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Beratung

Mega-Hitze in Deutschland

Hochsommerliches Wetter kann Patienten und Arzneimitteln zu schaffen machen

Über einen schlechten Sommer können wir uns in diesem Jahr nicht beklagen: Schon seit Wochen ist es sonnig und überwiegend trocken. Doch die aktuelle Hitzewelle kann vor allem für Kinder und ältere Menschen zur Belastung werden. Deshalb sollten sie ihren Tagesablauf den Temperaturen anpassen und vor allem auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten. Auch Arzneimittel sollten im Sommer vor Hitze geschützt werden. | Von Martina Schiffter-Weinle

Deutschland ächzt unter einer Hitzewelle. Bereits die Monate April, Mai und Juni waren überdurchschnittlich warm. Der Juli setzt nun noch einen drauf. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hat für große Teile Deutschlands Hitzewarnungen aufgrund starker Wärmebelastung herausge­geben. Das bedeutet, dass in den betroffenen Gebieten die gefühlte Temperatur mindestens zwei Tage hintereinander bei 32 °C liegt und es zudem in der Nacht nur mäßig abkühlt.

Der Körper regelt seine Temperatur selbst

Normalerweise ist der menschliche Körper in der Lage, seine Temperatur konstant zu halten und so die Stoffwechselvorgänge innerhalb des Körpers unabhängig von äußeren Temperaturschwankungen zu machen. Die Temperaturregulation erfolgt, je nach Erfordernis, durch eine gesteigerte Wärmeproduktion oder eine gesteigerte Wärmeabfuhr. Bei einer erhöhten Körpertemperatur, z. B. während einer Hitzeperiode im Sommer, verstärkt der Körper die Hautdurch­blutung, um mehr Wärme abzustrahlen, und steigert die Schweißproduktion. Auch Hecheln, wie z. B. bei Hunden, kann die Wärmeabfuhr steigern. Gefährlich wird es, wenn der Körper bei einer zu hohen Wärmezufuhr von außen nicht mehr in der Lage ist, ausreichend gegenzuregulieren und es zu einem Anstieg der Körpertemperatur auf über 39,5 °C bis 40 °C kommt. Eine solche Erwärmung kann lebensbedrohlich werden.

Große Hitze belastet den Körper

Vor allem Säuglinge und kleine Kinder sowie ältere Menschen können die äußeren Temperaturen nur schwer ausgleichen. Während bei Babys das Vermögen, zu schwitzen, erst unzureichend vorhanden ist, läuft bei älteren Menschen die Temperaturregelung langsamer. Gerät die Körpertemperatur außer Kontrolle und steigt rasch an, besteht die Gefahr eines Hitzeschlags, der sich durch ungewöhnliche Unruhe, eine heiße, rote, trockene Haut, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Schläfrigkeit, starkes Durstgefühl, Verwirrtheit, Krampfanfälle und eine Eintrübung des Bewusstseins bis zur Bewusstlosigkeit bemerkbar machen kann und lebensgefährlich ist. Ein erhöhtes Risiko haben auch chronisch Kranke und Patienten mit einer Herzerkrankung oder Bluthochdruck. Zudem kann die Einnahme bestimmter Arzneimittel die Fähigkeit zur Hitzeadaption negativ beeinflussen. Dazu gehören beispielsweise:

  • Diuretika, besonders Schleifendiuretika (Furosemid)
  • Sulfonamide
  • Medikamente, deren Pharmakokinetik durch Wasser­mangel beeinträchtigt werden könnte, insbesondere Lithiumsalze, Antiarrhythmika, Digoxin, Antiepileptika, bestimmte orale Antidiabetika (Biguanide, Sulfonylharnstoffderivate), Lipidsenker (Statine und Fibrate)
  • Medikamente gegen Reisekrankheiten (z. B. Antihistaminika, Scopolamin)
  • miktionsbeeinflussende Spasmolytika (Oxybutynin, Tolterodin, Trospium)
  • Neuroleptika, einschließlich atypische Antipsychotika
  • Antihypertonika, z. B. Betarezeptorenblocker, ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten
  • Schilddrüsenhormone
  • Psychopharmaka

An heißen Tagen ausreichend trinken

An heißen Tagen und bei großer körperlicher Anstrengung schwitzt der Körper vermehrt. Dadurch werden mehr Flüssigkeit und Mineralstoffe ausgeschieden. Deshalb sollte generell auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden. Pflegebedürftige und ältere Menschen haben oft ein mangelndes Durstgefühl, Kinder vergessen häufig das Trinken. Ausreichende Flüssigkeitszufuhr bedeutet an normalen Tagen eine Trinkmenge von circa 1,5 bis 2 Liter pro Tag. An heißen Tagen sollte man zusätzlich 1 bis 2 Liter Flüssigkeit zu sich nehmen, z. B. stilles oder Mineralwasser, Fruchtsaftschorlen (aus drei Teilen Wasser und einem Teil Saft), abgekühlte Früchte- und Kräutertees. Getränke mit Alkohol oder viel Zucker können den Körper austrocknen und sind deshalb nicht empfehlenswert. Die Getränke sollten nicht zu kalt sein, ansonsten können Magenbeschwerden auftreten. Zudem muss der Körper mehr arbeiten, um die Flüssigkeit auf Körpertemperatur zu erwärmen. Um den Überblick zu behalten, kann man sich die Tagesmenge an Getränken morgens sichtbar bereitstellen.

