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Arzneimittel und Therapie
Weniger Hüftfrakturen dank einfachem Screening
Fragebogen erfasst ältere Risikopatientinnen
In industrialisierten Ländern erleidet jede dritte über 50-jährige Frau und jeder fünfte über 50-jährige Mann im Lauf seines weiteren Lebens eine osteoporotische Fraktur oder eine Fragilitätsfraktur, meist sind Hüfte, Wirbel, distaler Vorderarm oder Oberarm betroffen. Trotz immenser persönlicher Folgen (Verlust der Selbstständigkeit, Mobilitätsverlust, Morbidität, Mortalität) und sozioökonomischen Belastungen werden flächendeckende, einfache Testmethoden zum Erkennen von Risikopatienten zu selten angewandt. Die Messung der Knochendichte hat eine geringe Sensitivität zur Einschätzung des Frakturrisikos, und ihr Einsatz im Rahmen eines Massenscreenings ist begrenzt. Eine einfache und schnell anwendbare Möglichkeit zur Ermittlung eines Frakturrisikos ist ein Fragebogen (FRAX® = Fracture Risk Assessment Tool; s. Kasten). Dieser Fragebogen wird in vielen Leitlinien empfohlen. In einer englischen prospektiven Kohortenstudie wurden nun Aussagekraft und potenzieller Nutzen überprüft.
Der FRAX®-Fragebogen
Das FRAX®-Tool der WHO ist ein computerbasierter Algorithmus zur Bestimmung des Frakturrisikos von Männern und Frauen. Anhand mehrerer Risikofaktoren wird die Zehn-Jahres-Wahrscheinlichkeit ermittelt, eine osteoporotische Fraktur zu erleiden, wobei neben dem Frakturrisiko auch das Sterberisiko berechnet wird. Folgende klinische Faktoren werden berücksichtigt: Geschlecht, Alter, Body Mass Index, bereits erlittene Fragilitätsfraktur, Hüftfraktur eines Elternteils, gegenwärtiger Tabakkonsum, Einnahme von Glucocorticoiden, rheumatoide Arthritis, sekundäre Osteoporose, täglicher Alkoholkonsum von drei oder mehr Einheiten. Zusätzlich kann die Knochendichte berücksichtigt werden. Da das Frakturrisiko von Land zu Land variiert, bietet die University of Sheffield unter www.sheffield.ac.uk verschiedene Varianten des FRAX®-Tools an. Geben Sie auf DAZ.online in die Suchfunktion den Webcode Y2TW4 ein und Sie gelangen direkt zur Seite mit dem Fragebogen.
Prospektive Kohortenstudie
Die SCOOP-Studie (SCreening for Osteoporosis in Older women for the Prevention of fracture) wurde zwischen 2009 und 2014 an 100 Allgemeinarztpraxen in England durchgeführt. Es nahmen rund 12.500 Frauen im Alter zwischen 70 und 85 Jahren teil. Bei der Hälfte der Frauen wurde das Frakturrisiko mithilfe des FRAX®-Tools und gegebenenfalls anschließender Knochendichtebestimmung ermittelt, bei dem anderen Teil aufgrund der Einschätzung des Arztes. Primärer Studienendpunkt war der Anteil der Frauen, die nach fünf Jahren eine oder mehrere Osteoporose-bedingte Frakturen erlitten hatten. Der sekundäre Endpunkt ermittelte den Anteil der Hüftfrakturen. 898 der gescreenten Frauen erhielten eine Behandlung. Nach einem Jahr hatten 15% der gescreenten Frauen mindestens eine Verordnung für ein Osteoporosemedikament erhalten, in der Kontrolle waren es nur 4%. Die Adhärenz lag nach sechs Monaten bei 78%.
Osteoporose in Deutschland
Eine Umfrage unter 22.344 Personen ab 18 Jahren (12.270 Frauen, 10.074 Männer) zum Vorliegen einer Osteoporose in den letzten zwölf Monaten ergab, dass 7,8% der Frauen und 2,0% der Männer betroffen sind [Fuchs J et al. 2017]. Der Anteil von Personen mit Angabe einer Osteoporose nimmt mit steigendem Alter deutlich zu. Im jungen und mittleren Erwachsenenalter ist die Angabe einer Osteoporose selten: Unter dem 45. Lebensjahr liegt die Prävalenz für beide Geschlechter unter 1%. In der Altersgruppe 45 bis 64 Jahre geben 4,4% der Frauen und 1,9% der Männer eine Osteoporose an. In der Gruppe der ab 65-Jährigen steigt der Anteil der Betroffenen deutlich: knapp ein Viertel der Frauen (24,0%) und 5,6% der Männer sind betroffen. Frauen der Altersgruppen 45 bis 64 und ab 65 Jahren sind dabei signifikant häufiger von Osteoporose betroffen als Männer. Regionale Unterschiede in der Prävalenz der Osteoporose nach Bundesland bestehen nicht.
Weniger Hüftfrakturen
Im Hinblick auf den primären Studienendpunkt wurde zwischen den Gruppen kein signifikanter Unterschied ermittelt und durch das Screening konnte die Gesamtzahl aller Frakturen (Osteoporose-bedingte und klinische Frakturen) nur tendenziell gesenkt werden (HR = 0,94). Hingegen war die Häufigkeit von Hüftfrakturen in der gescreenten Gruppe signifikant geringer als in der Kontrollgruppe (HR = 0,72; p = 0,002); das heißt, durch das Screening und die anschließende Therapie konnte das Risiko einer Hüftfraktur um 28% gesenkt werden. Die Mortalitätsraten beider Gruppen unterschieden sich nicht signifikant. Die Number needed to screen lag bei 111, das heißt, 111 Frauen müssen gescreent und behandelt werden, um einer Frau eine Hüftfraktur zu ersparen. |
Quelle
Shepstone L et al. Screening in the community to reduce fractures in older women (SCOOP): a randomised controlled trial. Lancet 2017, DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(17)32640-5
Fuchs J, Scheidt-Nave C, Kuhnert R. 12-Monats-Prävalenz von Osteoporose in Deutschland. Journal of Health Monitoring 2017;2(3), DOI 10.17886/RKI-GBE-2017-055
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