Arzneimittel und Therapie

Ein Versuch der Re-Exposition lohnt sich

Ein Gastkommentar von Prof. Dr. Dietmar Trenk

Foto: privat
Prof. Dr. Dietmar Trenk

Die Morbidität und Mortalität von Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen konnten in den letzten 30 Jahren deutlich um etwa 50% reduziert werden. Die Behandlung mit Statinen, die seit 1987 zur Verfügung stehen, hat hierzu wesentlich beigetragen. Aus diesem Grund beinhalten die Leitlinien nationaler und internationaler Fachgesellschaften seit vielen Jahren klare Empfehlungen abhängig vom individuellen (kardio)vaskulären Risiko des Patienten. Bei der Umsetzung dieser Leitlinien bestehen jedoch nach wie vor deutliche Defizite – auf Seiten von Ärzten und Patienten.

Sowohl in der international durchgeführten DYSIS-Studie als auch bei einer Erhebung in hausärztlichen Praxen in Deutschland (DISCOVER) wurde die Lipid-senkende Therapie bei Hochrisiko-Patienten evaluiert. Es zeigt sich, dass nur etwas mehr als 10% der Patienten die Zielwerte für LDL-Cholesterin (< 70 mg/dl) erreichen. Ursächlich hierfür ist im Wesentlichen, dass häufig schwächer wirksame Statine verordnet bzw. potentere Vertreter dieser Arzneimittelgruppe nicht ausreichend hoch dosiert werden.

Auf Seiten der Patienten bestehen erhebliche Probleme in der Adhärenz. So haben Statine in den Laienmedien eine schlechte Reputation, die aufgrund objektiver in Studien generierter Daten in keiner Weise nachvollziehbar ist. Während eine Internet-Recherche zu „statin benefits“ etwa 655.000 Einträge liefert, ergibt eine Recherche zu „statin risk“ mehr als 3,5 Millionen Einträge. In den Laienmedien werden häufig alternative „natürliche“ Ansätze zur Lipidsenkung beworben. Andererseits werden schwere unerwünschte Wirkungen wie Statin-assoziierte Muskelsymptome (SAMS), leberschädigende Wirkungen oder eine angeblich vermehrte Entwicklung einer Demenz unsachlich dargestellt. So ist es nicht verwunderlich, dass in einer in Dänemark mit 674.900 Patienten durchgeführten Kohortenstudie die negative Berichterstattung in den Laienmedien einer der stärksten Prädiktoren für ein vorzeitiges Absetzen von Statinen war.

SAMS sind wichtige unerwünschte Wirkungen der Statine, die die Einnahmetreue der Patienten reduzieren. Es besteht aber offensichtlich ein signifikanter Nocebo-Effekt. Interessante Einblicke ergab die kürzlich publizierte GAUSS-3-Studie: Über 500 Patienten mit gesicherten Muskelbeschwerden unter mehreren Statinen in der Anamnese wurden im Cross-over-Design jeweils über zehn Wochen mit 20 mg Atorvastatin oder Placebo behandelt. Bemerkenswert war, dass unter den doppelblinden Bedingungen nur noch weniger als die Hälfte der Patienten (42,5%) nicht tolerierbare SAMS unter Atorvastatin und 9,8% SAMS sowohl unter Atorvastatin als auch unter Placebo beklagten. 17,3% der Patienten zeigten SAMS weder unter dem Statin noch unter Placebo und immerhin 26,5% berichteten über SAMS unter Placebo.

Dass nach sorgfältiger klinischer Diagnostik und intensiver Anleitung und Beratung der Patienten es zumeist doch möglich ist, eine Statin-Therapie weiterzuführen, auch wenn Nebenwirkungen aufgetreten sind, zeigt eine an der US-amerikanischen Ostküste durchgeführte Untersuchung. Nach dem beschwerdebedingten Absetzen eines Statins wurde bei 6579 Patienten ein erneuter Behandlungsversuch mit einem Statin (teilweise anderer Wirkstoff oder geändertes Einnahmeschema) unternommen. Fast alle dieser Patienten (92%) nahmen nach zwölf Monaten wieder ein Statin ein. Von den Patienten, die den gleichen Wirkstoff, der zuvor zum Absetzen führte, erhielten, tolerierte etwa die Hälfte diesen bei der Re-Exposition und davon ca. 77% in der gleichen oder sogar einer höheren Dosis.

In der jetzt von Zhang et al. publizierten Studie, die auf Daten aus Krankenakten von Hochrisikopatienten beruht, setzen ca. 30% der Patienten das Statin ab, was bei 42% auf Myalgien oder muskuloskelettalen Beschwerden beruhte. Obwohl bei einem Viertel der Patienten, die danach ein anderes Statin einnahmen, erneut Nebenwirkungen auftraten, führten über 80% von ihnen die Behandlung fort und profitierten wie erwartet prognostisch von der Statin-Therapie. Adhärenz­stärkende Maßnahmen und ein Re-Expositionsversuch sind von daher insbesondere bei Hochrisikopatienten (Sekundärprävention) angezeigt.

Literatur beim Verfasser

Prof. Dr. Dietmar Trenk, Universitäts-Herzzentrum Freiburg-Bad Krozingen, Klinik für Kardiologie und Angiologie II, Abt. Klinische Pharmakologie, 79189 Bad Krozingen Dietmar. Trenk@universitaetsherzzentrum.de

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