Arzneimittel und Therapie

Leitlinien-Update Eisenmangelanämie

Die wichtigsten Empfehlungen auf einen Blick

Gemäß der neuen S1-Leitlinie erscheint die Feststellung einer Eisenmangelanämie simpel, ist aber für eine Diagnose per se noch nicht ausreichend. Bei typischer und plausibler Anamnese für einen alimentären Eisenmangel und dazu passender Pathologie des Blutbilds bedarf es in vielen Fällen keiner weiteren Diagnostik. Bei fehlendem Beweis einer alimentären Ursache ist jedoch eine differenzialdiagnostische Abklärung diffizil.

Die Eisenmangelanämie ist eine mi­krozytäre und hypochrome Anämie, die durch Eisenmangel verursacht wird. Eine verminderte Verfügbarkeit von Eisen führt typischerweise zu einer gestörten Erythropoese und zeichnet sich aus durch eine deutlich erhöhte Größenvariation der roten Blutkörperchen (Anisozytose). Die Anämie selbst ist definiert durch eine erniedrigte Hämoglobin-Konzentration im Blut, wobei altersabhängige Normbereiche zu beachten sind. Im Körper eines Erwachsenen ist Eisen hauptsächlich im Hämoglobin (60 bis 75%), Myoglobin (30%) und in einer Reihe von Enzymen (2%) enthalten und in Form von Depoteisen (10 bis 25%) an Ferritin gebunden. Von täglich 15 bis 20 mg mit der Nahrung zugeführten Eisens werden im „steady state“ lediglich 1 bis 2 mg vom Körper aufgenommen. Die Eisenresorption erfolgt via zweiwertigem Eisen hauptsächlich im Duodenum und im oberen Jejunum. Das duodenale Cytochrom B – ein membranständiges Enzym – reduziert dreiwertige Eisenionen in zweiwertige Ionen, bevor diese vom Transporter Ferroportin aufgenommen werden. Für die systemische Eisenhomöostase, die auf Ebene der intestinalen Resorption gewährleistet wird, ist das in der Leber gebildete Peptidhormon Hepcidin wichtig, das als inhibitorisches Protein der Eisenaufnahme und des Recyclings fungiert. Bereits geringfügige Schwankungen der Balance zwischen Eisenresorption und -verlust können zu einer Eisenmangelanämie führen. Aktuellen Schätzungen zufolge sind 10 bis 15% der Kinder in Europa von einem Eisenmangel betroffen.

Diagnostik

Zu den Leitsymptomen der Anämie zählen neben Blässe auch Müdigkeit, Lern- und Konzentrationsschwächen. Mitunter treten Mundwinkelrhagaden, Haarausfall, Koilonychie (Nagelveränderung, bei der es zu einer muldenförmigen Einsenkung und erhöhten Brüchigkeit der Nagelplatte kommt), eine glatte atrophische Zunge und im Extremfall das Pica-Syndrom auf, eine seltene Essstörung, bei der Menschen Dinge zu sich nehmen, die allgemein als ungenießbar gelten. Im Blutbild ist typischerweise eine Verminderung von Hämoglobin (Hb), des mittleren korpuskulären Hämoglobin-Gehalts (MCH) und des mittleren korpuskulären Volumens (MCV) unter die Altersnorm sichtbar. Ferner ist die Retikulozytenzahl niedrig und die Erythrozytenverteilungsbreite (EVB) erhöht. Sind nach oraler Eisensubstitution therapeutische Effekte im Blutbild (Retikulozytenkrise nach einer Woche, Hb-Anstieg) nachweisbar, gilt ein alimentärer Mangel als belegt. Anderenfalls ist eine weiterführende Diagnostik notwendig. Die Serumferritin-Konzentration (SFC) reflektiert semiquantitativ die Füllung des Eisenspeichers und ist üblicherweise bei einem Eisenmangel erniedrigt. Da Ferritin im Rahmen einer Entzündungsreaktion oder bei chronischen Lebererkrankungen jedoch verstärkt freigesetzt werden kann, ist bei einem normalen oder erhöhten Wert ein Eisenmangel nicht auszuschließen. Zuverlässiger ist die Konzentration des solublen Transferrinrezeptors (sTfR), die unabhängig von Begleiterkrankungen beim Eisenmangel erhöht ist. Die Leitlinie empfiehlt daher die Berücksichtigung des sTfR zusätzlich zur Serumferritin-Konzentration insbesondere bei chronischen Leberkrankheiten oder systemischen Entzündungsreaktionen. Bei fehlendem Beweis einer alimentären Ursache muss nach Resorptionsstörungen, Blutungen, chronischen entzündlichen Erkrankungen oder genetischen Ursachen gesucht werden. Differenzialdiagnostisch ist die sehr seltene idiopathische pulmonale Hämosiderose auszuschließen.

Therapie

Bei alimentärem Eisenmangel steht neben der Ernährungsberatung die orale Substitutionstherapie an erster Stelle. Die Leitlinie empfiehlt Eisen(II)-sulfat als Präparat der Wahl. Bei Unverträglichkeit können alternativ auch Eisen(III)-Präparate verwendet werden. Pharmakologisch sind sie jedoch weniger gut geeignet, da dreiwertige Eisenionen für eine effektive Resorption erst reduziert werden müssen. Die gleichzeitige Einnahme mit Nahrungsmitteln, die eine Eisenresorption beeinträchtigen (z. B. Tee, Hülsenfrüchte, Milch und Käse), sind zu vermeiden. Der therapeutische Effekt sollte zu gegebener Zeit anhand der Retikulozytenzahl, des Hämoglobin-Werts und der Serumferritin-Konzentration kontrolliert werden. Bei manifestem Eisenmangel sollte die Eisensubstitution für mindestens drei Monate fortgeführt werden. Eine parenterale Eisensubstitution ist nur bei Patienten mit schweren und nicht behandelbaren Resorptionsstörungen indiziert und führt zu einem schnelleren Hämoglobin-Anstieg. Laut aktueller Leitlinie könnte sich die Anwendung von parenteralem Eisen (z. B. als Eisencarboxcymaltose) in den nächsten Jahren wesentlich erleichtern und verbessern. Symptomatischer Eisenmangel erfordert eine Behandlung der Grunderkrankung und gegebenenfalls eine Eisensubstitution.


Prophylaxe

Während der Schwangerschaft wird die Substitution von Eisen in begründeten Fällen befürwortet. Eine prophylaktische Gabe von Eisen wird für Frühgeborene (insbesondere mit Geburtsgewicht < 2500 g) in einer Dosierung von 2 bis 2,5 mg/kg Körpergewicht pro Tag ab der 8. Lebenswoche bis zum 12. bis 15. Lebensmonat empfohlen. Bei Kindern mit normalem Eisenstatus sollte auf eine Eisengabe verzichtet werden, da nachteilige Effekte auf das Wachstum möglich sind. Bei älteren Kindern, die sich einer planbaren größeren Operation mit möglicherweise signifikantem Blutverlust unterziehen müssen, kann eine Eigenblutspende erwogen werden. |

Quelle

Eisenmangelanämie. S1-Leitlinie, AWMF-Register Nr. 025/021, Stand 01/2016

Apothekerin Damaris Mertens-Keller

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