Aus den Ländern

Cannabis schlägt hohe Wellen an der Küste

Rekordverdächtige Teilnehmerzahl bei der Scheele-Tagung in Warnemünde

WARNEMÜNDE (rr) | Acht Monate sind seit dem Inkrafttreten des „Cannabis-Gesetzes“ vergangen. Das Interesse der Apothekerschaft ist ungebrochen. Auf der diesjährigen Scheele-Tagung wurde über Entwicklungen und Bedenken diskutiert: Wann wird es Cannabis aus Deutschland geben? Sind Engpässe vorprogrammiert? Einige Wogen konnten geglättet werden, andere Fragen verliefen im Sand.

Im Jahr 2017 hat eine Jahrtausende alte Arzneipflanze unsere moderne Medizin gehörig auf den Kopf gestellt. Das Gesetz, das Ärzten erlaubt, Cannabis-Blüten als Medizin auf Kassenrezept zu verordnen, trat am 10. März 2017 in Kraft und schaffte es prompt in die Tagesschau zur besten Sendezeit. Selten hat eine Therapie abseits von Fachkreisen für so viel Furore gesorgt. Der Start in eine bundesweite Versorgung mit Medizinalhanf verlief dann aber eher holprig, nicht zuletzt wegen zahlreicher Ungereimtheiten im Vorfeld.

Systembruch mit Folgen

Zu den seit März auf Antrag erstattungsfähigen Substanzen zählen: Dronabinol, Nabilon (Canemes®), Nabiximols (Sativex®), Cannabis-Vollextrakte und Cannabis-Blüten. Vor allem Letztere warfen viele Fragen auf, nicht nur zur Beschaffung, Prüfung und Abrechnung der Droge, sondern auch ganz substanziell zur Therapie: Welche Patienten profitieren von Cannabis und wie werden Cannabis-Blüten am besten angewendet? Woran sich Evidenz-Verfechter besonders stören: Es gibt kaum Daten zur medizinischen Anwendung von Cannabis. „Bisher wurden insgesamt 140 Studien mit etwa 8000 Patienten veröffentlicht, die meisten darunter sind allerdings von moderater bis sehr niedriger Qualität“, fasste Prof. Dr. Burkhard Hinz, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Rostock, den ernüchternden Status quo zusammen. Randomisierte, placebokontrollierte Studien gibt es kaum, dafür eine Entschuldigung, warum wir noch so wenig wissen: Schuld ist die Propaganda, die gegen Cannabis im 20. Jahrhundert geführt wurde.

Immerhin kennen wir heute die Struktur der wichtigsten Inhaltsstoffe Cannabidiol (CBD) und Tetrahydro­cannabinol (THC) sowie das Endo­cannabinoid-System. Und es gibt konkrete Hinweise auf therapeutisch interessante Wirkungen von Cannabis sativa: muskelrelaxierend/spasmolytisch, antikachektisch, antiemetisch und analgetisch. „Wir sprechen hier über eine Pharmakologie, auf die wir erstmal nicht gewartet haben, die aber einen Substanzschatz bereithält, den wir sichten sollten.“ meint Hinz.

Foto: DAZ/rr
Dr. Holger Reimann, Dr. Peter Cremer-Schaeffer und Prof. Dr. Burkhard Hinz (von links) brachten die Anwesenden zum Thema Cannabis auf den aktuellen Stand.

Aus der Anwendung im klinischen Alltag möchte man lernen, was in Zukunft genauer erforscht werden sollte. Im Rahmen einer Begleiterhebung werden anonymisierte Daten zur Anwendung von Cannabis-Arzneimitteln über 60 Monate gesammelt. Einige Rückmeldungen gibt es schon, wie Dr. Peter Cremer-Schaeffer, Leiter der Bundesopiumstelle beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), verriet. Es zeichnet sich ab, was man schon vermutete: Den meisten Patienten (50 bis 60%) wird Cannabis zur Schmerzbehandlung verschrieben, typischerweise sind sie zwischen 30 und 50 Jahre alt.

