Arzneimittel und Therapie

Fortschritte in der Asthma-Therapie

Neue Leitlinie und neuer Wirkstoff

ck | Die S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma wurde aktualisiert. Neu ist, dass die Kontrolle der Asthma-­Symptome im Mittelpunkt steht.

Lange ist an ihr gearbeitet worden, Ende 2017 haben die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. und die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie gemeinsam mit der Deutschen Atemwegsliga e. V. und der Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie e. V. die neue Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Asthma bronchiale veröffentlicht, die bis 2020 gelten soll. Darin wird Asthma definiert als „eine heterogene, multifaktorielle, meist chronisch-entzündliche Erkrankung der Atemwege. Charakteristisch sind eine bronchiale Hyperreagibilität und eine Obstruktion der Atemwege, was sich durch respiratorische Symptome (Luftnot, Brustenge, Giemen, Husten) äußern kann.“ Unabhängig vom Asthma-Schweregrad liegen der Erkrankung chronische Entzündungen der Atemwege mit strukturellen Umbauprozessen zugrunde, die auf unterschiedliche pathophysiologische Mechanismen zurückzuführen sind. Dazu zählen unter anderem epitheliale und subepitheliale, immunologische, neuromuskuläre sowie vaskuläre Veränderungen. Die Folge ist ein heterogenes Erscheinungsbild, das sich in klinischer, diagnostischer und therapeutischer Hinsicht unterscheidet. Gemeinsam ist den Asthma-Formen die Hyperreagibilität der Atemwege. Neu ist, dass sich die Einteilung auch am Erscheinungsbild orientiert, es wird nicht mehr wie früher nur zwischen allergischem und nicht-allergischem Asthma unterschieden. Anerkannt ist, dass eine atopische Veranlagung (die Bereitschaft zur Produktion von IgE-Antikörpern gegen häufige Allergene) ein prädisponierender Faktor für Asthma ist. Beim allergischen bzw. extrinsischen Asthma kann eine Sensibilisierung gegen typische Allergene nachgewiesen werden. Aber bis zu 50% der Erwachsenen mit Asthma haben keine Allergien. In der Leitlinie wird hierfür der Begriff intrinsisches Asthma verwendet. Eine andere Unterteilung beruht auf dem Vorliegen einer eosinophilen Atemwegsentzündung, hier wird zwischen eosinophilem und nicht-eosinophilem Asthma unterschieden. Das kann bei der Therapie eine Rolle spielen, denn es konnte gezeigt werden, dass Patienten mit nicht-eosinophilem Asthma nur schlecht auf inhalative Cortico­steroide ansprechen. Auch wenn der genaue Grenzwert, ab wann man von einem eosinophilen Asthmas spricht, noch diskutiert wird (150 Eosinophilen/µl oder 300 Eosinophilen/µl), so kann die Anzahl der Eosinophilen im Blut doch einen Hinweis geben, ob bzw. welche Biologika-Therapie sinnvoll ist oder nicht: Eine größere Anzahl erhöht die Wahrscheinlichkeit für das Ansprechen auf eine Therapie, die gegen Interleukin 5 gerichtet ist (Mepolizumab, Reslizumab und Benralizumab), das bei der Aktivierung von Eosinophilen eine entscheidende Rolle spielt. In der Diagnostik sollte daher immer ein Allergietest (Hauttest, Bestimmung von spezifischem IgE im Serum) durchgeführt sowie Gesamt-IgE im Serum und die Zahl der eosinophilen Granulozyten im Blut bestimmt werden.

Neben den genannten Formen gibt es weitere Asthma-Varianten: Patienten mit chronischem trockenem Husten (Cough-variant-Asthma), bei denen die Asthma-Diagnose häufig nicht oder erst spät gestellt wird; eine Aspirin®-Intoleranz beruht auf einer Intoleranz gegenüber Cyclooxygenase-1-Hemmern wie Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen. Kommt es ausschließlich bei Belastung zu einer Atemwegs­obstruktion, so spricht man von einer Anstrengungs-induzierten Broncho­konstriktion.

