Arzneimittel und Therapie

Erdnussflips können Allergiker schützen

Interview mit Prof. Dr. med. Kirsten Beyer, Berlin

rr | Auch Prof. Dr. med. Kirsten Beyer, Leiterin der Sektion Kinder­allergologisches Studienzentrum an der Charité Universitätsmedizin Berlin, forscht zum Thema Erdnuss-Allergie. Sie erklärt, welche Therapieoptionen es gibt und warum gerade Personen mit Antikörpern im Blut, aber ohne allergische Symptome, regelmäßig Erdnüsse essen sollten.
Foto: privat
Prof. Dr. med. Kirsten Beyer

DAZ: Die vorliegende Studie weckt Hoffnung, dass Personen mit Erdnuss-Allergie bald ein normales Leben ohne Verzicht führen können – dank oraler Immuntherapie und Probiotika. Stellen die Ergebnisse in Ihren Augen einen Durchbruch dar?

Prof. Beyer: Die Ergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen. Es handelt sich um eine Nachverfolgungsstudie, die die Wirkung einer oralen Immuntherapie in Kombination mit einem Probiotikum untersucht hat. Sie zeigte, dass Patienten unter dieser Behandlung Erdnüsse während der Studie und auch nach kurzzeitiger Karenz besser vertragen konnten als Patienten der Placebo-Gruppe. Über die Rolle des Probiotikums lässt sich dennoch keine eindeutige Aussage treffen, denn was hier eindeutig fehlt, ist eine Immuntherapie-Gruppe ohne Probiotika-Gabe als Vergleich. Auch für die orale Immuntherapie allein wurden schon ähnliche Ergebnisse gezeigt.

DAZ: Gibt es in Deutschland bereits die Möglichkeit, eine orale Erdnuss-Immuntherapie durchzuführen?

Prof. Beyer: Bisher ist diese Therapieoption in Deutschland nicht zugelassen. Eine Behandlung sollte nur im Rahmen von Studien erfolgen. Eine große internationale Phase-III-Studie mit mehreren Hundert Patienten hat aber die Zulassung der oralen Erdnuss-Immuntherapie zum Ziel. Eine weitere startet im Herbst. Es tut sich also etwas.

DAZ: Welche Probleme müssen bis zur Marktreife noch gelöst werden?

Prof. Beyer: Schwierigkeiten könnten vor allem die Nebenwirkungen bereiten. Es kann unter der Therapie zu allergischen Reaktionen kommen: Die Patienten können lange Zeit Erdnüsse gut vertragen und plötzlich wieder reagieren, wenn sie zum Beispiel parallel zur Erdnuss-Einnahme Sport treiben oder einen Infekt haben. Hier muss dann eine Dosisanpassung erfolgen. Selten kann sich zudem eine eosinophile Ösophagitis entwickeln. Wir empfehlen den Allergikern, die nach der Immuntherapie keine Symptome mehr zeigen, regelmäßig Erdnüsse oder Erdnuss-Produkte wie Erdnussflips zu konsumieren.

DAZ: Warum?

Prof. Beyer: Um die Toleranz aufrechtzuerhalten. Wenn der Patient lange keine Erdnüsse zu sich nimmt, kann es sein, dass sich der Körper nicht mehr daran „erinnert“, nicht mit einer überschießenden Immun­antwort reagieren zu müssen. Bei regelmäßigem Verzehr von Erdnüssen setzt sich der Körper permanent mit dem Allergen auseinander. Auch Personen, die Antikörper im Blut haben und bei denen der Verdacht auf eine Erdnuss-Allergie besteht, die aber keine Symptome zeigen, sollten Erdnüsse regelmäßig zu sich nehmen. Wie lange, weiß allerdings momentan niemand.

DAZ: Gibt es weitere Ideen, wie man der Erdnuss-Allergie kurativ begegnen kann?

Prof. Beyer: Schon vor vielen Jahren hat man die subkutane Immuntherapie bei Erdnuss-Allergie untersucht. Sie ist allerdings mit zu vielen Nebenwirkungen behaftet. Die sublinguale Therapie wird besser vertragen, ist aber nicht so wirksam wie die orale. Es läuft auch bereits eine Zulassungsstudie zur epikutanen Immuntherapie, also zur Gabe von Erdnuss-Protein in Form eines Pflasters. (Anm. der Redaktion: siehe „Hyposensibilisierung per Pflaster“. DAZ 2016, Nr. 44, S. 44)

DAZ: Welchen Ansatz halten Sie für besonders vielversprechend?

Prof. Beyer: Das ist schwer zu sagen. Die orale Immuntherapie ist definitiv am besten untersucht, nur müssen die Nebenwirkungen verhältnismäßig sein. Wie häufig diese wirklich vorkommen, muss in großen Placebo-kontrollierten Studien untersucht werden. Hoffnungen setzt man dabei auf die Kombination mit Probiotika oder die Gabe von Anti-IgE-Antikörpern, die bisher bei schwerem Asthma und chronischer Urtikaria zugelassen sind. Eine wichtige Aufgabe der Forschung besteht aber auch darin, Strategien zu entwickeln, die Allergien gar nicht erst aufkommen lassen.

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch!

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