Prisma

Blastoiden statt Blastozysten

Grundlagenforschung für die Reproduktionsmedizin

cae | Die Erschaffung von Organo­iden, die mit ihrem Gewebe den natürlichen Organen ähneln, ist schon Routine, doch nun haben niederländische Stammzellforscher erstmals ein Blastoid erschaffen. Blastoiden sollen künftig vor allem bei reproduktionsmedizinischen Experimenten zum Einsatz kommen.

Nachdem die befruchtete Eizelle (Zygo­te) sich fünfmal geteilt und zur 32-zelligen Morula („kleine Maul­beere“) gewandelt hat, entwickelt sie sich zur Blastozyste, die durch einen Hohlraum und zwei verschiedene Stammzell­typen gekennzeichnet ist: Die äußeren Zellen bilden den Trophoblasten, aus dem sich ein Großteil der Plazenta ­entwickelt; die inneren Zellen bilden den Embryoblasten, die Urform des Embryos. Diese Stamm­zellen werden bereits seit Jahrzehnten als Zelllinien in vitro kultiviert.

Grafik: Science Photo Library/Asklepios Medical Atlas
Eine Blastozyste (rechts) nistet sich in einen Uterus ein. Dabei steuern die Embryoblastenzellen (blau) das Verhalten derjenigen Trophoblastenzellen, die direkt mit der Gebärmutterschleimhaut (rosa) Kontakt haben. Durch manipulierbare Blastoiden ­lassen sich dieser Prozess und seine gezielte Variation in vitro erforschen.

Wissenschaftlern des „Hubrecht Instituut“ für Entwicklungsbiologie und Stammzellforschung in Utrecht ist nun ein entscheidender Fortschritt gelungen: Sie haben Embryo- und Tropho­blastenzellen der Maus zusammengebracht und anschließend so stimuliert, dass sie sich zu festen Zellverbänden formierten und gemeinsam den Prozess der Blastogenese in Gang setzten. Die durch diese Manipulation entstandenen Blastoiden ähneln natürlichen Blastozysten. So können die Blastoiden in den Uterus einer Maus eingepflanzt werden, worauf diese alle Symptome einer Schwangerschaft zeigt, obwohl sich kein lebensfähiger Embryo ent­wickelt.

Bei der selbstständigen Einnistung (Nidation) eines Blastoids in den Uterus vollzieht sich eine intensive Kommunikation zwischen den beiden Zell­typen. Die Embryoblasten geben dabei den Ton an; sie senden den Trophoblasten die Signale für die Proliferation und für die Synthese bestimmter Enzyme, die zur Nidation erforderlich sind. Die genaue Erforschung dieser „Sprache“ ist das Ziel künftiger Ex­perimente. Da Embryoblasten- und Trophoblastenzellen, die unterschied­liche genetische Merkmale aufweisen, bei der Eschaffung von Blastoiden miteinander kombiniert werden können, ist zu erwarten, dass sich genetische Risikofaktoren für das Missglücken der Nidation – und folglich für Unfruchtbarkeit – finden lassen. Zudem könnten Wirkstoffe, die eine erfolgreiche Nidation fördern, in vitro entdeckt und erforscht werden; somit würden für diesen Erkenntnisgewinn weniger Versuchstiere verbraucht.

Derzeit schlagen zwei von drei medizinischen In-vitro-Fertilisationen fehl. Dies belastet die betroffenen Frauen und ihre Partner psychisch und finanziell. Die Autoren sind optimistisch, dass ihre Experimente die Reproduk­tionsmedizin voranbringen werden – auch wenn sie mit Mäusezellen arbeiten. |

Quelle

Rivron NC et al. Blastocyst-like structures generated solely from stem cells. Nature 2018;557:106-111

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.