Abb. 1: In der Langzeitbehandlung ist es durch stufenweises Vorgehen möglich, eine gute Asthma-Kontrolle zu erreichen. In der aktuellen Leitlinie wird betont, dass die Therapie-Stufen nicht dem Asthma-Schweregrad zugeordnet sind. Die Auswahl der Medikation orientiert sich am aktuellen Stand der Asthma-Kontrolle [nach: S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma].

Therapieziel Asthma-Kontrolle

Ziel jeder Therapie ist es, eine Asthma-Kontrolle zu erreichen (siehe Kasten „Asthma-Schweregrade“). Diese umfasst die Kontrolle der Symptome sowie eine möglichst minimale Anzahl an Exazerbationen und Arzneimittelnebenwirkungen. Laut Leitlinie soll die Therapie in Stufen verlaufen (siehe Abb. 1). Dabei wird die Therapie intensiviert, falls mit der bestehenden Medikation die Symptome nicht ausreichend kontrolliert werden können. Häufige Symptome tagsüber (z. B. mehr als zweimal in der Woche Husten, Atemnebengeräusche oder Atemnot), nächtliche Beschwerden, ein vermehrter Bedarf an rasch wirkenden Bronchodilatatoren oder eingeschränkten Alltagsaktivitäten deuten darauf hin. Ist bei einem neu dia­gnostizierten Asthma der Schweregrad der Erkrankung noch nicht bekannt, gibt es laut der Leitlinie zwei Konzepte: Bei der Step-down-Therapie orientiert sich die initiale Therapie an einem höheren als dem wahrscheinlichen Schweregrad. So soll möglichst rasch das Asthma kontrolliert werden. Nach Besserung der Beschwerden wird die Medikation für die Langzeittherapie an den tatsächlichen Schweregrad angepasst. Bei der Step-up-Therapie wird die Behandlung mit einer dem wahrscheinlichen Schweregrad entsprechenden Medikation begonnen und dann im Verlauf an den tatsächlichen Bedarf angepasst erhöht. Die klinischen Ergebnisse beider Strategien sind ähnlich. Die fünf Stufen im Therapieschema entsprechen einer steigenden Intensität der Therapie. Standardtherapie der ersten Stufe ist die Inhalation eines kurzwirksamen β2-Sympatho­mimetikums (SABA), aber auch niedrig dosierte inhalative Corticosteroide (ICS) können schon eingesetzt werden. Aber nicht jeder Asthma-Patient solle automatisch ein ICS erhalten, so der Pulmologe Prof. Dr. Marek Lommatzsch, es gibt keinen Grenzwert, ab wann eine ICS-­Dauertherapie beginnen soll. Laut Leitlinie solle ab Stufe 2 eine regel­mäßige ICS-Langzeittherapie erfolgen. In Stufe 3 soll bei erwachsenen Asthma-Patienten bevorzugt eine freie oder fixe Kombination aus einem niedrigdosierten ICS und einem inhalativen langwirkenden β2-Sympatho­mimetikum (LABA; Formoterol, Salmeterol) oder alternativ ein inhalatives Corticosteroid in mittlerer Dosis eingesetzt werden. Langwirkende β2-Sympathomimetika sollten kombiniert mit einem ICS eingesetzt werden, nicht als Monotherapie. In der Stufe 4 werden inhalative Corticosteroide in mittlerer bis hoher Dosis in freier oder fixer Kombination mit einem LABA gegeben. Zusätzlich zur Medikation der Stufe 4 sollen in der Therapiestufe 5 Tiotropium und/oder Biologika (Anti-IgE [Omalizumab] oder Anti-IL-5 [Mepolizumab, Reslizumab, Benralizumab]) eingesetzt werden, wenn zuvor entsprechende Biomarker (IgE-Spiegel, Eosinophilen-Konzentration) bestimmt wurden. Da eine Langzeittherapie mit systemischen Glucocorticosteroiden mit der Gefahr schwerer Nebenwirkungen einhergeht, soll sie intermittierend oder dauerhaft in der niedrigsten noch effektiven Dosis nur dann empfohlen werden, wenn Biologika nicht indiziert sind bzw. keine Asthma-Kontrolle mit anderen Therapieoptionen erreicht werden kann, so die Leitlinie: „Ziel ist die Erhaltung der Asthma–Kontrolle mit der geringstmöglichen Zahl antiasthmatischer Wirkstoffe in niedrigstmöglicher Dosis.“

