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Selbstmedikation

Ich hab's im Nacken

Aktuelle Handlungsempfehlungen gegen den „steifen Hals“

Nackenschmerzen kommen häufig vor und sind weltweit einer der wichtigsten Gründe für Arbeitsunfähigkeit. Knapp die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung der Industrienationen ist mindestens einmal im Leben davon betroffen. Von Nackenschmerzen spricht man, wenn die Schmerzen in einem Bereich zwischen dem ersten Brustwirbel und dem oberen Ende des ersten Halswirbels sowie zwischen den schulternahen Ansätzen des Trapezmuskels auftreten. Daher sind sie nicht immer exakt von Schulterschmerzen abzugrenzen. | Von Karin Krämer

Die Beschwerden werden nach der Dauer in

  • akute Schmerzen, die maximal drei Wochen anhalten,
  • subakute (vier bis zwölf Wochen) oder
  • chronische Schmerzen, die länger als zwölf Wochen bestehen, eingeteilt.

Nach der DEGAM-S1-Handlungsempfehlung „Nackenschmerzen“ [13] wird nach der Ätiologie zwischen spezifischen Ursachen und nicht spezifischen Ursachen unterschieden.

Mögliche Ursachen

Die mit Abstand häufigste Ursache für Nackenschmerzen, die Muskelverspannung, wird durch Fehlhaltung und Überlastung der Muskulatur oder psychische Überlastung hervorgerufen. Dadurch verkürzen und verhärten sich die Muskeln und reagieren auf Druck mit Schmerzen. Durch die Veränderungen der Muskulatur werden Nerven gereizt, die in diesem Bereich liegen. In dieser Situation reicht schon eine leichte Zusatzbelastung, beispielsweise Zugluft, Stress oder lange Computer- oder Handy-Nutzung, um akute Schmerzen auszulösen. Viele Menschen reagieren auf die Schmerzen mit verstärkter Fehlhaltung, die zwar kurzfristig lindert, aber insgesamt die Schmerzdauer verlängert. Um zu verhindern, dass die Schmerzen chronisch werden, sollte der Schmerz behandelt werden. Auch Verletzungen wie Wirbelbrüche, Bänderrisse, Schädigung der Bandscheiben durch Krafteinwirkung, Muskelzerrungen oder Schleudertrauma können Nackenschmerzen hervorrufen.

Degenerative Veränderungen werden umgangssprachlich oft als Verschleißerscheinungen bezeichnet. In einem gewissen Maß sind sie mit zunehmendem Alter normal und führen nicht automatisch zu Beschwerden. Doch können beispielsweise Schäden an den Bandscheiben der Halswirbelsäule oder ein Bandscheibenvorfall, Facettengelenksarthrose (Verschleiß an den kleinen Wirbelgelenken, die die Drehbewegungen des Halses ermöglichen) oder Spondylose (degenerative Wirbelveränderungen) eine Stenose (Verengung) des Wirbelkanals oder der Nervenaustrittslöcher verursachen und dadurch eine schmerzhafte Reizung oder Schädigung der Nervenwurzeln der Halswirbelsäule her­vorrufen.

Nackenschmerzen können eine psychische Komponente haben, beispielsweise als körperliches Symptom von Depressionen oder als Folge von dauerhaftem Stress. Psychosoziale Faktoren sind mit dafür verantwortlich, ob die Schmerzen chronisch werden. Weitere Risikofaktoren für chronische Verläufe sind Computerarbeit und andere arbeitsbedingte Belastungen oder nackenbelastende Schlafbedingungen.

Auch systemische Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Morbus Bechterew, Osteoporose und Tumorerkrankungen können Nackenschmerzen verursachen.

