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Wirtschaft
Eine Wanne voller Geld?
Hintergründe zur Diskussion um das Großhandelshonorar
Die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) sieht als Honorierung des pharmazeutischen Großhandels für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel einen wertabhängigen Zuschlag von höchstens 3,15 Prozent auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers und einen Festzuschlag von 70 Cent pro Packung vor. Der prozentuale Zuschlag ist auf 37,80 Euro gedeckelt. Bei Herstellerabgabepreisen über 1200 Euro steigt also die Großhandelsvergütung nicht über 38,50 Euro.
Skonto-Urteil
Der Bundesgerichtshof hat am 5. Oktober 2017 geurteilt, dass diese Regelung nach der bisher geltenden Rechtslage insgesamt nur einen Höchstpreis vorschreibt. Denn nach dem Wortlaut der AMPreisV „darf“ der Großhandel „höchstens“ den genannten Zuschlag erheben. Demnach kann der Großhandel auf den prozentualen und auf den festen Zuschlag ganz oder teilweise verzichten. Rabatte und Skonti auf den Höchstpreis können frei zwischen Apotheken und Großhändlern ausgehandelt werden. Da in den ersten Instanzen des Rechtsstreits das Wesen des Skontos im Mittelpunkt stand, wird das Urteil auch „Skonto-Urteil“ genannt.
Neuer Gesetzentwurf
Das Urteil hat schon unmittelbar nach seiner Verkündung sowohl Zustimmung als auch Kritik ausgelöst. Insbesondere aus Kreisen der Politik wurde angeführt, dass die Verordnung so nicht gemeint gewesen sei. Vielmehr solle der Festzuschlag von 70 Cent tatsächlich „fest“ und nicht rabattierbar sein. Daraufhin möchte Gesundheitsminister Spahn nun mit dem TSVG die AMPreisV so umformulieren, dass der Großhandel ein nicht rabattfähiges Fixum erhält.
Gemäß dem Gesetzentwurf soll die Höhe des Fixums bei 70 Cent bleiben, aber auch darüber wird gelegentlich diskutiert. Der Pharmagroßhändler Gehe fordert in seinem jüngsten Whitepaper 96 Cent bei gleichbleibendem prozentualem Zuschlag (S. 9). 96 Cent finden sich auch im Honorargutachten, das im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt wurde. Doch wird dort nur ein minimaler prozentualer Zuschlag von 0,53 Prozent empfohlen, weil dem prozentualen Zuschlag dort nur die Finanzierungskosten zugeordnet werden, nicht jedoch andere wertabhängige Kosten wie Schwund, Verfall oder umsatzabhängige Beiträge. Im Mittelpunkt steht also die Frage, ob der Festzuschlag wirklich „fest“ sein soll, wie es der neue Gesetzentwurf vorsieht. Im nächsten Schritt wäre dann allerdings zu fragen, ob 70 Cent noch angemessen sind.
Marktwirtschaftliche Sicht
Bei der geltenden Rechtslage stellen die Großhandelszuschläge der AMPreisV nur noch Rechengrößen dar. Sie dienen dazu, die festen Apothekenverkaufspreise für die „Endkunden“, also Krankenkassen oder selbstzahlende Patienten, zu berechnen. Außerdem bieten die so ermittelten Apothekeneinkaufspreise eindeutige Bezugsgrößen für Rabatte und Skonti. Doch die tatsächlich gezahlten Einstandspreise der Apotheken sind den Marktkräften zwischen Apotheken und Großhändlern ausgesetzt, allerdings mit der Begrenzung durch Höchstpreise.
Das wichtigste Argument dafür ist, dass Vollkaufleute auf beiden Seiten des Vertrags keinen staatlichen Schutz benötigen, während die Patienten schutzbedürftig sind. Außerdem soll der Großhandel Apotheken mit Funktionsrabatten für kostensparendes Bestellverhalten angemessen honorieren können.
