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Interpharm 2018 – Neues aus der Pipeline
„Endlich ein wirklicher Durchbruch!“
Neue Therapien – innovativ und teuer
Die CAR-T-Zelltherapie ist ein Durchbruch
An erster Stelle stellten die Frankfurter Professoren ein neues Wirkprinzip gegen Leukämie vor, das nicht auf einem „normalen“ Wirkstoff beruht. Bei der CAR-T-Zelltherapie werden autologe T-Zellen gentechnologisch so verändert, dass sie auf ihrer Oberfläche einen gegen CD19 gerichteten chimären Antigenrezeptor (CAR) exprimieren. Dazu werden per Leukapherese T-Zellen aus dem Blut des Patienten isoliert, die im Labor mit dem Gen für einen chimären Antigenrezeptor versehen werden. Die CAR-T-Zellen werden in Kulturen vermehrt und dem Patienten anschließend über eine Infusion zurück übertragen. Das Zelloberflächenprotein CD19 ist ein Marker für B-Zellen und tritt vermehrt bei B-Zell-Leukämien und -Lymphomen auf. Die CART-Zellen attackieren aber auch gesunde B-Zellen. Es besteht die Gefahr überschießender Immuneffekte. Es kann ein sogenanntes Cytokin-Release-Syndrom (CRS) ausgelöst werden, bei dem es zur Ausschüttung großer Mengen an proinflammatorischen Zytokinen kommt. Im Prinzip kann die Therapie bei allen Tumorerkrankungen eingesetzt werden, die sich von B-Zellen ableiten. Dazu gehören Untergruppen der akuten lymphatischen Leukämie (ALL), das multiple Myelom sowie einige Non-Hodgkin-Lymphome. Noch nicht abgeschätzt werden kann, welche Folgen es hat, wenn das Gen für den veränderten T-Zell-Rezeptor irgendwo im Genom integriert wird. Und leider ist die Therapie sehr teuer, ca. 400.000 Euro pro Patient. Diskutiert werden hier neue Bezahlmodelle: Zum Beispiel eine einmalige Zahlung eines fixen Beitrages pro Patient, oder ein „Leasingmodell“, bei dem eine monatliche Zahlung erfolgt – bis zum Tode des Patienten. Auch im Gespräch: ein erfolgsbasiertes Modell, bei dem der Hersteller nur bei kompletter Remission bezahlt wird.
Bispezifischer Antikörper Emicizumab
Ein neuer Ansatz zur Therapie der Hämophilie A ist neben der bisher üblichen Substitutionstherapie mit Faktor-VIII-Präparaten der Antikörper Emicizumab (Hemlibra®). Faktor VIII wird in der Leber produziert und zirkuliert in einer inaktiven Form gebunden an den von-Willebrand-Faktor im Blut. Bei einer Verletzung der Blutgefäße wird Faktor VIII durch Esterasen abgespalten. Nach dieser Aktivierung interagiert Faktor VIII mit Faktor IX und setzt die Blutgerinnungskaskade in Gang. Bei schweren Formen wird den Patienten zwei- bis dreimal in der Woche Faktor VIII intravenös appliziert. Ungefähr 30% entwickeln allerdings inhibitorische Antikörper, so dass Faktor-VIII-Päparate nicht mehr wirken. Der bispezifische Antikörper Emicizumab ist in der Lage, durch gleichzeitige Bindung an die Gerinnungsfaktoren IXa und X diese so in eine räumliche Nähe zueinander zu bringen, dass der Faktor X aktiviert wird. So wird die Funktion des fehlenden natürlichen Faktors VIII übernommen. Eine weitestgehend normale Blutgerinnung kann sichergestellt und das Auftreten von Blutungen reduziert werden. Das Fazit der Referenten: ein Durchbruch ja, da Emicizumab auch wirksam ist, wenn die Patienten gegen den Faktor VIII Antikörper gebildet haben, aber eine sehr teure Therapie, die mit ca. 482.000 Dollar/Jahr zu Buche schlägt.
Vaborbactam schließt eine Lücke
Dringend werden neue Antibiotika gesucht. Ein Hoffnungsschimmer ist Vaborbactam. Der Beta-Lactamase-Inhibitor wird in fixer Kombination mit Meropenem für die Behandlung komplizierter Harnwegsinfektionen eingesetzt. Vaborbactam hat zwar selber keine antibakteriellen Eigenschaften, hemmt aber Beta-Lactamasen und insbesondere Carbapenemasen. Diese sind verantwortlich für Resistenzen gegen Meropenem, das praktisch unwirksam gegen Carbapenemasen-produzierende Erreger ist. Durch die Fixkombination werden die Bakterien und insbesondere Klebsiella pneumoniae empfindlich gegen Meropenem. So kann eine wichtige therapeutische Lücke geschlossen werden.
CGRP als Target in der Migräneprophylaxe
Zwar gibt es in der Therapie von Migräneattacken Fortschritte, in der Prophylaxe gebe es immer noch Therapielücken, so die Referenten. Bei der Suche nach einem entsprechenden Target ist man auf das Neuropeptid Calcitonin gene–related peptide (CGRP) gestoßen. Es wurden monoklonale Antikörper gegen CGRP (Fremanezumab, Galcanezumab) und gegen den CGRP-Rezeptor (Erenumab) entwickelt. Beim vollständig humanen monoklonalen Antikörper Erenumab (Aimovig®), der in klinischen Studien die Anzahl der Attacken im Monat signifikant reduzierte, ist die Hoffnung auf eine Zulassung am größten.
Alternative zum Lebendimpfstoff gegen Gürtelrose
Zur Vorbeugung von Herpes Zoster und postherpetischer Neuralgie steht ein Subunit-Impfstoff gegen Gürtelrose kurz vor der Zulassung. Im Gegensatz zum bisher verfügbaren Lebendimpfstoff (Zostavax®) basiert die Immunogenität von Shingrix® auf einem Antigen des Varizella-Zoster-Virus und einem Adjuvans (ASO1B), das die Immunantwort noch verstärkt. So reduzierte in den Phase-III-Studien eine zweimalige Impfung mit Shingrix® die Inzidenz des Herpes Zoster um 90 bis 97% und die Häufigkeit der postherpetischen Neuralgie um 89%. Diese gute Wirksamkeit lasse auf einen Durchbruch hoffen, wenn da nicht eine relativ hohe Rate an unerwünschten Wirkungen wäre: Lokale Reaktionen an der Impfstelle traten bei fast 80% auf, viele Geimpfte berichteten über systemische Nebenwirkungen wie Myalgien, Müdigkeit, Fieber oder Kopfschmerzen. Ein weiteres Plus für den neuen Impfstoff scheint aber die Möglichkeit zu sein, ihn auch bei Immunsupprimierten anwenden zu können. Der bisher zur Verfügung stehende Lebendimpfstoff sollte nicht bei Patienten eingesetzt werden, die aufgrund einer Erkrankung oder ihrer Medikation immunsupprimiert sind. Ein Einsatz von Shingrix® wäre hier denkbar. Der Humanarzneimittelausschuss der EMA (CHMP) hat sich im Januar 2018 für die Zulassung des Impfstoffes ausgesprochen. |
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