Häufige Ursachen für Nackenschmerzen

  • Muskelverspannungen, z. B. Handynacken
  • degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule
  • psychische Faktoren
  • Traumen wie Schleudertrauma, Muskelzerrungen, Wirbelbrüche, Bänderrisse
  • Fibromyalgie (chronische Schmerzerkrankung)
  • Organkrankheiten, beispielsweise koronare Herzerkrankung, Herzinfarkt, Lungenkrankheiten, akutes Aortensyndrom

Diagnose

Eine Diagnose sollte grundsätzlich durch den Hausarzt oder einen Orthopäden gestellt werden. Bei nicht spezifischen Nackenschmerzen reichen eine Anamnese zusammen mit der körperlichen Untersuchung zur Diagnose aus. Hierbei werden die Beweglichkeit von Kopf, Hals, Armen und Schultern und der Spannungszustand der Muskulatur untersucht. Es wird überprüft, ob bestimmte Stellen der Muskulatur oder der Wirbelsäule berührungsempfindlich sind und ob Schmerzen durch bestimmte Bewegungen ausgelöst werden können. In der überwiegenden Zahl der Fälle sind Muskelverspannungen die Ursache. Bildgebende Verfahren sind hier gemäß der DEGAM-Handlungsempfehlung nicht notwendig.

Spezifische Nackenschmerzen sind auf eine eindeutige Ursache zurückzuführen. Diese kann ein Trauma sein oder neurologische Störungen wie eine radikuläre Reizung (Reizung der Nervenwurzeln) oder eine Systemerkrankung. Hier sind weitere Untersuchungen erforderlich. Eingesetzt werden bildgebende Verfahren, z.B. Röntgenaufnahmen, Computertomografie, Magnetresonanztomografie und Duplexsonografie (Untersuchung der Blutgefäße am Hals mit farbcodiertem Ultraschall). Außerdem werden Blutuntersuchungen und kardiologische oder neurologische Untersuchungsmethoden angewandt. Da für das Fibromyalgiesyndrom noch keine objektiven Kriterien festgelegt sind, wird diese Diagnose erst nach Ausschluss anderer Ursachen aufgrund der Befunde mehrerer Fachärzte gestellt.

Fragen zur Anamnese

  • Beschreibung des Schmerzes
  • Strahlt der Schmerz in den Arm aus?
  • Bestehen motorische Ausfälle und/oder Taubheitsgefühl?
  • Gibt es ein Trauma in der Vorgeschichte?
  • Werden Medikamente, beispielsweise Glucocorticoide, eingenommen?
  • Bestehen systemische Erkrankungen?
  • Wurde eine Selbstbehandlung versucht? Welche Medikamente oder Therapien wurden angewandt?

Therapie der unspezifischen Nackenschmerzen

Verspannungsbedingte Nackenschmerzen klingen in der Regel nach einigen Tagen bis wenigen Wochen von alleine wieder ab. Zur Linderung der akuten und subakuten nicht spezifischen Nackenschmerzen soll laut DEGAM-Handlungsempfehlung vor allem Bewegung empfohlen werden. Die Wirksamkeit ist sehr gut belegt.

Orale nichtsteroidale Antirheumatika
Kurzfristig kann die Anwendung nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR) zur Schmerzlinderung gemäß der DEGAM-Handlungsempfehlung empfohlen werden. Diese wirken sowohl analgetisch als auch antiphlogistisch und können oral oder lokal angewandt werden. Allerdings gibt es nur wenige Studien zur Wirkung der NSAR bei Nackenschmerzen, daher werden die Ergebnisse von Studien zu Rückenschmerzen als Grundlage für die Bewertung herangezogen [2].

Oral werden am häufigsten Ibuprofen und Diclofenac eingesetzt. Wenn eine entzündliche Ursache besteht, werden auch Naproxen, Piroxicam und Indometacin oder selektive COX-2-Hemmer wie Etoricoxib oder Celecoxib angewandt. Dosierung, Häufigkeit und Dauer der Anwendung werden in der Regel vom Arzt festgelegt.

Eine Selbstmedikation mit Ibuprofen oder Diclofenac darf maximal für vier Tage erfolgen, beispielsweise zur Überbrückung bis zu einem Arztbesuch. Bei Erwachsenen liegt die Tageshöchstdosis in der Selbstmedikation für Ibuprofen bei dreimal täglich 400 mg in einem Abstand von sechs Stunden, also 1200 mg pro Tag. Bei Kindern ist die Dosierung abhängig von Alter beziehungsweise Körper­gewicht.

