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Arzneimittel und Therapie
Glibenclamid ist keine gute Alternative
Studie unterstreicht Leitlinienempfehlungen bei Gestationsdiabetes
Im Jahr 2016 waren mehr als 5% der Schwangeren in Deutschland von einem Gestationsdiabetes betroffen. Dieser birgt sowohl für die betroffenen Frauen als auch für ihre Kinder während und nach der Schwangerschaft Risiken. So kommt es häufiger zu Frühgeburten, Kaiserschnitten und Präeklampsie („Schwangerschaftsvergiftung“). Bei den Säuglingen tritt oftmals eine Makrosomie (Großwuchs), eine Hyperbilirubinämie oder eine neonatale Hypoglykämie auf.
Insulin – das Mittel der Wahl
Ein Gestationsdiabetes wird mit einem oralen Glucose-Toleranztest in der Regel zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche (SSW) festgestellt. Nach Diagnosestellung ist eine Ernährungsumstellung notwendig: Die Kohlenhydratzufuhr sollte bevorzugt durch Lebensmittel mit hohem Ballaststoffanteil und niedrigem glykämischem Index gedeckt und die Nahrungsaufnahme auf fünf Mahlzeiten am Tag verteilt werden. Wenn hiermit – und trotz regelmäßiger körperlicher Bewegung – die Blutzuckerwerte nicht ausreichend gesenkt werden können, gilt Insulin als Mittel der ersten Wahl.
Nachdem im Jahr 2000 eine Studie gezeigt hatte, dass Glibenclamid eine ähnlich gute glykämische Kontrolle erlaubt wie Insulin, wird der Sulfonylharnstoff in den USA als Alternative bei Gestationsdiabetes häufig off-label eingesetzt. In Europa ist dies bisher nicht der Fall. Vielmehr wird in der deutschen S3-Leitlinie explizit davon abgeraten, den Sulfonylharnstoff in der Schwangerschaft anzuwenden.
Eine multizentrische Nichtunterlegenheitsstudie in Frankreich verglich nun prospektiv Glibenclamid mit Insulin bei Patientinnen mit Gestationsdiabetes. Insgesamt wurden die Daten von 809 Schwangeren in einer Per-Protocol-Analyse ausgewertet. Hiervon hatten 367 Glibenclamid und 442 Insulin erhalten. Bei den Frauen wurde im Durchschnitt in der 26. SSW die Diagnose Gestationsdiabetes gestellt und in der 32. SSW mit der antidiabetischen Therapie begonnen, wenn eine Ernährungsumstellung nicht ausreichte. Untersucht wurde die Häufigkeit von Schwangerschaftskomplikationen. Dazu wurde als primärer zusammengesetzter Endpunkt eine Makrosomie der Säuglinge (≥ 4000 g oder über der 90. Perzentile des Gestationsalters), eine neonatale Hypoglykämie oder eine Hyperbilirubinämie definiert.
Keine Nichtunterlegenheit
Bei 27,6% der Säuglinge der Glibenclamid-Gruppe und bei 23,4% der Insulin-Gruppe trat der primäre Endpunkt auf. Trotz der geringen Differenz von 4,2% konnten die Kriterien für eine Nichtunterlegenheit der Glibenclamid-Behandlung nicht erreicht werden. Allerdings wurde unter der Therapie mit Glibenclamid eine bessere glykämische Kontrolle als unter der Insulin-Therapie erzielt. Jedoch erlitten die Schwangeren unter Glibenclamid häufiger eine Hypoglykämie. Auch bei den Säuglingen war die höhere Komplikationsrate unter dem Sulfonylharnstoff vor allem auf neonatale Hypoglykämien zurückzuführen.
Fazit: Insulin ist und bleibt Mittel der Wahl bei Gestationsdiabetes.Allerdings bleiben Fragen offen hinsichtlich des optimalen Dosierungsschemas von Glibenclamid und möglichen Langzeiteffekten auf die Nachkommen. |
Quelle
Sénat MC et al. Effect of glyburide vs subcutaneous insulin on perinatal complications among women with gestational diabetes. A randomized clinical trial. JAMA 2018;319(17):1773-1780
Coustan DR, Barbour L. Insulin vs glyburide for gestational diabetes. JAMA 2018;319(17):1769-177
Deutsche Diabetes Gesellschaft und Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. S3-Leitlinie Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge. 2018; 2. Auflage. AWMF-Registernummer: 057–008; Abruf am 05. Juli 2018
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