Versorgungsauftrag im Blick
Doch auch der Großhandel hat einen gesetzlichen Versorgungsauftrag und kann daraus ebenso wie die Apotheken eine Verpflichtung des Staates ableiten, den Rahmen für eine angemessene Honorierung zu schaffen. Dies spricht für ein gewisses Fixum, mit dem die Erfüllung besonderer Pflichten honoriert wird. Dazu gehören die Lieferung auch in entlegene Gebiete, die Verpflichtung auf ein Vollsortiment, die Abwicklung von Rückrufen und die besonderen Maßnahmen für Betäubungsmittel, Kühlware, Hochpreiser und andere anspruchsvolle Fälle. Hinzu kommt die Analogie zu den Apotheken. Das Kombimodell für die Apothekenhonorierung wurde 2004 eingeführt, weil die wertabhängige Honorierung begrenzt werden sollte, damit hochpreisige Arzneimittel nicht noch teurer werden. Außerdem sollte berücksichtigt werden, dass ein Teil der Kosten in Apotheken – insbesondere für die Beratung – von der Zahl der abgegebenen Packungen abhängt. Dies gilt mit Einschränkungen auch für den Großhandel. Durch die Deckelung des Festzuschlags sind überhöhte Zuschläge für Hochpreiser allerdings ausgeschlossen. Anders als in Apotheken fallen viele Kosten des Großhandels eher pro Bestellzeile als pro Packung an. Dies kann jedoch über die AMPreisV nicht abgebildet werden. Packungsbezogene Zuschläge sind damit eher eine Hilfskonstruktion, die sich der tatsächlichen Kostenstruktur annähert. Doch mehr ist ohnehin nicht möglich, denn sowohl beim Großhandel als auch in Apotheken gibt es viele Fixkosten, die im Kombimodell nur auf dem Umweg über das packungsbezogene Honorar gedeckt werden können.
Vor diesem Hintergrund liegt ein gesichertes Fixum für den Großhandel nahe. Wer in einem geregelten Markt arbeitet, kann auch Gegenleistungen erwarten. Der jüngste Gesetzentwurf aus dem Gesundheitsministerium kann daher auch als Bekenntnis zu diesem System verstanden werden. Außerdem erklären die oben beschriebenen Zusammenhänge, weshalb Grundversorger besonders an einem solchen Fixum interessiert sind. Denn Einerpositionen sind in der Handhabung vergleichsweise teuer, können aber durch ein packungsbezogenes Fixum finanziert werden.
Großhändler, die öfter mehrere Packungen derselben Artikel gleichzeitig liefern, können anders kalkulieren und sind auf ein solches Fixum weniger angewiesen.
Folgen einer Neuregelung
Bei einer Änderung der AMPreisV sollten allerdings auch die Folgen berücksichtigt werden. Dann würde der Streit über die Höhe von Rabatten und Skonti, der gerade erst durch das Skonto-Urteil beigelegt wurde, wieder aufflammen. Dabei ging es um die Konditionen des Großhändlers AEP, bei denen die Summe aus Rabatt und Skonto höher als die 3,15 Prozent preisabhängiger Zuschlag sind. Damit stellt sich die Frage, ob 3,15 Prozent nur als Rabattgrenze gelten und ob darüber hinaus Skonti zulässig sind. In der Begründung des jüngsten Gesetzentwurfes steht dazu: „Durch die Änderung wird klargestellt, dass der Großhandel den Festzuschlag von 70 Cent […] zwingend aufschlagen muss und auf diesen Betrag keine Rabatte oder Skonti gewähren kann.“ Demnach wären auch Skonti begrenzt. Allerdings ist dies nicht der Verordnungstext, sondern nur die Begründung, und erfahrungsgemäß entwickeln die Marktteilnehmer viel Fantasie bei neuen Gestaltungen von Konditionen. Darum sind neue Rechtssteitigkeiten vorstellbar.
Hinzu kommen die Folgen für die Apotheken. Vor dem Skonto-Urteil hatten Beobachter erhebliche Einbußen für viele Apotheken vorhergesagt, falls es zu einer Deckelung der Rabatte kommen würde. Diese würden demnach auch drohen, wenn der jüngste Gesetzentwurf umgesetzt wird. Sie würden voraussichtlich primär sehr umsatzstarke Apotheken treffen, deren Existenz nicht bedroht ist. Außerdem ist mit einer gewissen Kompensation durch andere Konditionen zu rechnen. Doch grundsätzlich belastet jede Einbuße die Leistungsfähigkeit des Apothekensystems.
Ausblick
Im nächsten Schritt sollte bedacht werden, ob ein Festzuschlag von 70 Cent angemessen ist. Dies läuft auf die Frage hinaus, welchen Teil des Großhandelsgeschäfts der Staat für schutzbedürftig im Interesse der flächendeckenden Versorgung hält und welcher Teil freien Preisverhandlungen ausgesetzt sein soll. Dies ist eine schwierige Abwägung.
Doch unabhängig von der Höhe des Festzuschlags ist die nun geplante Festschreibung ein politisches Signal für weniger Markt in der Arzneimittelversorgung. Dies stärkt auch die Preisbindung für die betroffenen verschreibungspflichtigen Arzneimittel auf der Patientenseite. Denn letztlich ist die AMPreisV ein komplexes System, bei dem alle Komponenten miteinander zusammenhängen. Das gilt für die Preisberechnung ebenso wie für die politischen Argumente. |
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