Von Diclofenac können dreimal täglich 25 mg alle vier bis sechs Stunden eingenommen werden, maximal 75 mg pro Tag. Für Kinder ist Diclofenac erst ab 14 Jahren in der Selbstmedikation zugelassen. Bei längerer Anwendung steigt das Risiko für unerwünschte Wirkungen, vor allem für gastrointestinale Blutungen oder Ulcera. In höheren Dosierungen über einen längeren Zeitraum steigt vor allem bei Diclofenac das Risiko für arterielle thrombotische Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Es ist daher bei Patienten mit Herzinsuffizienz und Durchblutungsstörungen kontraindiziert. Bei Personen mit Risikofaktoren wie Hypertonie, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie und bei Rauchern, sollte Diclofenac nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung angewendet werden. Ibuprofen kann die thrombozytenaggregationshemmende Wirkung von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure aufheben, daher sollte es mindestens acht Stunden vor oder frühestens 30 Minuten nach ASS eingenommen werden.

Achtung Notfall

Treten plötzlich starke Schmerzen im Nacken auf, die unabhängig von einer Bewegung sind, können diese auf einen Herzinfarkt oder ein akutes Aortensyndrom (Beeinträchtigung des Blutflusses in der Aorta) hinweisen. Zusätzlich können Schmerzen im Rücken oder in der Brust, im Kiefer oder im Arm bestehen.

Nackensteifigkeit in Kombination mit starken Kopfschmerzen, eventuell mit hohem Fieber, Übelkeit, Erbrechen oder Schwindel, kann durch eine Meningitis oder eine Subarachnoidalblutung (Gehirnblutung) ausgelöst werden.

Lähmungen, Bewusstseinsstörungen oder sensible Ausfälle können auf akute Nervenschädigung beispielsweise durch Stenose oder Bandscheibenvorfall hinweisen.

→ In diesen Fällen sollte umgehend der Notarzt verständigt werden.

Lokale nichtsteroidale Antirheumatika
Alternativ können topische Formulierungen nichtsteroidaler Antirheumatika angewandt werden. Diese haben den Vorteil, dass zwar lokal therapeutische Konzentrationen messbar sind, aber nur geringe Mengen in den Blutkreislauf aufgenommen werden und somit das Risiko für systemische Nebenwirkungen minimiert wird. Wichtig ist, dass die Präparate nur auf intakter Haut angewendet und nicht in die Augen oder auf die Schleimhäute gebracht werden [3, 4].

Für topische Diclofenac-Zubereitungen belegen Studien eine Schmerzlinderung bei kurzzeitiger Anwendung bei akuten Nackenschmerzen [11]. In Deutschland sind als Fertigarzneimittel mit Diclofenac für muskuläre Schmerzen im Rückenbereich z. B. Voltaren® Schmerzgel (OTC) und Voltaren® Emulgel (Rx) zugelassen sowie Diclo-ratiopharm® Schmerzgel für „degenerative Erkrankungen der Extremitäten­gelenke und im Bereich der Wirbelsäule“ [5].

Lokale Wärme

Lokale Wärmeanwendung kann empfohlen werden, wenn der Patient Wärme als angenehm empfindet. Durch Wärme wird die Durchblutung angeregt und die verspannte Muskulatur gelockert. Die DEGAM-Handlungsempfehlung macht keine Angaben zur Art der Wärmeanwendung.

Gelkompressen, beispielsweise NexcareTM ColdHot Kompresse, Infrarotlampen oder Hausmittel wie eine Wärmflasche, ein Heizkissen oder ein Kirschkernkissen sind für Ruhephasen geeignet, da sie nur im Sitzen oder Liegen angewendet werden können. Wärmeumschläge, wie ThermaCare® Wärmeauflagen für Schulter und Nacken oder SOS® Wärmeumschlag bei Nacken und Schulterschmerzen werden aufgeklebt und sind auch während beruflicher oder anderer Tätigkeiten zur Wärmetherapie geeignet. Hierbei reagieren Eisenpulver, Salz, Wasser und Aktivkohle beim Öffnen der Packung mit Luftsauerstoff und erzeugen bis zu acht Stunden anhaltende Wärme.