Asthma-Schweregrad

  • leicht: gute Asthma-Kontrolle unter Medikation der Therapie-Stufe 1 oder 2 (s. Abb. 1) erreichbar
  • mittelgradig: gute Asthma-Kontrolle unter Medikation der Therapie-Stufe 3 oder 4 erreichbar
  • schwer: nicht gut kontrolliertes Asthma unter hochdosierter Therapie mit inhalativen Corticosteroiden und ICS-LABA-­Therapie oder Verlust der Asthma-Kontrolle bei Reduktion dieser hochdosierten ICS-LABA-Therapie; Notwendigkeit der Therapie-Stufe 5

Quelle: Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma

Auch Apotheker sind gefordert

Das A und O, um erfolgreich ein Asthma zu kontrollieren, ist die konsequente und korrekte Applikation der verordneten Wirkstoffe. Konkret bedeutet das eine richtige Anwendung der Inhala­tionssysteme. In der Leitlinie wird betont, dass in Abstimmung mit dem Patienten ein geeignetes Inhalationssystem ausgewählt und die korrekte Technik beim Inhalieren regelmäßig überprüft werden soll. In die Schulung der Inhalationstechnik soll das Apothekenpersonal eingebunden werden, auch die Überprüfung der Asthma-Medika­tion durch Apotheker kann hilfreich sein, so die Leitlinie. Die Technik, mit der inhaliert wird, entscheidet darüber, ob der applizierte Wirkstoff wirklich am Wirkort – den Bronchien – ankommt. In der Leitlinie wird folgendes Vorgehen konkret empfohlen:

  • Dosieraerosol (mit/ohne Spacer): langsame tiefe Inspiration, anschließend Atempause (je kleiner die Teilchen, desto länger – bis zu zehn Sekunden)
  • Pulverinhalator: rasches tiefes Einatmen, der Maximalfluss soll möglichst früh in der Inspiration erreicht werden, anschließend eine Atempause (bis zu zehn Sekunden)
  • Vernebler: langsame tiefe Inspiration.

Erster IL-5-Rezeptor-Inhibitor

Neben den bereits bestehenden Therapiemöglichkeiten werden gerade für schweres Asthma immer wieder neue Optionen gesucht. Als Fortschritt gilt hier Benralizumab (Fasenra®), das seit 22. Februar 2018 zur Verfügung steht. Im Vergleich zu den monoklonalen Antikörpern Mepolizumab und Reslizumab, die an Interleukin 5 (IL-5) binden und die IL-5-Signaltransduktion über den Rezeptor auf der Zelloberfläche von eosinophilen Granulozyten verhindern, bindet der humanisierte, monoklonale Antikörper mit hoher Affinität und Spezifität an die Alpha-Untereinheit des IL-5-Rezeptors, der spezifisch auf Eosinophilen und Basophilen exprimiert wird (siehe Abb. 2). Durch eine verstärkte antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität kommt es zur Apoptose von Eosinophilen und Basophilen, als Folge wird die eosinophile Entzündung reduziert. Vor einer Behandlung mit Benralizumab sollten mindestens zweimal über 300 Eosinophilen/μl Blut außerhalb von Exazerbationen in den letzten zwölf Monaten nachgewiesen worden sein. Innerhalb von 24 Stunden nach der ersten Dosis Benralizumab kommt es zu einer nahezu vollständigen Depletion der Eosinophilen, die über die gesamte Behandlungsperiode erhalten bleibt. Ohne weitere Behandlung hätten die Patienten nach drei Monaten wieder die ursprüngliche Anzahl an Eosinophilen im Blut.

