Interpharm 2018 - Auge

Das muss ins Auge gehen!

Tipps, damit Augenarzneimittel richtig wirken

cb | Damit Augenarzneimittel ihre volle Wirksamkeit entfalten können, sind abgabebegleitende Hinweise der Apotheke unerlässlich. Diese Message inklusive zahlreicher nützlicher Tipps konnte das Publikum nach dem Vortrag von Apotheker Dr. Wolfgang Kircher, Peißenberg, nach Hause bzw. an den Arbeitsplatz mitnehmen.
Foto: DAZ/Alex Schelbert
Dr. Wolfgang Kircher

Wie Untersuchungen zeigen, machen Patienten bei der Anwendung von Augenarzneimitteln viele methodische Fehler: Sie berühren Teile des Auges mit der Tropferspitze, ziehen das Unterlid nicht vom Auge ab, neigen den Kopf nicht in den Nacken, applizieren mehr als einen Tropfen oder schließen das Auge nach der Anwendung nicht bzw. versuchen nicht, den Lidschlag zu unterdrücken. Ein weiteres Problemfeld eröffnet sich vielen Patienten bereits lange vor der Applikation des ersten Tropfens bzw. der verordneten Menge der halbfesten Arzneiform: Es gelingt ihnen nicht, die Erstöffnungssicherung zu lösen, das Fläschchen bzw. die Tube zu öffnen oder das Augentropfen-Quetschfläschchen ausreichend zusammenzudrücken. Wie Kircher betonte, kann die Beratung in der Apotheke nicht nur dazu beitragen, dass Augenarzneimittel ihre volle Wirksamkeit entfalten. Sie hilft außerdem, unerwünschte Wirkungen zu vermeiden. Wenn der Patient beispielsweise darauf hingewiesen wird, mit der Tropferspitze Teile des Lids sowie die Wimpern nicht zu berühren, verhindert dies das Eindringen von Keimen in die Zubereitung. Erinnert man den Patienten bei der Abgabe daran, das er das Tränenröhrchen mit der Fingerspitze für ein bis drei Minuten zuzudrücken sollte, lässt sich damit das Risiko systemischer Nebenwirkungen des Arzneistoffs verringern. Dies betrifft insbesondere Antiinfektiva (z. B. mit Ofloxacin, Levofloxacin) oder Antiglaucomatosa (z. B. mit Tafluprost, Dorzolamid) zur Anwendung am Auge.

Unterstützung bereits vor der ersten Anwendung

Älteren oder motorisch eingeschränkten Patienten bereitet das Entfernen der Erstöffnungssicherung sehr häufig Probleme. Handelt es sich um eine Manschette aus klar transparenter Folie oder besitzt sie die gleiche Färbung wie die Schraubkappe, ist sie kaum zu erkennen – ein Problem für visuell eingeschränkte Patienten. Wenn das Ende der Aufreißlasche sehr kurz ist, lässt es sich, insbesondere von ergonomisch eingeschränkten Patienten, nur schwer fassen: Manchmal reißt die Manschette dann nur unvollständig auf. Das Apothekenpersonal sollte anbieten, die Erstöffnungssicherung zu entfernen.

Wenn die Fingerkraft nicht reicht

Eigene Untersuchungen Kirchers hatten gezeigt, dass die Fingerkraft, die zur Freisetzung eines Tropfens aus einem Quetschfläschchen erforderlich ist, zwischen den verschiedenen Mehrdosenbehältnissen stark variieren kann. Die Spanne lag zwischen 5 Newton (N) und 44 N. Die Apotheke könnte hier Unterstützung bieten, indem sie dem Arzt vorschlägt, ein leichter handhabbares Präparat zu verordnen. Falls Rabattverträge beachtet werden müssen, kann die Apotheke austauschen und pharmazeutische Bedenken geltend machen. Ein weiterer nützlicher Tipp zur Verringerung der notwendigen Fingerkraft bei der Applikation ist das Erwärmen des Fläschchens (z. B. in der geschlossenen Hand) auf eine Raum- oder körper­nahe Temperatur. Denn bei höherer Temperatur verringert sich sowohl die Steifheit der Behältniswandung als auch die Viskosität der Zubereitung. Zur Freisetzung eines Tropfens ist dann ein viel geringerer Kraftaufwand nötig. Eigene Messungen Kirchers zeigen, dass die Fingerkraft durch Erwärmung des Behältnisses bis auf die Hälfte reduziert werden kann. So waren in einem Fall bei einem Einzeldosisbehältnis bei 5 °C 36 N zum Zusammendrücken erforderlich, bei 32 °C dagegen nur 17 N. Viele Patienten sind der Ansicht, dass Augentropfen im Kühlschrank aufbewahrt werden müssen. Eine kurze Nachfrage ist in diesem Fall eine effektive Interventionsmöglichkeit, betonte Kircher.

Wissenswertes zu Einzeldosisbehältnissen

Bei Einzeldosisbehältnissen zeigen Untersuchungen des Referenten, dass die Krafterfordernis zum Zusammendrücken auch von der Länge der flexiblen Wand des Behältnisses abhängig ist. Es besteht eine umgekehrte Proportionalität. Fragt ein älterer oder motorisch eingeschränkter Patient nach einem Arzneimittel gegen den Symptomkomplex Trockenes Auge, sollte deshalb aus der Produktvielfalt ein Präparat mit einer möglichst langgezogenen Behältniswand empfohlen werden.

