Beratung

Eine sinnvolle Aktion?

Knochendichtemessung in der Apotheke

Eine Aktionswoche zum Thema ­Osteoporose in der Apotheke durchzuführen, ist nur zu befürworten. Zum einen gibt es eine hohe Dunkelziffer unter den Betroffenen, die man sensibilisieren könnte. Zum anderen kann man mit diagnostizierten Osteoporose-Patienten nicht oft genug über die Erkrankung, Risikofaktoren und Therapieoptionen, der Abklärung von Nebenwirkungen der Therapie sowie Maßnahmen zur Sturz- und Frakturprävention reden. Bietet sich im Rahmen der Aktionswoche jedoch auch eine Ultraschallmessung am Fersenbein oder Handgelenksknochen im Sinne eines Screenings oder gar zur Verlaufskontrolle an?

Da es gerade bei Osteoporose viele nicht diagnostizierte Patienten gibt, könnte man meinen, dass ein Screening, zum Beispiel auch in der Apotheke durchgeführt, sinnvoll wäre. Doch Vorsicht, es obliegt Ärzten, eine Dia­gnose zu stellen! Apotheker und PTA dürfen – wie bei anderen Messungen in der Apotheke – dem Patienten Messwerte mitteilen und bei deren Einordnung behilflich sein. Allerdings sieht die Leitlinie des Dachverbands der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften e. V. (DVO) eine Osteoporose-Basis­diagnostik (bestehend aus Anamnese, klinischem Befund, einer DXA-Knochendichtemessung, einem Basislabor sowie gegebenenfalls einer bildgebenden Diagnostik bei klinischen Hinweisen auf osteoporotische Wirbelkörperfrakturen) bei Patienten ohne jegliche Risikofaktoren erst im späten Lebensalter vor [1].

Späte Basisdiagnostik

So soll die Basisdiagnostik bei Frauen erst ab dem 70. Lebensjahr und bei Männern erst ab dem 80. Lebensjahr aufgrund des ab diesem Alter erhöhten Frakturrisikos erfolgen. Zum Vergleich: das American College of Preventive Medicine und die amerikanische Nationale Osteoporose-Gesellschaft empfehlen ein generelles Screening bereits bei Frauen ab 65 und Männern ab 70 Jahren [2]. Es gibt jedoch in Deutschland mehrere Ausnahmen von dieser Altersgrenze: Findet ein niedrigtraumatischer Bruch bei Männern ab dem 60. Lebensjahr oder bei Frauen nach der Menopause statt, wird eine Basisdiagnostik alsbald nach dem Frakturereignis empfohlen, sofern andere Ursachen für die Fraktur unwahrscheinlich erscheinen [1]. Aber auch weitere besondere Konstellationen können die Basisdiagnostik bei Männern schon ab dem 60. Lebensjahr und bei Frauen schon nach Eintritt der Menopause erforderlich machen. Hierzu zählen zum Beispiel Grunderkrankungen oder Risikofaktoren, die eine sekundäre Osteoporose bedingen oder das Frakturrisiko erhöhen (z. B. rheumatoide Arthritis, bestehende oder geplante Glucocorticoid-Therapie mit ≥ 2,5 mg Prednisolon-Äquivalent für mehr als drei Monate, Epilepsie, Diabetes mellitus Typ 1). Die Leitliniengruppe sieht jedoch unter Abwägung von Nutzen, Schaden und Kosten keine Veranlassung dafür, die Basisdiagnostik im Sinne eines Screenings vor der in der Leitlinie aufgeführten Altersgrenze anzusetzen [1].

Foto: Robert Kneschke – dicht_Fotolia.com
In der Apotheke nicht durchführbar ist die Osteodensitometrie mittels der Dual-X-Ray-Absorptiometrie (DXA) an der Lendenwirbelsäule und am proximalen Femur. Sie ist aber das empfohlene Standardverfahren zur Knochendichtemessung.

Wie diagnostizieren?

Die diagnostische Methode der Wahl zur Messung der Knochenmineralisation (bone mineral density, BMD, „Knochendichte“) ist die duale Röntgen-Absorptiometrie (DXA oder DEXA, dual energy X-ray absorptio­metry), empfohlen von deutschen wie auch internationalen Leitlinien [1]. Abgeleitet hieraus ergibt sich der T-Score-DXA, anhand dessen die Diagnose Osteoporose gestellt werden und die Frakturrisikobeurteilung erfolgen kann. Letztere ist erforderlich zur Indikationsstellung einer Therapie mit Antiosteoporotika. Die Leit­linienaussage bezüglich anderer Messmethoden, zum Beispiel quantitativer Ultra­schallverfahren (QUS, quantitative ultrasound) ist klar: QUS dürfen weder zur Diagnose der Osteoporose verwendet werden (hierzu ist nur die DXA-Messung empfohlen, siehe WHO-Definition der Osteoporose), noch zur Feststellung der Therapieindikation. Die Leitlinien­autoren führen als Begründung an, dass QUS-Verfahren hierzu nicht ausreichend untersucht sind [1]. Andere Autoren kritisieren, dass quantitative Ultraschallverfahren nicht ausreichend präzise und ihre Ergebnisse nicht im gewünschten Maß reproduzierbar sind [2].

