Arzneimittel und Therapie

Lungenkrebs durch ACE-Hemmer?

Neue Studiendaten erhärten den Verdacht

bj | Häufig verschriebene ACE-Hemmer wie Ramipril und Lisinopril können offenbar die Entwicklung von Lungenkrebs fördern. Dies zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Studie, in denen ACE-Hemmer mit Sartanen und weiteren Blutdrucksenkern verglichen wurden.
Foto: Thomas Lauridsen – stock.adobe.com
Rauchen führt die Rangliste der Ursachen für das Lungenkrebsrisiko an. Möglicherweise muss sie um ACE-Hemmer ergänzt werden.

Britische Wissenschaftler haben dazu Langzeitdaten einer großen Kohorte von 992.061 Personen ausgewertet, die eine antihypertensive Therapie begonnen hatten. Dabei verglichen die Forscher das Lungenkrebsrisiko unter der Einnahme von ACE-Hemmern mit anderen Blutdrucksenkern wie etwa Sartanen, Betablockern oder Calcium-Kanal-Blockern. Der Beobachtungszeitraum betrug im Mittel 6,4 Jahre. Eine Krebserkrankung, mit Ausnahme von nichtmelanozytärem Hautkrebs, war ein Ausschlusskriterium.

ACE-Hemmer und Sartane kamen in der Studie am häufigsten zum Einsatz. So nahm etwa ein Drittel der Kohorte (335.135 Patienten) während des Studienzeitraums ACE-Hemmer ein, in erster Linie Ramipril (26%) und Lisinopril (12%). Knapp 30.000 Patienten wurden mit Sartanen behandelt, und etwa 10% der Gesamtkohorte erhielten sowohl ACE-Hemmer als auch Sartane.

Die Patienten unter ACE-Hemmern hatten vergleichsweise mehr alkohol-assoziierte Erkrankungen und nahmen häufiger Statine ein als die mit anderen Antihypertensiva behandelten Patienten. Die Häufigkeit von Lungenerkrankungen war in den Gruppen etwa gleich hoch. Unterschiede in den Basisdaten der Gruppen wurden bei der Auswertung adjustiert.

Risiko steigt mit Therapiedauer

Im Laufe der Studie traten in der Gesamtkohorte 7952 Lungenkrebsfälle auf. Das Risiko unter ACE-Hemmern war im Vergleich zu Sartanen insgesamt um 14% erhöht. Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen war erst ab einer Behandlungsdauer von fünf Jahren signifikant. Nahmen die Patienten ihre Antihypertensiva länger als zehn Jahre ein, war das Lungenkrebsrisiko in der ACE-Gruppe versus der Sartan-Gruppe sogar um 31% erhöht.

Ein mögliches Krebsrisiko durch ACE-Hemmer wird bereits seit Längerem diskutiert. Zuvor publizierte Metaanalysen zeigten zwar kein erhöhtes Lungenkrebsrisiko, jedoch waren die Beobachtungszeiträume in den zugrunde liegenden Primärstudien im Vergleich zu der aktuellen Arbeit mit einem Median von 3,5 Jahren relativ kurz.

Bradykinin und Substanz P unter Verdacht

Die Wissenschaftler haben bereits eine Hypothese, wodurch das Risiko unter ACE-Hemmern zustande kommen könnte. Und zwar wandelt das Angiotensin-konvertierende Enzym (ACE) Angiotensin I in das vasokonstriktorische Angiotensin II um, was der ACE-Hemmer verhindert. Dadurch kommt die erwünschte Hauptwirkung, der blutdrucksenkende Effekt, zustande. Jedoch ist die Peptidase ACE auch dafür zuständig, Bradykinin, das für den Husten als Nebenwirkung verantwortlich ist, und Substanz P abzubauen. ACE-Hemmer führen damit zu einer Akkumulation der beiden Entzündungsmediatoren. Beide Botenstoffe können nachweislich die Angiogenese und die Proliferation von Lungenkrebsgewebe fördern.

Bei der aktuellen britischen Kohortenstudie handelt es sich zwar lediglich um eine Beobachtungsstudie. Allerdings trägt die hohe Fallzahl zur Aussagekraft bei. Die Autoren sind der Auffassung, dass weitere Forschung in Form von prospektiven, interventionellen Studien erforderlich sei. |

Quelle

Hicks BM et al. Angiotensin converting enzyme inhibitors and risk of lung cancer: population based cohort study. BMJ 2018;363:k4209

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