Anwendungshinweise für wärmende wirkstoffhaltige Externa

  • Nur auf intakter Haut anwenden.
  • Nicht bei bekannter Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff.
  • Pflaster auf die trockene, unverletzte Haut über dem Schmerzgebiet aufkleben.
  • Nicht in der Nähe von Augen und Schleimhäuten anwenden.
  • Nach der Applikation Hände mit Wasser und Seife sorgfältig waschen.
  • Wenn die Wärmewirkung als zu stark empfunden wird, ist die Behandlung abzubrechen.
  • Keine zusätzliche Wärmezufuhr durch Rotlicht, Sonnenlicht, Heizkissen oder warmes Wasser.
  • Nicht bei Entzündungssymptomen wie Rötung, Schwellung und Überwärmung oder bei neurologischen Ausfallerscheinungen anwenden.
  • Beim Auftreten lokaler Unverträglichkeitsreaktionen wie Quaddel- oder Bläschenbildung, die Therapie sofort beenden, also gegebenenfalls das Pflaster entfernen und die Haut mit Wasser und Seife reinigen.
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Eine weitere Möglichkeit sind wirkstoffhaltige Pflaster oder Cremes, die wärmend wirken (siehe Tab. 1: „Präparate zur lokalen Wärmeanwendung“). Belegt ist die Wirkung von Capsaicin aus Cayennepfeffer (Capsicum frutescens) bei Rückenschmerzen im Vergleich zu Placebo [10]. Es gibt derzeit noch keine relevanten Studien zu Nackenschmerzen. Capsaicin wirkt dual: Zum einen wird die Durchblutung angeregt und durch die dabei entstehende Wärme die betroffene Muskulatur entspannt. Zum anderen wirkt es neuromodulierend indem es Nozizeptoren (Schmerzrezeptoren) zunächst übererregt und dann dauerhaft desensibilisiert. Dadurch wird die Weiterleitung von Schmerzreizen unterdrückt. Die Aktivierung der Rezeptoren kann Juckreiz hervorrufen, der nach längerer Anwendung verschwindet. Mögliche Nebenwirkungen sind lokale Unverträglichkeitsreaktionen wie Quaddel- oder Bläschenbildung, die einen sofortigen Therapieabbruch erforderlich machen. Die gleiche duale Wirkung hat Nonivamid, ein synthetisches Capsaicin-Analogon.

