellungnahme keine Evidenz für die Wirksamkeit von Multivitaminpräparaten in der Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen oder Krebs. Von der präventiven Einnahme der antioxidativen Vitamine β-Carotin und Vitamin E wird sogar explizit abgeraten [7].

Ernährungspsychologisches Risiko. Daneben birgt die Propagierung krebspräventiver Effekte einzelner Vitamine ein weiteres Risiko: Die Bewerbung einzelner Nahrungsergänzungsmittel mit Antioxidanzien suggeriert häufig, damit einen signifikanten Beitrag zur Reduktion des individuellen Krebsrisikos leisten zu können. Dies birgt die Gefahr, dass damit zugunsten von Supplementen mit fraglicher Wirksamkeit auf die erheblichen (und nachgewiesenen) Vorteile einer abwechslungsreichen, ausgewogenen und vollwertigen Dauerernährung verzichtet wird. Die bei Patienten häufig anzutreffende Annahme, die gesundheitsschädlichen Konsequenzen einer falschen Dauerernährung (z. B. fleischreich und ballaststoffarm) könnten durch entsprechende Supplemente bequem und einfach kompensiert werden, ist jedoch falsch.

Präventives Potenzial der Ernährung. Denn während die tumorpräventive Wirkung von Nahrungssupplementen nicht belegt ist, gibt es im Gegenzug umfassende Daten zum präventiven Effekt einer normokalorischen, vollwertigen und fleischarmen Dauerernährung [3]. Beispielsweise ist der Zusammenhang von Adipositas und sehr vielen Krebsarten lange bekannt [8]. Aus Beobachtungsstudien wissen wir, dass eine Ernährung mit hohem glykämischen Index und hoher glykämischer Last das Risiko für Karzinome von Prostata, Kolorektum und Pankreas ebenso erhöht wie das Rezidivrisiko nach Primärbehandlung von Kolorektal- und Mammakarzinomen [9, 10]. Für die Prävention des Kolorektalkarzinoms ist die Steigerung der Ballaststoffzufuhr (30 g/d) bei gleichzeitiger Reduktion von Alkohol und verarbeitetem Fleisch von herausragender Bedeutung [11 – 15].

Und neueste Analysen der PREDIMED-Studie liefern erstmals in einem randomisierten Studien-Design Hinweise dafür, dass eine an Olivenöl reiche, mediterrane Diät das Brustkrebsrisiko reduziert [16]. Diese prospektive randomisierte Studie ist deshalb von so großer Bedeutung, weil sie die aus großen retrospektiven Kohortenstudien gewonnen Erkenntnisse bestätigt. Allerdings war die Zahl der Brustkrebsfälle mit 35 (17 Kontrolle, acht mediterrane Diät, zehn mediterrane Diät mit Nüssen) relativ klein, sodass auch diese Ergebnisse in größeren Langzeituntersuchungen bestätigt werden müssen.

Die mediterrane Ernährung zeichnet sich durch einen relativ hohen Gehalt an Antioxidanzien und einer Vielzahl weiterer Substanzklassen aus (z. B. Ballaststoffe, Phytosterine, Flavonoide), die in der Krebsprävention vermutlich ebenfalls von Bedeutung sind. Zudem ist die synergistische Wirkung dieser gleichzeitig aufgenommenen Nahrungs­bestandteile auch physiologisch plausibel.

Krebstherapie

Offene Fragen. Die Interaktionsmechanismen zwischen Radiochemotherapie einerseits und oxidativem Stress bzw. Antioxidanzien andererseits sind bislang noch in vielen Punkten ungeklärt. So beruht die therapeutische Wirkung vieler Zytostatika gerade auf der Induktion von oxidativem Stress, wobei dies zugleich auch Ursache unerwünschter Wirkungen ist [17]. Insofern liegt die Vermutung nahe, dass während bestimmter Chemotherapien die hochdosierte Gabe von Antioxidanzien möglicherweise die unerwünschten Wirkungen ebenso reduziert wie die therapeutisch erwünschte Wirkung. So gibt es Hinweise darauf, dass die Zytostatika-Resistenz von Tumorzellen mit dem intrazellulären Gehalt an Antioxidanzien zusammenhängt [18]. In präklinischen Studien konnte gezeigt werden, dass Ascorbinsäure (Vitamin C) zwar eine antitumorale Wirkung besitzt [19], dass sie aber ebenso wie antioxidative Polyphenole die Wirksamkeit der Tumor­therapie reduziert [20 - 23]. Zwei randomisiert-kontrollierte Studien konnten zeigen, dass Vitamin E (300 mg/d) und Glutathion vor Beginn der Chemotherapie mit Cisplatin/Oxaliplatin die unerwünschte Neurotoxizität reduzieren, wobei eine Beeinträchtigung der zytostatischen Wirkung jedoch nicht ausgeschlossen werden kann [24, 25]. Bei Patienten mit kolorektalem Karzinom reduziert die gleichzeitige Einnahme eines Multivitaminpräparates die unerwünschten Wirkungen der Chemotherapie nicht [26], und auch für die häufig postulierten, grundsätzlich protektiven Effekte von Selen im Rahmen einer Chemotherapie gibt es keine stichhaltigen Belege [27]. Aktuelle präklinische Daten deuten sogar darauf hin, dass Antioxidanzien in physiologischen Dosierungen (Vitamin E, Acetylcystein) die Metastasierung von Lungenkarzinom- und Melanom-Zellen erheblich steigern können [28].