Cannabis-Agentur ist fleißig

Mit Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes nahm auch die beim BfArM angesiedelte Cannabis-Agentur ihre Arbeit auf – bisher mit fünf Mitarbeitern. Eine der ersten Aufgaben war die Ausschreibung für den Cannabis-Anbau in Deutschland. Das Vergaberecht fordert eine europaweite Ausschreibung, der Anbau muss aber auf deutschem Boden erfolgen, es gibt keine öffentliche Darstellung, Fragen werden ausschließlich über eine elektronische Plattform beantwortet. Laut Cremer-Schaeffer gab es etwas mehr als 100 Bewerber. Momentan läuft die zweite Phase des Verfahrens, in die Kandidaten weitere Unterlagen nachreichen. Die Verträge sollen in den nächsten Monaten geschlossen werden, damit die erste deutsche Cannabis-Ernte planmäßig im Jahr 2019 eingefahren werden kann.

Soviel ist sicher: Einen Outdoor-Anbau wird es nicht geben. „Bauer Friedrich von nebenan hat keine Chance“, machte Cremer-Schaeffer deutlich. Arzneimittel auf Cannabis-Basis sind Betäubungsmittel, dementsprechend müssen die Sicherheitsrichtlinien vom BfArM eingehalten werden („Ich sage nur 24-cm-dicke Wände, Stahlbeton etc.“). Ob denn mit Lieferschwierigkeiten zu rechnen sei, kam als vorsich­tige Frage von Engpässen-geplagten Apothekern im Publikum. Der Hersteller muss gewährleisten, keine Missernten einzufahren. Allerdings, so Cremer-Schaeffer, kann das naturgemäß niemand garantieren. Aus diesem Grund wird man vermutlich auf mehrere Lieferanten setzen.

Cannabis in der Rezeptur

Im Neuen Rezeptur-Formularium (NRF) gibt es momentan folgende standardisierte Rezepturarzneimittel auf Cannabis-Basis: Dronabinol-­Kapseln (NRF 22.7.), Ölige Dronabinol-Tropfen (NRF 22.8.), Ölige Cannabidiol-Lösung (NRF 22.10., neu: Konzentration von 100 mg/ml), Cannabis-­Blüten zur Inhalation (NRF 22.12. und 22.13.), Cannabis-Blüten als Teezubereitung (NRF 22.14. und 22.15.), Ethanolische Dronabinol-Lösung (NRF 22.16.) und Ölige Cannabisölharz-­Lösung (NRF 22.11.), wobei Letztere derzeit nicht verfügbar ist.

Dr. Holger Reimann, Leiter des Pharmazeutischen Laboratoriums beim DAC/NRF, räumt ein, dass „man zwar Vorschriften erarbeitet hat, um die Apotheker zu wappnen, diese aber sicherlich noch nicht der Weisheit letzter Schluss sind“. Baustellen sieht man noch an vielen Stellen. Beispielsweise beim Befüllen der Kapseln: Hier wird überlegt, ob nicht besser Eppendorf-­Pipetten zum Einsatz kommen sollten. Eine volumetrische Messung hält man auch bei der Entnahme von Tropfen für genauer, dann entsprechend mit einer Kolbenpipette oder Oralspritzen. „Wir müssen weg vom Tropfen-Zählen!“ appellierte Reimann. Besonders problematisch sieht man nach wie vor die Anwendung von Cannabis-Blüten. Dass die Pflanzenteile vor der Abgabe gemahlen werden, stieß bei erfahrenen Ärzten und Patienten zunächst auf Gegenwind. Anders ist die Entnahme einer reproduzierbaren Dosis jedoch nicht möglich. Reimann rät, im Gespräch mit den Patienten eher von „Feinschnitt“ als von „Pulver“ zu sprechen. Von Vorrösten der Droge im Backofen („stinkt fürchterlich!“), der Zugabe von Sahne zum Tee („schwer zu standardisieren“), der Extraktion der Blüten mit Butan („Explosionsgefahr!“) oder das Herauspressen des Harzes mit einem Bügeleisen rät die DAC-Kommission ab.

Foto: DAZ/rr
Die Themen weckten das Interesse von Jung und Alt: Der mit 93 Jahren älteste Teilnehmer Dr. Hans Feldmeier hat seit 59 Jahren keine Scheele-Tagung verpasst.