Tab. 1: Wirkstoffhaltige Präparate zur lokalen Wärmeanwendung (Beispiele, Quelle: Lauer Fischer Taxe, Stand: 7. Januar 2018] (Wenn nicht anders angegeben sind die Arzneimittel zur Behandlung von Muskelschmerzen und -verspannungen im Bereich des Rückens oder der Wirbelsäule zugelassen) AM: Arzneimittel, nAP: nicht apothekenpflichtig, Ap: apothekenpflichtig
Präparat
Inhaltsstoffe
Beratungshinweise
Cayennepfeffer-Extrakt / Capsaicin
ABC® Wärmecreme Capsicum
AM, Ap
Capsaicin 0,75 mg/g
dreimal täglich, 1 bis 2 g Creme (1 g entspricht einem Strang von 4,2 cm!), bis zu drei Wochen;
ab 18 Jahren;
in Schwangerschaft und Stillzeit nur nach Rücksprache mit dem Arzt
ABC® Wärmepflaster Capsicum
AM, nAp
Cayennepfeffer-Dickextrakt (4 – 7:1) Auszugsmittel Ethanol 80%(V/V) 395,4 – 551,7 mg entspricht Capsaicin 11 mg/Pflaster
ein Pflaster/Tag, vier bis zwölf Stunden auf der Haut belassen, bis zu drei Wochen anwenden;
ab zwölf Jahren;
in Schwangerschaft und Stillzeit nur nach Rücksprache mit dem Arzt
ABC® Wärmepflaster ­4,8 mg
AM, nAp
Cayennepfeffer-Dickextrakt (4 – 7:1) Auszugsmittel Ethanol 80% (V/V) 112 – 167 mg entspricht Capsaicin 4,8 mg/Pflaster
ein Pflaster/Tag, vier bis zwölf Stunden auf der Haut belassen, bis zu drei Wochen anwenden;
ab zwölf Jahren;
in Schwangerschaft und Stillzeit nur nach Rücksprache mit dem Arzt
Finalgon® CPD Creme
AM, Ap
Cayennepfeffer-Dickextrakt (4 – 7:1) Auszugsmittel Ethanol 80% (V/V) 6,627 – 18,292 mg entspricht Capsaicin 0,53 mg/g
dreimal täglich einen 2 cm langen Strang Creme;
ab zwölf Jahren;
nicht in Schwangerschaft und Stillzeit;
ausdrücklich für Muskelschmerzen im Halsbereich zugelassen!
Hot Thermo dura® C Creme
AM, Ap
Cayennepfeffer-Dickextrakt (4 – 7:1) Auszugsmittel Ethanol 80% (V/V) 6,627 – 18,292 mg entspricht Capsaicin 0,53 mg/g
dreimal täglich einen 2 cm langen Strang Creme;
ab zwölf Jahren;
nicht in Schwangerschaft und Stillzeit;
Ausdrücklich für Muskelschmerzen im Halsbereich zugelassen!
Rheumamed® Schmerzsalbe Capsicum
AM, Ap
Cayennepfeffer-Extrakt (1,5 – 2,5:1) Auszugsmittel Ethanol 96% (V/V) entspricht Capsaicin 0,5 mg/g
zwei- bis viermal täglich 2,5 bis 4 g Salbe pro 15 cm2(entspricht Salbenstrang von 11 bis 17 cm!);
max. zwei Tage am gleichen Ort;
ab zwölf Jahren; nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
Nonivamid
ABC® Wärmepflaster mit Sensitive-Vlies
AM, nAp
Nonivamid 9,85 mg/Pflaster
(140 cm2)
ein Pflaster/Tag, vier bis acht Stunden auf der Haut belassen; bis zu drei Wochen anwenden;
ab 18 Jahren;
nicht in Schwangerschaft und Stillzeit;
ausdrücklich für Nackenschmerzen zugelassen!
Capsimed® Wärmepflaster
AM, nAp
Nonivamid 2,43 mg/Pflaster (11 × 18 cm)
ein Pflaster/Tag, max. acht Stunden auf der Haut belassen; bis zu drei Wochen anwenden;
nicht für Kinder und Jugendliche;
nicht in Schwangerschaft und Stillzeit
Finalgon® Wärmecreme Duo
AM, AP
Nonivamid 1,7 mg/g
Nicoboxil 10,8 mg/g
max. viermal täglich, 0,5 cm Creme für eine handtellergroße Hautfläche;
ab 18 Jahren;
nicht in Schwangerschaft und Stillzeit;
zur Förderung der Hautdurchblutung
Rheumamed® N Wärmepflaster
AM, nAp
Nonivamid 2,43 mg/Pflaster
(198 cm2)
ein Pflaster/Tag, max. acht Stunden auf der Haut belassen;
bis zu drei Wochen anwenden;
ab 18 Jahren;
nicht in Schwangerschaft und Stillzeit;
ausdrücklich für Nackenschmerzen zugelassen!

Lokale Phytopharmaka mit antiphlogistischer Wirkung

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Für Symphytum officinale, den Beinwell,gibt es eine HPMC-Monographie, die die traditionelle Verwendung von Wurzelextrakten bei Prellungen, Zerrungen und Verstau­chungen belegt.

Diese Arzneimittel finden in der Handlungsempfehlung der DEGAM keine Erwähnung, weil es bisher keine Studien speziell zu Nackenschmerzen gibt.