Tumorpatienten und Antioxidanzien. Tumorpatienten sind besonders häufig von Vitamin-Mangelzuständen betroffen [29, 30]; am ehesten betrifft dies einen manifesten Vitamin-D-Mangel [31]. Daher muss gerade bei diesen Patienten darauf geachtet werden, dass die ausreichende Zufuhr von Mikronährstoffen gesichert ist [32 – 35]. Die Ernährung von Tumorpatienten soll Vitamine und Spurenelemente jedoch nur in den Mengen enthalten, die den Zufuhrempfehlungen für Gesunde bzw. den Leitlinien der künstlichen Ernährung entsprechen [36]. Die entsprechende Supplementation ohne ein nachgewiesenes Defizit wird, gerade auch bei onkologischen Patienten, nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht empfohlen; auch die erst 2015 aktualisierte S3-Leitlinie „Klinische Ernährung in der Onkologie“ der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) [37] ist in diesem Punkt eindeutig (Tab. 4). Während einer Chemotherapie wird die Einnahme von hochdosierten Antioxidanzien, Omega-3-Fettsäuren und Fischöl-Präparaten explizit nicht empfohlen; gleiches gilt für die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und Mikronährstoff-Präparaten zur Tumorrezidivprophylaxe [37]. Stattdessen besteht die Ernährungsempfehlung zur Rezidivprophylaxe nach Primärtumor (insbesondere bei Darm- und Brustkrebs) in der grundsätzlichen Ernährungsumstellung hin zu einer ausgewogenen, fleischarmen Dauerernährung, die reich an Obst, Gemüse und Ballaststoffen ist, verbunden mit gesteigerter körperlicher Aktivität. Anders als durch einzelne Supplemente lässt sich dadurch die Rezidivrate nämlich tatsächlich reduzieren [38 – 42]. Interessierte Patienten können auch auf eine Informationsseite des deutschen Krebsforschungszen­trum (DKFZ) verwiesen werden (www.krebsinformationsdienst.de), wo die entsprechenden Ernährungsempfehlungen allgemeinverständlich und zugleich wissenschaftlich fundiert präsentiert werden.

Tab. 4: Leitliniengerechter Einsatz von Mikronährstoffen bei onkologischen Patienten, gemäß S3-Leitlinie „Klinische Ernährung in der Onkologie“, Stand 2015 [37].
onkologische Situation
Leitlinienempfehlung
onkologische Grunderkrankung (allgemein)
„Die Ernährung von Tumorpatienten soll Vitamine und Spurenelemente in Mengen enthalten, die den Empfehlungen für gesunde Personen bzw. für künstliche Ernährung entsprechen.“
„Bei der Ernährung von Tumorpatienten sollte sich die Zufuhr an Energie und essenziellen Nährstoffen am individuellen Bedarf orientieren und möglichst nicht über- oder unterschritten werden.“
Chemotherapie
„Der Einsatz von Omega-3-Fettsäuren und Fischöl zur Verringerung der Nebenwirkungen oder zur Steigerung der Wirkung einer Chemotherapie wird nicht empfohlen.“
„Die Gabe hochdosierter Antioxidanzien während einer Chemotherapie wird nicht empfohlen.“
Rezidivprophylaxe (allgemein)
„Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und Mikronährstoffpräparaten zur Rezidivprophylaxe wird nicht empfohlen.“
Rezidivprophylaxe (Mammakarzinom)
„Zur Verminderung des Rezidivrisikos nach Primärbehandlung einer Brustkrebserkrankung bei Frauen sollte eine Ernährung reich an Gemüse und Obst in Kombination mit Bewegungstherapie angeboten werden.“

Fazit

Angesichts der häufig als schicksalhaft empfundenen Erkrankung und der extrem belastenden Diagnose „Krebs“ ist es aus psychologischer Sicht nachvollziehbar, dass nach einfachen Möglichkeiten gesucht wird, diese Erkrankung abzuwenden bzw. ihren Verlauf positiv mitgestalten zu können, anstatt ihr hilflos gegenüber zu stehen. Und tatsächlich gibt es diese Möglichkeit der Prävention in Form einer normokalorischen, vollwertigen und abwechslungsreichen Dauerernährung. Bei vorliegender Tumorerkrankung verbessert eine professionelle Ernährungstherapie primär den Ernährungszustand und damit sekundär auch Lebensqualität, Prognose und Therapieverträglichkeit. Nachgewiesene Defizite bei einzelnen Vitaminen und Mikronährstoffen sollen immer spezifisch ausgeglichen werden, auch durch Supplemente. Die unspezifische Einnahme von Antioxidanzien zur Tumorprävention ist erwiesenermaßen unwirksam. Während einer onkologischen Therapie sind schädigende Effekte nicht auszuschließen, sodass davon dringend abgeraten werden sollte. |

Literatur

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 [2] Knasmüller S (Hrsg.). Krebs und Ernährung. 2014, Thieme, Stuttgart

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Autor

Prof. Dr. rer. nat. Martin Smollich, Fachapotheker für Klinische Pharmazie, Antibiotic Stewardship-Experte (DGI). 1998 bis 2004 Studium von Biologie und Pharmazie in Münster und Cambridge (UK), 2005 bis 2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universitätsfrauenklinik Münster, 2009 bis 2013 klinische Tätigkeit und pharmakologischer Konsildienst. Seit 2013 Studiengangsleiter des Studiengangs Clinical Nutrition an der Mathias Hochschule Rheine. Seit 2016 Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ).

Wissenschaftliche Schwerpunkte: Klinische Ernährung und Pharmakonutrition, Klinische Pharmakologie und Arzneimitteltherapiesicherheit

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