Im Fazit waren sich die Referenten einig: Mit Cannabis-Produkten stehen neue Therapieoptionen zur Verfügung, von denen einzelne Patienten stark profitieren können, aber eben nicht alle. Die Anwendung von Cannabis-Blüten wird kritisch gesehen, da die Therapie weder konstant noch reproduzierbar ist. „Das therapeutisches Potenzial ist größer als derzeit bekannt“ ist sich Hinz sicher. Interessant findet er vor allem die derzeitigen Entwicklungen hinsichtlich des Einsatzes als Orphan Drug zur Behandlung des Dravet-Syndroms und Lennox-Gastaut-Syndroms sowie in der Therapie von Gliomen.

Update: Autoimmun­erkrankungen

Cannabis ist eher eine Ausnahme in der modernen Pharmakotherapie. Die Zukunft gehört zielgerichteten Wirkstoffen – wie Biologika, die zur Therapie chronisch-entzündlicher Erkrankungen eingesetzt werden.

Unser Immunsystem muss erst lernen, nicht gegen körpereigene Substanzen aktiv zu werden. Normalerweise herrscht eine Homöostase zwischen aktivierten Immunzellen und regulatorischen T- und B-Zellen: Die Toleranz gegenüber dem eigenen Gewebe und einer Immunantwort gegenüber Fremdstoffen halten sich die Waage. Gerät sie aus dem Ruder, kann sie ins Pathologische umschlagen und zerstörerisch wirken.

Es gibt Einflüsse, die begünstigen, dass ein Mensch eine Autoimmunerkrankung entwickelt: Dr. Ilse Zündorf, Institut für Pharmazeutische Biologie der Goethe-Universität Frankfurt, zählt dazu genetische (Genpolymorphismen der MHC-Klasse-I- und -II-Proteine, weibliches Geschlecht), immunologische und mikrobielle (Veränderungen im Mikrobiom, Infektionen) sowie umweltbedingte Faktoren (z. B. UVB-Strahlung, Rauchen). In letztere Kategorie fallen auch Arzneimittel: Über 100 Stoffe stehen im Verdacht, darunter Antihistaminika, Statine und Antibiotika. Eine derartige drug-induced autoimmunity (DIA) tritt unvorhergesehen bei der Therapie auf, geht nach Absetzen des Arzneimittels aber auch wieder verloren.

Was gibt es Neues zu … … rheumatoider Arthritis?

Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine chronisch-entzündliche Gelenkerkrankung, die den gesamten Körper betrifft und nach wie vor nicht heilbar ist, erläuterte Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner, Direktor der Abteilung Rheumatologie und Klinische Immunologie an der Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim. Angestrebt wird eine Remission („der Patient merkt nichts und der Arzt sieht nichts“) – ein durchaus realistisches Ziel, nicht zuletzt dank der Entwicklung von Biologika, die greifen, wenn die klassischen DMARDs nicht ausreichend wirksam sind. Neben den TNF-alpha-Blockern spielen auch Wirkstoffe eine Rolle, die andere Targets adressieren, beispielsweise Abatacept (T-Zelle), Rituximab (B-Zelle) und Tocilizumab (IL-6R). Ihr größter Nachteil: Sie sind sehr teuer. Doch nach und nach kommen preisgünstigere Biosimilars auf den Markt, so bereits bei Infliximab und Etanercept. Adalimumab wird bald folgen. Aus Sicht des Rheumatologen haben Biosimilars eine ähnliche Wirksamkeit, Sicherheit und Immunogenität wie die Originale, einen Wechsel hält er nach derzeitigem Stand für unproblematisch. Jüngstes Interesse gilt den Januskinase-Inhibitoren Tofacitinib und Baricitinib, die gleich auf Stufe 2 in die Leitlinien eingestiegen sind. „Allerdings müssen sie sich noch hinsichtlich Wirkung und Nebenwirkungen beweisen“. Unter der Therapie sollten Blutbild und Leberwerte im Blick behalten werden. Ein Problem sind Infektionen mit Herpes zoster.