Extrakt aus Beinwellwurzel oder -kraut wirkt antiphlogistisch, abschwellend und schmerzlindernd. Jedoch gibt es nur für Beinwellwurzel (Symphyti radix, Stammpflanze Symphytum officinale) eine HPMC-Monographie, die die traditionelle Verwendung bei Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen belegt [8]. Die wirksamen Inhaltsstoffe sind wahrscheinlich Allantoin, Gerbstoffe und Schleimstoffe, der Wirkmechanismus ist noch nicht bekannt. In einer Studie zur Therapie akuter Rückenschmerzen zeigte sich eine klinisch und statistisch signifikante Verbesserung der Beschwerden bei Behandlung mit Kytta® Salbe f im Vergleich zu Placebo. Nachteil der Studie ist vor allem die geringe Anzahl von Studienteilnehmern (120 Probanden) [6, 10]. Kytta® Salbe f wurde mittlerweile durch das Nachfolgeprodukt Kytta® Schmerzsalbe ersetzt, das die gleiche Zusammensetzung hat. Aufgrund eines geringen Gehaltes an Pyrrolizidin-Alkaloiden darf die Salbe nur auf intakter Haut und erst ab drei Jahren angewendet werden. Bei Erwachsenen werden zwei bis viermal täglich je nach Größe der Körperstelle und Schmerzintensität 1,2 bis 6 g Salbe (entspricht einem Salbenstrang von 4 bis 18 cm) einmassiert.

Traumaplant® Creme, die Beinwellkraut-Zubereitung (Symphyti herba, Symphytum x uplandicum) enthält ist derzeit nur zur Behandlung stumpfer Verletzungen zugelassen.

Mobilisation und Manipulation
Beide Verfahren sind Bestandteil der manuellen Therapie und können gemäß DEGAM-Handreichung bei allen Formen unspezifischer Nackenschmerzen angewendet werden. Sie sollen die Beweglichkeit von Gelenken verbessern und Schmerzen lindern. Bei der Mobilisation wird ein Gelenk durch die behandelnde Person langsam innerhalb seiner Bewegungsgrenzen bewegt. Bei der Manipulation dagegen wird mit kleinen, ruckartigen Bewegungen über diese Grenzen hinaus gedehnt. Bei Nackenschmerzen können Hals- und Brustwirbelsäule manipuliert oder mobilisiert werden. Ein Cochrane-Review zu diesen Therapieformen bei akuten, subakuten und chronischen Nackenschmerzen kommt zu dem Schluss, dass beide Methoden zur Schmerzlinderung, Funktionsverbesserung und zur Verbesserung der Lebensqualität eingesetzt werden können. Die Manipulation scheint anderen Therapieformen wie Massage oder transcutaner elektrischer Nervenstimulation (TENS) überlegen zu sein. Allerdings gibt es bisher nicht genügend aussagekräftige Studien für eine eindeutige Beurteilung dieser Verfahren [7].

Da für Massagen und Elektrotherapie bisher keine verwertbaren Studien zu Nackenschmerzen existieren, werden diese physikalischen Anwendungen nur noch selten verordnet. In der DEGAM-Handreichung werden sie nicht erwähnt.

Physiotherapie
Wenn es sich um subakute oder chronische Schmerzen handelt, kann Physiotherapie sinnvoll sein. Hier ist der Patient selbst aktiv und bewegt sich. Durch die Übungen werden verspannte und damit verkürzte Muskeln gedehnt und gekräftigt und dadurch beweglicher. Außerdem kann eine schmerzbedingte Fehlhaltung korrigiert werden. Nach Ergebnissen einer Studie helfen langfristig Physiotherapie und Manipulation statistisch signifikant besser als Arzneimittel bei akuten und subakuten Nackenschmerzen [1]. Studien zur Wirksamkeit von Physiotherapie bei chronischen Nackenschmerzen sind bisher nicht aussagekräftig [2].