Ein großes Problem zeigt sich auch bezüglich der Vergleichbarkeit der Ergebnisse der Ultraschallmessung, da die Geräte ausgesprochen heterogen sind [2]. Weiterhin besteht die Gefahr, dass Patienten die Messergebnisse eines Ultra­schallverfahrens – häufig leider auch als T-Score bezeichnet – mit dem Messergebnis einer DXA-Messung (T-Score-DXA) vergleichen werden. ­Eine Übertragbarkeit der Ergebnisse beider Methoden bei der Osteoporose-Risikoabschätzung und der Beurteilung der therapeutischen Wirksamkeit besteht aber nicht [1]!

Kostenargument

Ultraschallmessgeräte sind gegenüber denjenigen zur DXA-Messung portabel, verhältnismäßig preiswert und die Messungen lassen sich leicht durchführen. Eine Ultraschallmessung könnte von Patienten bevorzugt werden, die ihre Knochendichte und damit ihr Osteoporose-Risiko abschätzen lassen wollen, aber vielleicht die bei der DXA-Messung anfallenden Kosten (IGeL-Leistung) in Höhe von 40 bis 80 Euro scheuen. Eine Kostenerstattung erfolgt nur dann, wenn der Arzt eine medikamentöse Behandlungsabsicht hat, zum Beispiel, wenn eine niedrigtraumatische Fraktur vorliegt oder sich aus der Anamnese Anhaltspunkte für eine Osteoporose-Erkrankung ergeben. Es muss jedoch betont werden, dass es nach Leitlinienaus­sage nur in Ausnahmesituationen sinnvoll ist, zur Erst­diagnostik ein quantitatives Ultraschallverfahren einzusetzen [1].

Nur wenn DXA nicht durchführbar

Die Ausnahmesituation liegt vor, wenn bei Hochrisikopatienten nur unter erschwerten Bedingungen eine DXA-Messung durchgeführt werden kann [1]. Das Ultraschallverfahren ist aber dann Bestandteil eines umfassenden Risikoassessments und ist – falls sich hierbei ein hohes Gesamtrisiko zeigt – nur als Vortest vor einer DXA-Untersuchung anzusehen. Das bedeutet, dass Patienten, die bei einer quantitativen Ultraschallmessung mit niedrigen Werten für die Knochenmineralisation auffallen und aufgrund anderer Risikofaktoren ein hohes Gesamtrisiko für Frakturen zeigen, trotzdem eine DXA-Messung über sich ergehen lassen müssen [1]! In diesem Fall kommt es zu einer nicht zu befürwortenden, doppelten Diagnostik, weshalb die Leitlinienautoren auch aus diesem Grund primär die DXA-Messung empfehlen [1].

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Bestimmung der Knochen­mineralisation mittels quantitativer Ultraschallverfahren zur Fraktur­risikobeurteilung in der DVO-Leitlinie zwar erwähnt wird, allerdings nur eingeschränkt empfehlenswert ist.Es kann aufgrund unzureichender Präzision zu falsch positiven und falsch negativen Ergebnissen kommen. Bei der Durchführung in der Apotheke ergibt sich also die Problematik, dass sich Patienten fälschlicherweise in Sicherheit wiegen, eine gute Knochengesundheit zu haben und womöglich kurz darauf eine Fraktur erleiden. Oder sie werden zu Unrecht beunruhigt, eine schlechte Knochenmineralisation zu haben, womöglich an Osteoporose zu leiden und suchen einen Facharzt auf, der die Einschätzung nicht bestätigen kann. In beiden Fällen büßt die Apotheke und die durch sie angebotenen Dienstleistungen enorm an Glaubwürdigkeit ein. Eine Aktionswoche zum Thema Osteoporose sollte daher vornehmlich darauf fokussieren, mit dem Patienten hinsichtlich seiner Risikofaktoren ins Gespräch zu kommen, das Osteoporose-Risiko anhand von Fragebögen abzuschätzen und Maßnahmen zur Sturz- und Frakturprophylaxe sowie zu Ernährungs- und Bewegungs­fragen zu besprechen. |

Literatur

[1] Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose im Erwachsenenalter (Männer ab dem 60. Lebensjahr und postmenopausale Frauen), Leitlinie des Dachverbands der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften e.V. (DVO), Stand 2014, zuletzt aktualisiert am 12. Januar 2016, www.dv-osteologie.org/dvo_leitlinien/osteoporose-leitlinie-2014

[2] Kostner S. Knochendichtebestimmung mittels Ultraschall. Zeitschrift für Allgemeinmedizin. EBM-Service 2011(5):197-199

Apothekerin Dr. Verena Stahl


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