Abb. 2: Benralizumab ist ein anti-eosinophiler monoklonaler Antikörper, der an die Alpha-Untereinheit des Interleukin-5-Rezeptors auf Eosinophilen bindet. Folge ist eine verstärkte zellvermittelte Zytotoxizität, die zur Apoptose von Eosinophilen und Basophilen führt.

Zugelassen ist der Antikörper als Add-on-Erhaltungstherapie bei Erwachsenen mit schwerem eosinophilem Asthma, das trotz hochdosierten ICS plus LABA nur unzureichend kontrolliert ist. Die empfohlene Dosis von Benralizumab beträgt 30 mg als subkutane Injektion, die von medizinischem Fachpersonal verabreicht werden soll. Die ersten drei Injektionen werden im Abstand von vier Wochen gegeben, danach alle acht Wochen. Es wurden drei zulassungsrelevante Phase-III-Studien durchgeführt: die Exazerbationsstudien SIROCCO und CALIMA sowie die ZONDA-Studie zur Reduktion oraler Corticosteroide. SIROCCO und CALIMA schlossen Patienten mit schwerem unkontrolliertem Asthma ein, die trotz der Gabe oraler oder systemischer Corticosteroide sowie LABA eine reduzierte Lungenfunktion aufwiesen, ZONDA Asthma-Patienten, die zusätzlich zu regelmäßig angewendeten hochdosierten ICS und LABA täglich orale Corticosteroide einnahmen. Die Behandlungsdauer betrug 48 Wochen (SIROCCO), 56 Wochen (CALIMA) bzw. 28 Wochen (ZONDA). Die jährliche Asthma-Exazerbationsrate konnte im Vergleich zu Placebo reduziert werden, und es waren weniger Notfallbehandlungen und Krankenhausaufenthalte wegen Exazerbationen notwendig. In der ZONDA-Studie konnte unter Benralizumab während der Wochen 24 bis 28 im Vergleich zum Ausgangswert der Bedarf an oralen Corticosteroiden deutlich reduziert werden.

Die Therapie mit Benralizumab ist als Langzeitbehandlung angelegt, mindestens einmal im Jahr sollte die Anzahl der Eosinophilen bestimmt und anhand der aufgetretenen Exazerbationen darüber entschieden werden, ob die Therapie fortgeführt wird. Benralizumab sollte nicht zur Behandlung von akuten Asthma-Exazerbationen angewendet werden. Es wurde ein gutes Verträglichkeitsprofil unter 30 mg Benralizumab beobachtet. In dem bisher überschaubaren Zeitrahmen von 48 bis 56 Wochen waren Anzahl und Art unerwünschter und schwerer unerwünschter Ereignisse ähnlich wie unter Placebo. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen (8%) und Pharyngitis (3%). Da Eosinophile bei der Immunantwort auf Infektionen mit Würmern eine Rolle spielen, sollte eine Helminthen-Infektion vor der Therapie mit Benralizumab behandelt werden. |

Quelle

Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma. S2k-Leitlinie, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. und der Deutschen Atemwegsliga e. V. und unter Beteiligung der Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie e. V. und der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie. AWMF-Registernummer 020-009, Stand: Februar 2018, www.awmf.de

Fachinformation Fasenra® 30 mg Injektionslösung, Fertigspritze, Stand Januar 2018

Dr. Hartmut Timmermann, Schwerpunktpraxis Colonnaden, Hamburg, Prof. Dr. Marek Lommatzsch, Universitätsmedizin Rostock, Einführungs-Pressekonferenz, 24. Januar 2018, Frankfurt/Main, veranstaltet von der AstraZeneca GmbH, Wedel

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