Tab. 2: In Deutschland zugelassene Muskelrelaxanzien [Quelle: Lauer Fischer Taxe, Stand: 7. Februar 2018]
Wirkstoff
Präparat (Beispiele)
Indikation
Diazepam
Generika
zur Behandlung von Zuständen mit erhöhtem Muskeltonus
Methocarbamol
Ortoton®, Dolo Visano®Methocarbamol 750 mg, Generika
zur symptomatischen Behandlung bei schmerzhaften Muskelverspannungen, insbesondere des unteren Rückens
Orphenadrin
Norflex®
zur kurzfristigen symptomatischen Behandlung schmerzhafter Muskel­verspannungen
Pridinol
Myopridin® (Ampullen)
bei zentralen und peripheren Muskelspasmen, Lumbalgie, Torticollis, allgemeinen Muskelschmerzen
Tizanidin
Sirdalud®, Generika
u. a. bei peripher bedingten schmerzhaften Muskelverspannungen bei statischen und funktionellen Wirbelsäulenbeschwerden sowie nach Operationen, z. B. wegen Bandscheibenvorfall oder degenerativer Hüft­gelenkerkrankungen

Zusätzliche Maßnahmen bei chronischen unspezifischen Nackenschmerzen

Da chronische unspezifische Nackenschmerzen oft durch dauerhafte psychische Belastung und Anspannung hervorgerufen werden, können Entspannungsverfahren wie die progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen oder autogenes Training dem Patienten ermöglichen, zur Ruhe zu kommen [13].

Untersuchungen zu Akupunktur liefern schwache Hinweise, dass diese kurzfristig die Schmerzen senken kann, allerdings fehlen auch hier aussagekräftige Studien [14]. Eine kleine aktuelle Studie belegt eine signifikante Schmerzreduktion durch Akupressur (vier mal 30 Sekunden drücken, 30 Sekunden Pause im Wechsel) von myofascialen Triggerpunkten im Trapezmuskel. Auch hier ist die Teilnehmerzahl nicht ausreichend für eine abschließende Bewertung [9].

Allgemeine Empfehlungen für Patienten

  • Wärme hilft!
  • Keine übertriebene Schonung wie beispielsweise Bettruhe
  • Keine körperliche Überlastung
  • Schützen Sie Hals und Nacken vor Kälte und Zugluft.
  • Bei sitzender Tätigkeit: ergonomischer Arbeitsplatz, regelmäßige Bewegungspausen mit Lockerungsübungen.
  • Nicht dauerhaft nach unten schauen (Computer, Handy) sondern wechselnde Kopfpositionen einnehmen oder auch nur die Augen senken, nicht den ganzen Kopf.
  • Entspannungsübungen
  • Dauerstress abbauen oder ausgleichen, z. B. durch Ausdauersport
  • Lernen Sie unter Anleitung Übungen zur Entspannung des Nackens und eine korrekte Körperhaltung.
  • Schlafen Sie auf einer für Ihre Person geeigneten Matratze, verwenden Sie eventuell ein Nackenstützkissen.

Nicht empfohlene Therapien bei unspezifischen Nackenschmerzen

Die DEGAM-Handreichung rät von Ruhigstellung, Injektionstherapien und Muskelrelaxanzien bei unspezifischen Nackenschmerzen ab.

Muskelrelaxanzien. Da häufig muskuläre Verspannungen zu Nackenschmerzen führen, sollten Muskelrelaxanzien in diesen Fällen zu einer Schmerzlinderung führen. Die Autoren führen jedoch an, dass die seit Ruhen der Zulassung von Tetrazepam verwendeten Muskelrelaxanzien nur schlecht untersucht sind. Alle sind nur bei Erwachsenen zugelassen und nicht für Schwangerschaft und Stillzeit. Zudem mindern sie alle die Reaktionsfähigkeit und damit die Fahrtüchtigkeit und die Fähigkeit zur Bedienung von Maschinen und erhöhen das Sturzrisiko bei älteren Patienten. Die Priscus-Liste rät daher grundsätzlich von Muskelrelaxanzien bei älteren Personen ab [12]. Diazepam ist ein stark sedierendes Benzodiazepin und sollte aufgrund seines Suchtpotenzials nicht für die Schmerztherapie verwendet werden. Das Schmerzmittel Flupirtin ist zugleich muskelrelaxierend wirksam. Es darf aber nur angewendet werden, wenn andere Schmerzmittel kontraindiziert sind und unter wöchentlicher Kontrolle der Leberwerte. Im Oktober 2017 wurde auf Ersuchen Deutschlands ein weiteres Risikobewertungsverfahren zu Flupirtin eingeleitet. Im Rahmen dessen informierte am 9. Februar 2018 das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) darüber, dass sich der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) bei der EMA dafür ausgesprochen hat, die Zulassungen von Flupirtin-haltigen Arzneimitteln zu widerrufen.