Foto: DAZ/Alex Schelbert
In der Speakers‘ Corner beantworteten die Referenten viele Fragen der Teilnehmer. Hier Dr. Wolfgang Kircher, Dr. Constanze Rémi und Prof. Dr. Dieter Steinhilber (von links)

Patienten und möglicherweise auch Fachkreise sind der Ansicht, dass die Aufbrauchsfrist bei Einzeldosisbehältnissen 24 Monate beträgt. Dies ist jedoch nicht mehr aktuell. Auch im DAC/NRF wurde dieser vormalige Richtwert 2017 gestrichen. In den Packungsbeilagen findet sich entweder eine Aufbrauchsfrist von zwölf Stunden nach Anbruch oder der Hinweis, dass angebrochene Einzeldosisbehälter nicht wieder verwendet werden dürfen.

Viele Einzeldosisbehälter sind heute so konzipiert, dass nach Abdrehen der Öffnungslasche ein kugelförmiger Tropfer sichtbar wird, der viele Vorteile bietet. So ist durch die Kugelform die Verletzungsgefahr geringer, wenn der Patient beim Applizieren versehentlich die Hornhaut berührt. Außerdem ist bei kugelförmigen Tropfern die Abtropffläche konstant; dies reduziert Schwankungen beim Tropfenvolumen

Hilfsmittel und alternative Positionen empfehlen

Hilfreich kann auch die Empfehlung einer mechanischen Applikationshilfe für Augentropfen ein. Einfach und leicht verfügbar ist häufig eine Wimpernzange. Kommerziell über den pharmazeutischen Großhandel lassen sich Hilfsmittel wie Autodrop® oder Autosqueeze® bestellen. Mittlerweile bieten pharmazeutische Firmen auch kostenlose Serviceartikel zum Positionieren und Quetschen von Fläschchen und Einzeldosisbehältnissen an.

Durch eine korrekte Position der applizierenden Hand lässt sich die Griff­stärke ebenfalls variieren. So ermöglicht eine neutrale Handgelenksstellung eine maximale Kraftausübung. Wird die Hand jedoch zu ihrer Innenfläche gebeugt (Palmarflexion), verringert das die Griffstärke um 40%. Eine Streckung des Handrückens (Dorsaltension) ist auch nicht empfehlenswert, sie führt zu einer Reduktion um 20%. Wird das Handgelenk in Richtung Daumen abgewinkelt (Radial­abduktion), reduziert das die Kraft um 15%, in die entgegengesetzte Richtung (Ulnarabduktion) um 20%. Ein hilfreicher Tipp für Patienten, die über Schwierigkeiten beim Quetschen von Augentropfenfläschchen berichten, ist die Empfehlung einer alternativen Fingergriffart. Wird der Spitzgriff (Spitze des Daumens und des Zeigefingers drücken auf das Fläschchen) durch den Schlüsselgriff (Endglied des Daumens drückt auf Mittelglied des abgebogenen Zeigefingers) oder den Dreifingergriff (Endglied des Zeige- und Endglied des Mittelfingers werden auf Endglied des Daumens gedrückt) ersetzt, lässt sich eine 1,3- bis 1,7-fach größere Druckkraft ausüben.

Eine sinnvolle Empfehlung für ältere, motorisch eingeschränkte, wenig kooperative Patienten sowie für Kinder ist die kanthale Applikationstechnik. Darunter versteht man das Eintropfen in den inneren Lidwinkel (Canthus medialis) des Auges durch eine Pflegeperson oder den Patienten selbst. Dieser muss sich dabei in einer völlig waagerechten Position (kein Kopfkissen!) befinden. Zuerst wird der Lidwinkel mit einem sauberen (Einmal-)Tuch von Schmutz oder Sekretresten gesäubert. Nach dem Eintropfen in das geschlossene Auge – unter Zuhilfenahme beider Hände – fließt das Arzneimittel beim Öffnen spontan auf die Horn- und Bindehaut. Der Patient sollte dann das Auge wieder schließen und noch etwa eine Minute in dieser Position bleiben. Untersuchungen haben bei einer Reihe von Wirkstoffen bei der kanthalen Technik keine klinisch relevanten Unterschiede im Vergleich mit der konjunktivalen Deposition gefunden, so Kircher.

Wenn das Fläschchen nicht bis zum Quartalsende reicht

Wenn die Quartalspackung einer Augenarznei bereits einige Tage vor dem nächsten regulären Arzttermin aufgebraucht ist, sind Patienten häufig ratlos oder sie suchen den Fehler beim Arzt, der ihrer Meinung nach zu wenig verordnet hat. Kaum ein Patient würde darauf kommen, dass die Reichweite eines Fläschchens von seiner Neigung beim Abtropfen abhängig ist. „Hier sind sie gefordert“, sagte Kircher und stellte eigene Untersuchungen zu dieser Thematik vor. So reichte beispielsweise die Dreierpackung eines Brimonidin-haltigen Mittels bei senkrechter Positionierung des Fläschchens bei einer durchschnittlichen Tropfengröße von 30 µl etwa 123 Tage. Hielt man das Fläschchen jedoch in einem – hier nicht empfohlenen – 45-Grad-Winkel, vergrößerte sich das Tropfenvolumen auf 34 µl, was die Reichweite bei zweimal täglicher Anwendung in beiden Augen auf ca. 108 Tage reduzierte. |

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