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Infektiologie
Wir laufen der Entwicklung hinterher
Ein Gastkommentar von Prof. Dr. med. Johannes Hübner, München
Früher waren es die Pest und die Pocken, die weltweit Angst auslösten und an denen Millionen von Menschen starben. Die zum Teil weltweiten Seuchen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte haben weniger klangvolle Namen wie SARS und MERS, sind aber insgesamt nicht weniger bedrohlich. Trotz der großen Fortschritte der Medizin sind Infektionskrankheiten nicht besiegt und fordern nach wie vor unzählige Menschenleben. Verschiedene Faktoren – wie die weltweite Mobilität, aber auch das Überleben von immungeschwächten Patienten, die quasi industrielle Landwirtschaft sowie der massive Einfluss, den wir durch Desinfektionsmittel und Antibiotika auf die Mikroben-Welt ausüben – haben zum Entstehen neuer Problem-Erreger geführt. Da die mikrobielle Ökologie mit Mutationen und Selektion resistenter Erreger sehr viel rascher anpassungsfähiger ist, laufen wir diesen Entwicklungen immer nur hinterher.
Von einigen der genannten Entwicklungen (z. B. SARS oder MERS) blieb Deutschland bisher weitgehend verschont, wobei das aktuelle Beispiel von MERS in Südkorea zeigt, dass diese Erreger auch in Industrienationen mit einem leistungsfähigen Gesundheitssystem zu verheerenden lokalen Ausbrüchen führen können. Ähnliches wurde in den USA und Kanada im Zusammenhang mit dem Auftreten von SARS beobachtet. Während manche Erreger wie Ebola primär an die Tropen oder Subtropen gebunden sind, gilt dies nicht oder nur noch eingeschränkt für andere Erkrankungen (z. B. Zika oder Chikungunya), wobei die zunehmende Erderwärmung sowie die ungebremste Reisetätigkeit mittelfristig auch dazu führen wird, dass tropische Erkrankungen und vor allem ihre Überträger dauerhaft bei uns heimisch werden. Demgegenüber spielen sich Probleme mit multiresistenten Erregern primär in höher entwickelten Ländern ab, da hier die finanziellen Möglichkeiten den Einsatz von Breitspektrum-Antibiotika erlauben – und damit resistente Erreger selektiert und verbreitet werden.
Fast alle Länder der Welt verfügen über ein öffentliches Gesundheitswesen. Diese lokalen Institutionen sind mittlerweile über die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie z. B. in Europa über das European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) oder in den USA durch die Centers for Disease Control und Prevention (CDC) international eng miteinander vernetzt. Nur durch diese internationale Zusammenarbeit können Gefahren früh erkannt und gemeinsam bekämpft werden, da die Etablierung einer Diagnostik und die Entwicklung von Therapeutika oder eine effektive Prävention die Möglichkeiten eines einzelnen Staates meist überfordert. Deutschland ist über das Robert Koch-Institut (RKI) national und international vernetzt und wird über weltweite Trends und neu aufgetretene Erkrankungsfälle früh informiert. Über das RKI sowie über die Gesundheitsämter auf lokaler Ebene können gegebenenfalls diagnostische und therapeutische sowie auch präventive Maßnahmen veranlasst werden.
Was bringt die Zukunft?
Welche infektiologischen Probleme uns in Zukunft besonders bedrohen, darüber lässt sich nur spekulieren. In den USA wird gerne der Baseball-Spieler Yogi Berra zitiert: „It‘s tough to make predictions, especially about the future.“ Neue und bis dahin unbekannte Virusinfektionen wie SARS oder MERS können jederzeit plötzlich auftreten und gerade im Hinblick auf die Mobilität eine ernste globale Gefahr darstellen. Altbekannte Erkrankungen wie Ebola können durch geänderte geopolitische Gegebenheiten ebenfalls rasch von einer lokalen zu einer globalen Bedrohung werden, wie der Ausbruch 2014 in Westafrika gezeigt hat. Die Erfahrungen mit diesen Erkrankungen haben uns aber auch gelehrt, wie bis dahin unbekannte Erreger rasch durch die Entwicklung von molekularbiologischen Methoden diagnostiziert werden können. Neue Ansätze in der Impfstoffentwicklung ermöglichen uns, für diese Erkrankungen präventive Ansätze zu verwirklichen.
Die zunehmende Resistenzentwicklung bei bakteriellen Erregern stellt demgegenüber ein „Luxusproblem“ dar, weil diese Resistenzen nur durch den breiten und unkritischen Einsatz von Antibiotika selektiert werden. Besonders wichtig sind nach wie vor krankenhaushygienische Maßnahmen wie Isolation und Desinfektion sowie vor allem ein kritischer und restriktiver Einsatz von Antibiotika („Antibiotic Stewardship“).
Lesen Sie dazu den Beitrag "Infektionskrankheiten im Kommen - Warum wir uns nicht hätten ausruhen dürfen" in dieser DAZ-Ausgabe
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