Die in einem Cochrane-­Review zu Nackenschmerzen aufgrund von Studien als wirksam eingestuften Muskel­relaxanzien sind in Europa nicht zugelassen [2].

Injektionstherapie. Bei der Neuraltherapie wird ein Lokalanästhetikum entweder subcutan („Quaddeln“) oder gezielt in verhärtete Muskelstellen („Muskelknoten“, Myogelosen) oder an Nerven gespritzt. Auch hier fehlen bisher wissenschaftliche Nachweise der Wirkung [13]. |

Literatur

[1] Bronfort G, Evans R et al. Spinal manipulation, medication, or home exercise with advice for acute and subacute neck pain: a randomized trial, Ann Intern Med. 2012 Jan 3;156(1Pt1):1-10

[2] Cohen SP, Hooten WM Advances in die diagnosis and management of neck pain, State of the Art Review. BMJ 2017;358:j3221

[3] Derry S, Conaghan P et al. Topical NSAIDs for chronic musculosceletal pain in adults. Cochrane Database Syst Rev 2016;4:CD007400

[4] Derry S, Moore RA et al. Topical NSAIDs for acute musculosceletal pain in adults. Cochrane Database Syst Rev 2015;6:CD007402

[5] Fachinformationen der Hersteller zu den Fertigarzneimitteln

[6] Fallenstein C, Staiger C, Beinwell in der Therapie akuter Rückenschmerzen. Zeitschrift f Phytotherapie 2011;32:107-111

[7] Gross A, Langevin P et al. Manipulation and mobilisation for neck pain contrasted against an inactive control or another active treatment (Review). Cochrane Database Syst Rev 2015;9:CD004249

[8] HPMC-Monographie: www.ema.europa.eu - Find medicine – herbal medicines: Symphyti radix

[9] Morikawa Y, Takamoto K et al. Compression at Myofascial Trigger Point on Chronic Neck Pain Provides Pain Relief through the Prefrontal Cortex and Autonomic Nervous System. Front Neurosci 2017;11:186

[10] Oltean H, Robbins C et al. Herbal medicine for low-back pain (Review). Cochrane Database Syst Rev 2014;12:CD004504

[11] Predel HG, Giannetti B et al. Efficacy and safety of diclofenac diethylamine 1,16% gel in acute neck pain: a randomized, double-blind, placebo-controlled study. BMC Musculoscelet Disord 2013;14:250

[12] Priscus-Liste: priscus.net/downlod/PRISCUS-Liste_PRISCUS_TP3_2011.pdf

[13] Scherer M, Chenot JF. DEGAM S1-Handlungsempfehlung Nackenschmerzen, hrsg. von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), AWMF-Register-Nr. 053/007, Kurz- und Langfassung, Stand Juni 2016, gültig bis Juni 2021

[14] Yuan QL, Guo TM, Liu L, Sun F, Zhang YG. Traditional Chinese medicine for neck pain and low back pain: a systematic review and meta-analysis. PLoS One 2015;10(2):e0117146

Autorin

Dr. Karin Krämer studierte in München Pharmazie. Während und nach der Promotion in Medizingeschichte arbeitete sie in einer öffentlichen Apotheke. Sie unterrichtet an der Berufsfachschule für Pharmazeutisch-technische Assistenten in München Arzneimittelkunde, Botanik und Drogenkunde, Chemie und Gefahrstoffkunde.

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