Foto: DAZ/rr
Führten durch eine Reihe von Autoimmunerkrankungen: Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner, Prof. Dr. Gerd Bendas, Dr. Ilse Zündorf und Prof. Dr. Uwe Zettl (von links).

Falls in der Erkältungssaison die Frage nach Immunstimulanzien aufkommt: Unter einer Therapie mit Biologika ist eine immunstimulierende Therapie nicht sinnvoll. Allerdings lassen die apothekenüblichen Produkte auch keine Schäden erwarten (z. B. Zink). Unbedingt abgeraten werden muss von Eigenblutbehandlungen.

… multipler Sklerose?

Das Risiko, in Deutschland eine multiple Sklerose (MS) zu entwickeln, liegt bei 0,3%. Etwa 5% der Neuerkrankungen treten vor dem 16. Lebensjahr auf. Die Krankheit kann sich langsam entwickeln und dann plötzlich durchschlagen. Das Problem: Durch Fehldiagnosen und falsche Therapien geht zu viel Gewebe verloren, das nicht mehr repariert werden kann. „Zeit ist alles!“ betont Prof. Dr. Uwe Zettl von der Klinik und Poliklinik für Neurologie an der Universitätsmedizin Rostock. Derzeit sind 16 Substanzen zur MS-Therapie zugelassen, damit verbunden 120 Möglichkeiten, der Krankheit Einhalt zu gebieten. Biologika haben einen großen Stellenwert, allerdings sind sie auch mit Vorsicht zu genießen, woran ein vor wenigen Wochen tödlich verlaufender Leberschaden unter Therapie mit Daclizumab erinnerte.

Ein anderer Ansatz ist die Gabe von Biotin – eine Zufallsentdeckung. Biotin kurbelt den Zyklus von cyclischem Guanosinmonophosphat (cGMP) an. Die Behinderung infolge MS hat sich in Studien maßgeblich zurückgebildet. Ein nicht zu unterschätzender Nachteil: ELISA-Tests werden durch Biotin deutlich verändert, so können fälschlicherweise Schilddrüsendysfunktionen diagnostiziert werden.

Foto: DAZ/rr
Zur Freude der Veranstalter waren etwa 50 Studierende unter den Teilnehmern.

Zettl bedauert, dass man sich nur auf die immunologische Therapie konzentriert, und fordert mehr Sorgfalt auch bei der symptomatischen Behandlung. Die MS-induzierte Spastik tritt von einer Minute auf die andere auf und kann schwere Muskelschäden nach sich ziehen. Baclofen gilt als Mittel der Wahl, das Cannabis-haltige Mundspray Sativex® ist seit 2011 als Add-on zugelassen. Einige MS-Patienten leiden unter einem starken Tremor, der Alltagsaktivitäten wie Haare kämmen und Zähne putzen unmöglich macht. Bisher ist keine Pharmakotherapie für diese Indikation zugelassen. Die Hoffnungen ruhten lange Zeit auf der Physiotherapie, allerdings besteht hier die Gefahr eines Rebound-Effekts. Einen hohen Leidensdruck haben auch Patienten mit der Komorbidität Fatigue. Oftmals ist sie der Grund, sich vollständig aus dem Berufsleben zurückzuziehen. Zettls bester Tipp: „Kalt duschen oder baden und sich auf keinen Fall eine Fußbodenheizung einbauen lassen!“. Der zweitbeste Tipp: konditionelles Training. Alles andere, etwa die in Internetforen propagierte Propion­säure, ist „mit zwei Fragezeichen versehen“.

… chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen?

95% der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen betreffen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn. Beide Erkrankungen zeigen Parallelen, dürfen aber nicht über einen Kamm geschoren werden, mahnt Prof. Dr. Gerd Bendas vom Pharmazeutischen Institut an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Auch 2017 bedeutet die Diagnose noch einen tiefen Einschnitt für die Betroffenen, denn nach wie vor ist eine lebenslange Pharmakotherapie nötig. Differenziert werden muss zwischen der Therapie im akuten Schub und der Therapie zum Remissionserhalt. So sind Glucocorticoide unverzichtbar im Akutfall, eignen sich aber nicht als Dauertherapie. Anders die verfügbaren Biologika: Infliximab (Remicade®, Biosimilars verfügbar), Adalimumab (Humira®), Golimumab (Simponi®) und Vedolizumab (Entyvio®). Großes Potenzial wird auch Ustekinumab (Stelara®) bescheinigt: Der monoklo­nale Antikörper gegen IL-12 und IL-23 ist zugelassen zur Therapie von Morbus Crohn.

