Arzneimittel und Therapie

„Alles sehr nebulös!“

Was zur PSSD bekannt ist und was nicht

du | Nach dem Post-Finasterid-Syndrom (PFS) sorgen nun Berichte über langanhaltende sexuelle Funktionsstörungen nach Absetzen von SSRI und SNRI für Verunsicherung. Doch was ist genau bekannt? Wie ist dieses Problem einzuordnen? Darüber haben wir mit dem Andrologen Prof. Dr. Michael Zitzmann, Oberarzt am Universitätsklinikum Münster, gesprochen.
Foto: privat
Prof. Dr. Michael Zitzmann

DAZ: Herr Prof. Zitzmann, haben Sie in Ihrer Praxis schon Patienten gesehen, die von den als PSSD beschriebenen sexuellen Funktionsstörungen inklusive Libidoverlust nach Absetzen eines SSRIs bzw. SNRIs betroffen waren? Lassen sich Risikogruppen ausmachen? Sind Frauen häufiger betroffen als Männer? Ist es eine Frage des Alters, der Dauer der Einnahme?

Zitzmann: In der Tat haben sich bei mir zwei Patienten mit dieser Problematik vorgestellt. Das ist natürlich wenig. Allerdings werde ich als Androloge nur Männer zu sehen bekommen, so dass ich zur Situation bei Frauen einfach nicht der richtige Ansprechpartner bin. Insgesamt ist die Situation sehr nebulös. Daten zur Häufigkeit sind ebenso wenig kommuniziert wie Charakteristika der Patienten, die betroffen sind. ­Allerdings glaube ich, dass es wie beim PFS eine Prädisposition geben muss. Das PFS sehen wir bei 10 bis 15% der mit Finasterid behandelten Patienten. Und wir sehen es vor allem bei jungen Männern Ende 20.

DAZ: Nun werden ganz schnell Parallelen zum Post-Finasterid-Syndrom gesehen. Hier hatten Sie vor einem Jahr in der DAZ eine Hypothese vorgestellt, nach der der 5-alpha-Reduktase-Hemmer in den Neurosteroid-Metabolismus eingreift und so dauerhaft zu Störungen mit den bekannten Folgen eines PFS wie Libidostörungen, erektiler Dysfunktion und Depressionen führt. Lässt sich so auch eine PSSD erklären?

Zitzmann: Im Prinzip wäre das eine plausible Hypothese, allerdings betrifft sie nicht den Neurosteroidarm mit Interaktionen am GABA-Rezeptor, sondern den Serotonin-Arm und die Serotonin-Rezeptorebene. So wird möglicherweise dauerhaft die Serotonin-Produktion durch SSRI oder SNRI heruntergefahren oder aber die Rezeptordichte in entsprechenden Arealen des ZNS nimmt ab, was Angststörungen, Depression, Libidoverlust und auch sexuelle Funktionsstörungen erklären könnte. Aber das ist alles sehr hypothetisch.

DAZ: Wie behandeln Sie denn nun Patienten, die über PSSD klagen?

Zitzmann: Ich schaue mir die Patienten sehr genau an. Sind sie schwer depressiv bis suizidal, empfehle ich eine psychiatrische Mitbehandlung und die SSRI-Therapie wieder aufzunehmen. Dann geht es den Betroffenen sehr schnell wieder besser. Darüber hinaus prüfe ich natürlich, ob etwas fehlt, wie der Schilddrüsenhormon- und der Vitamin-D-Status ist, ob Testosteron bzw. die Vorläuferhormone Androstendion- oder DHEAS (Dehydroepiandrosteron-sulfat)-Spiegel zu niedrig sind. Ist das der Fall, so kann ich ausgleichen und hoffen, dass dies dem Patienten hilft. Ist der Testosteron-Spiegel zu niedrig, dann kann ich Testosteron substituieren. Fehlen die Vorläuferhormone, so ist ß-HCG eine gute Option.

DAZ: Herr Prof. Zitzmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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