Die Mittagshitze meiden

In den Mittags- und Nachmittagsstunden sind die Temperaturen und die Belastung für den Körper am höchsten. Deshalb sollte man nach Möglichkeit den Tagesablauf der Hitze anpassen und Tätigkeiten im Freien auf die Morgen- und Abendstunden beschränken. Auf starke körperliche Belastung sollte man verzichten. Kinder sollten sich in der Zeit der intensivsten Sonnenstrahlung, zwischen 11.00 und 15.00 Uhr, möglichst im Haus oder zumindest im Schatten aufhalten. Starke Sonneneinstrahlung kann, wenn sie über einen längeren Zeitraum direkt auf den ungeschützten Kopf trifft, zu einer Reizung der Hirnhäute führen. Ein Sonnenstich mit Symptomen, die einer Hirnhautentzündung ähneln (z. B. Kopfschmerzen, Übelkeit, Abgeschlagenheit), ist die Folge. Bei ersten Anzeichen eines Sonnenstichs sollte man die betroffene Person an einen kühlen Ort bringen und trinken lassen. Ein kalter Waschlappen auf dem Gesicht, im Nacken oder als Wadenwickel sorgt für zusätzliche Kühlung. Bei Erbrechen, Fieber oder starken Kopfschmerzen muss sofort ein Arzt aufgesucht werden, denn auch ein Sonnenstich kann lebensgefährlich sein.

Hitze-Tipps für Ihre Patienten

  • „Trinken Sie an heißen Tagen reichlich alkoholfreie Getränke, z. B. Wasser oder Fruchtsaftschorlen, – auch, wenn Sie keinen Durst haben.“
  • „Meiden Sie die Mittagshitze und beschränken Sie Tätigkeiten im Freien auf die Morgen- und Abendstunden.“
  • „Essen Sie möglichst verteilt auf den Tag mehrere kleine, leichte Mahlzeiten mit viel Obst und Gemüse.“
  • „Vermeiden Sie an besonders heißen Tagen anstrengende Tätigkeiten.“
  • „Halten Sie sich nicht in der prallen Sonne auf und tragen Sie im Freien eine Kopfbedeckung.“
  • „Achten Sie auf bequeme, leichte und luftige Kleidung. Naturfasern wie Baumwollen können den Schweiß aufnehmen.“
  • „Halten Sie Ihre Wohnung, besonders das Schlafzimmer, möglichst kühl. Lüften Sie morgens und abends gut und verdunkeln Sie die Räume tagsüber.“
  • „Duschen Sie lauwarm bis kühl, aber nicht eiskalt, sonst ziehen sich die Gefäße durch den Temperaturunterschied zunächst zusammen, um die Wärme im Körperinneren zu halten, anschließend wird die Haut jedoch stärker durchblutet und man schwitzt erst recht.“
  • „Trocknen Sie sich nach dem Duschen nicht komplett ab, sondern lassen Sie das Wasser verdunsten. Das entzieht dem Körper Wärme.“
  • „Legen Sie Ihre Beine während des Tages immer mal wieder für einige Minuten hoch. Das entlastet die Gefäße und beugt dem Anschwellen von Beinen und Füßen vor.“

Parkende Autos werden zum Hochofen

Eine Untersuchung des ADAC zeigt, dass die Temperatur im Auto bei Hitze dramatisch ansteigen kann: Bereits nach 30 Minuten klettert sie – auch wenn zwei Fenster einen Spalt geöffnet sind – auf etwa 50 °C, nach einer Stunde liegen die Werte bereits bei rund 57 °C. Für Lebewesen wird das Auto bei Hitze also zur tödlichen Falle. Aus diesem Grund sollte man Kinder, gesundheitlich geschwächte Per­sonen oder Tiere niemals in einem geparkten Fahrzeug zurücklassen, auch nicht für kurze Zeit und auch nicht auf einem Schatten­parkplatz. Aufgeheizte Fahrzeuge sollten vor Fahrtbeginn ordentlich durchgelüftet werden.

Arzneimittel vor Hitze schützen

Auch Arzneimittel sollten im Sommer vor Hitze geschützt werden und nicht in der prallen Sonne oder im heißen Auto liegen. Das gilt natürlich besonders für Arzneimittel, die kühlkettenpflichtig sind oder kühl gelagert werden müssen. Sie sollten an heißen Sommertagen grundsätzlich auch beim Transport von der Apotheke nach Hause gekühlt werden. Dafür eignen sich zum Beispiel Isoliertaschen oder Styroporbehälter. Dabei sollte das Medikament aber keinen direkten Kontakt zu den Kühlelementen haben, um ein Einfrieren und einen dadurch bedingten Wirkungsverlust zu vermeiden. Am besten wickelt man die Kühlelemente in Tücher, Wellpappe oder Luftpolsterpapier ein. Auch in der Apotheke sollte man darauf achten, dass die Kühlware unmittelbar nach der Lieferung ausgepackt und in den Kühlschrank gelegt wird.