Strategien abseits der immunmodulierenden Therapie zielen auf eine Normalisierung der Darmflora. Zumindest bei Colitis ulcerosa scheinen Probiotika sinnvoll zu sein. Eine gute Datenlage liegt für das Präparat Mutaflor vor, das in der Apotheke empfohlen werden kann. „Wir stehen da aber erst am Anfang“, relativiert Bendas.

Missbrauch – die dunkle Seite von Arzneimitteln

WARNEMÜNDE (tmb). Das Vorsymposium der Scheele-Tagung sollte die Teilnehmer mit Vorträgen aus dem weiteren thematischen Umfeld auf die mehr pharmazeutisch geprägten Inhalte des Wochenendes einstimmen. Diesmal ging es um den Missbrauch von Arzneimitteln und anderen Substanzen.

Foto: DAZ/tmb
Dr. Daniela Piontek

Dr. Daniela Piontek, Institut für Therapieforschung, München, stellte den epidemiologischen Suchtsurvey vor. Diese Umfrage wird seit 1980 meistens alle drei Jahre im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums durchgeführt, zuletzt 2015. Sie soll repräsentative Aussagen für die deutschsprachige Bevölkerung im Alter zwischen 18 und 64 Jahren ermöglichen. Dabei werden 8000 Rückmeldungen angestrebt. Der Fragebogen umfasste zuletzt 32 Seiten. Dabei wird für acht Gruppen von Arzneimitteln abgefragt, ob diese in den letzten zwölf Monaten verwendet wurden. Die Anwendung in den letzten 30 Tagen wird genauer abgefragt. Die Ergebnisse sind unter www.ift.de zu finden. Im langfristigen Vergleich sei für Schmerzmittel ein zunehmender und für Schlaf- und Beruhigungsmittel ein abnehmender Trend zu verzeichnen, erklärte Piontek. Außerdem werden Kriterien für einen problematischen Arzneimittelgebrauch unterhalb einer Abhängigkeit abgefragt. Als Risikogruppen für einen erhöhten Arzneimittelgebrauch seien Ältere mit geringer Bildung anzusehen. Ein großes Problem sei jedoch, dass anhand der Befragung nur schwer zwischen einer ärztlich verordneten, zielführenden Anwendung und einem problematischen Gebrauch unterschieden werden kann. Erstaunlich sei teilweise der Anteil nicht verordneter, aber verschreibungspflichtiger Arzneimittel.

Foto: DAZ/tmb
Dr. Rainer Dahlenburg

Dies sei möglicherweise durch den illegalen Internetversand zu erklären, vermutete Dr. Rainer Dahlenburg, Apotheker beim Bundeskriminalamt, Wiesbaden. Er vermittelte Einblicke in das breite Spektrum der pharmazeutisch relevanten kriminalistischen Arbeit. Diese betrifft die organisierte Kriminalität mit illegalen Arzneimitteln innerhalb und außerhalb der legalen Vertriebskette. Dahlenburg betonte die enormen Gewinnspannen bei Arzneimittelfälschungen und das große Ausmaß bei weltweiter Betrachtung, das bei der jährlichen Operation Pangea der Zollbehörden von über 100 Staaten deutlich werde. Zum kriminalistischen Aufgabenspektrum gehören außerdem Arzneimittel­missbrauch, Doping im Breiten- und Spitzensport, Rezeptfälschung und Arzthopping. Es sei erstaunlich, wie spät der Missbrauch durch Arzt­hopping anhand der Abrechnungs­daten bei den Krankenkassen auffalle, erklärte Dahlenburg. Die nächste Scheele-Tagung findet vom 9. bis 11. November 2018 in Binz auf der Insel Rügen statt.  |

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