Große Hitze kann aber auch einigen Arzneimitteln schaden, die normalerweise bei Raumtemperatur gelagert werden. Dosieraerosole beispielsweise können im Extremfall durch eine zu starke Erwärmung aufreißen oder explodieren, Zäpfchen können schmelzen. Beim Abkühlen verteilt sich der Wirkstoff in der Zäpfchengrundlage ungleichmäßig, wodurch die Wirkung des Arzneimittels beeinflusst werden kann.

Bei langen Autofahrten sollten Arzneimittel unter einem Vordersitz oder im Kofferraum verstaut werden. Dort bleibt es deutlich kühler als im Handschuhfach oder auf dem Armaturenbrett. Bei längeren Stopps empfiehlt es sich, die Arzneimittel mit aus dem Auto zu nehmen. Wer mit einem kühlkettenpflichtigen Arzneimittel verreisen möchte, der sollte validierte Kühltaschen oder -boxen für den Transport verwenden, die eine Transportdauer zwischen acht und zwölf Stunden gewährleisten. Andere Kühlwaren wie Insu­line können beispielsweise mit einer Verdunstungskühl­tasche transportiert werden, die lediglich mit kaltem Wasser aktiviert wird (z. B. Frio® Reisetasche) und eine Kühlung über 45 Stunden gewährleisten.

Hitzefrei für Apothekenmitarbeiter?

Auch die Apothekenmitarbeiter leiden unter der andauernden Hitze. Dennoch kann die Apotheke nicht einfach schließen. Angestellte haben laut Arbeitsrecht in der Regel keinen Anspruch auf Hitzefrei am Arbeitsplatz. Für den Apothekeninhaber gibt es trotzdem einige Regeln: Laut § 4 ApBetrO muss für Arzneimittel „eine Lagerhaltung unterhalb einer Temperatur von 25 Grad Celsius möglich sein“. Diese Tem­peratur sollte auch im Handverkauf nicht überschritten werden. Die technische Regel für Arbeitsstätten ASR 3.5 empfiehlt, die 26-Grad-Marke in Arbeitsräumen nicht zu überschreiten. Ab 30 °C Raumtemperatur muss der Arbeitgeber handeln. Er kann beispielsweise Ventilatoren aufstellen, gekühlte Getränke zur Verfügung stellen, die Bekleidungsvorschriften lockern oder zusätzliche Pausen erlauben.

Gefahr der Überdosierung bei Schmerzpflastern 

Bei Hitze können während der subkutanen Applikation von hochwirksamen Schmerzmitteln Komplikationen auftreten. Der Grund sind Wärmeeffekte, die die Wirkstoffaufnahme durch die Haut verstärken: Bei hohen Temperaturen weiten sich die Adern, die Hauttemperatur steigt, zudem entsteht beim Schwitzen ein Wasserfilm auf der Haut. Als Folge kann es zu einer lebensbedrohlichen Überdosierung kommen. Deshalb sollten die Hautpartien, auf denen Schmerzpflaster aufgebracht sind, so weit wie möglich vor Erwärmung geschützt werden. Empfehlenswert ist ein Aufenthalt im Haus oder zumindest im Schatten, um den Einfluss direkter Strahlungswärme der Sonne zu vermeiden. Das Hautareal sollte zudem mit Kleidung bedeckt sein. Treten Anzeichen einer Überdosierung wie eine deutlich verlangsamte Atmung begleitet von allgemeiner Schwäche oder Schwindelanfällen, Schläfrigkeit, langsames oder verwirrtes Sprechen auf, sollte das Pflaster umgehend entfernt und ein Arzt aufgesucht werden. |

Literatur

Medikamente im Sommer vor Hitze schützen. Information der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, www.abda.de

Schmerzpflaster wirken bei Hitze stärker. Information der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, www.abda.de

Was tun bei Sommerhitze? Merkblätter des Niedersächsischen Landes­gesundheitsamtes, Stand: Juni 2016, www.nlga.niedersachsen.de

Informationen des Deutschen Wetterdienstes und des ADAC

Autorin

Martina Schiffter-Weinle, Studium der Pharmazie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 2006 Approbation als Apothekerin. Von 2006 bis 2012 Tätigkeit als Apothekerin in Oxford, Großbritannien. Seit der Rückkehr nach Deutschland Redakteurin bei PTAheute, PTAheute.de. Seit Juli 2018 schreibt sie für die Deutsche Apotheker Zeitung.

autor@deutsche-apotheker-zeitung.de

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