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Recht

Wirklich nur ein kleiner Piks?

Juristische Fragen rund um das Impfen in den Apotheken

Das Thema Impfen in der Apotheke spaltet die Gemüter. Obwohl sich die Apothekerschaft noch gar nicht einig ist, ob sie überhaupt will, ebnet der Gesetzgeber bereits den Weg zur Erweiterung der Kompetenz und Vergütung impfwilliger Berufskollegen. Dies wiederrum ruft Zweifel hervor, ob sich der impfende Apotheker berufsrechtlich nicht wegen unzulässiger Ausübung der Heilkunde strafbar machen könnte. | Von Dennis A. Effertz

Verbesserung der Impfquoten durch Impfungen in der öffent­lichen Apotheke – diese Idee scheint der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) der Apothekerschaft über eine damit (vermeintlich) einhergehende Aufwertung des Berufes schmackhaft machen zu wollen.

Da das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG), mit dem die Einführung von regionalen Modellvorhaben zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen sozialrechtlich über den neuen § 132j SGB V verankert werden sollte, derzeit ins Stocken geraten ist, strebt die Bundesregierung nun an, ihr Vorhaben mittels Änderungsantrag vom 16. Oktober 2019 in das Gesetz für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) zu überführen.

Inhaltlich bringt die aktuelle Entwicklung keine Änderungen mit sich, jedoch verdeutlicht sie, dass die Regierung das Impfen durch Apotheker unbedingt zeitnah ermöglichen will. Ob die Triebfeder hierfür das politische Versprechen an den Berufsstand zur Ermöglichung von pharmazeutischen Dienstleistungen oder tatsächlich die Schaffung eines niedrigschwelligen Zugangs zur Impfung ist, kann dahin­gestellt bleiben. Jedenfalls sollen Krankenkassen oder deren Landesverbände künftig mit Apotheken, Gruppen von Apotheken oder den Landesapothekerverbänden entsprechende Vorhaben vereinbaren.

Für die Teilnahme sind jedoch einige Voraussetzungen zu erfüllen (z. B. Schulung durch Ärzte, räumliche Voraussetzungen, Datenschutzvorgaben, etc.). Einige Apotheker stellen sich darüber hinaus allerdings bereits die wirklich wesentlichen Fragen: Dürfen wir überhaupt impfen? Unterliegen wir Apotheker nicht dem Heilkundeverbot, sodass ein Verstoß gegen die Berufsordnung droht? Kann eine Regelung im Sozialrecht das Berufsrecht „aushebeln“?

Steht das Sozialrecht über dem Berufsrecht?

Die Bedenken der Apotheker scheinen zunächst begründet. Praktisch jede Berufsordnung der Apothekerkammern beinhaltet einen Passus, über den das Heilkundeverbot zutage tritt. Auch wirkt das Sanktionsinstrumentarium im Falle berufsrechtlicher Verstöße alles andere als harmlos. Neben Verwarnung, Verweis oder Geldbuße könnte im schlimmsten Fall eine Unwürdigkeit des Apothekers festgestellt werden, sodass der Widerruf der Approbation drohen würde.

Dieses vermeintliche Drohszenario vermag der aktuelle Gesetzesentwurf tatsächlich nicht aufzulösen. Denn das Sozialrecht und das Berufsrecht koexistieren, stehen jedoch in keinem Über- oder Unterordnungsverhältnis. Selbst eine entsprechende Absicht oder die oft zitierten „Öffnungsklauseln“ in diesem Spezialfall der Modellvorhaben wären nutzlos, da verfassungsrechtlich zwar das Sozialrecht der Regelungskompetenz des Bundes unterliegt, nicht jedoch das Berufsrecht (Ländersache). Daher kann das Sozialrecht das Berufsrecht tatsächlich nicht aushebeln. Eben dies will der Gesetzgeber über den geplanten § 132j Abs. 4 Nr. 1 SGB V und die entsprechende Gesetzesbegründung ausdrücken, indem er auf die Gültigkeit und einen möglichen Anpassungsbedarf in den Berufsordnungen der jeweiligen Apo­thekerkammer hinweist.

An dieser Stelle könnte man meinen, dass die Kammern zwingend tätig werden müssten, um den Weg für Impfungen in Apotheken zu bereiten. Allerdings liegen die Kern­frage und damit die Lösung des Problems ganz woanders.

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Geht es der Bundesregierung tatsächlich um die Schaffung ­eines niedrigschwelligen Zugangs zur Grippeimpfung oder handelt es sich eher um das politische Versprechen zur ­Ermöglichung von Dienstleistungen in den Apotheken? – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit ABDA-Präsident Friedemann Schmidt beim Deutschen Apothekertag 2018.

Das Heilkundeverbot

Das Sozialrecht – hier SGB V – regelt, wer unter welchen Bedingungen welche Leistungen zugunsten von gesetzlich Versicherten erbringen und dafür eine Vergütung beanspruchen darf, nicht jedoch wer eine Maßnahme haftungs- bzw. strafrechtlich unbeschadet überhaupt durchführen kann. Deshalb könnte das Sozialrecht z. B. keine Impfung an Privatpatienten ermöglichen. Vielmehr bedarf es zunächst einer übergreifenden Rechtsgrundlage im öffentlichen Recht für das Impfen durch Apotheker bzw. darf es nicht verboten sein, um eine Strafbarkeit auszuschließen. Das (Landes-)Berufsrecht würde für Apotheker lediglich hinzukommen. Denn ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass die Heilkunde dem Apotheker erst durch die jeweilige Berufsordnung verboten wird (z. B. nach § 11 Berufsordnung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg [BO LAK BW] „Verbot der Heilkunde“). Dieses Verbot ist allerdings nur redundant normiert, da sich das Heilkundeverbot für jedermann unmittelbar aus dem Heilpraktikergesetz (HeilprG) ergibt.

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Eine Apothekenfiliale in New York weist in ihrem Schaufenster auf die Grippeimpfung hin.

Gemäß § 1 Abs. 1 HeilprG bedarf „wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will, einer Erlaubnis“. Eine solche Erlaubnis stellt die Approbationsordnung für Apotheker nicht dar. Denn die Approbation zum Apotheker erlaubt ihm die Ausübung pharmazeutischer Tätigkeiten nach § 2 Bundes-Apothekerordnung (BApO). Daher geht die Rechts­literatur beim Apotheker noch immer von einem Heilberuf im weiteren Sinne (i. S. v. einer Unterstützung des Arztes) aus, welcher nicht zur (Heil-)Behandlung befugt ist. Nur vereinzelte Stimmen haben sich in jüngerer Vergangenheit aufgrund der vielseitigen Behandlungselemente im apo­thekerlichen Wirken für seine Subsumption unter den Heilkundebegriff ausgesprochen.

Würde man das Impfen demnach dem Begriff der Heilkunde zuordnen, so wäre dem Apotheker die Durchführung bereits im Bundesrecht strikt untersagt und das Berufsrecht wohl das geringste Problem. Denn noch immer bestimmen die Kammern selbst, wann und wie sie berufsrechtliche Verstöße ermitteln und ahnden. Eine „Sabotage“ politisch gewollter Modellprojekte zur Verbesserung der Versorgung und Weiterentwicklung des Apothekerberufes wirkt weit unwahrscheinlicher, als Schadensersatzklagen potenziell (impf-)geschädigter Patienten, die sich auf einen zugrundeliegenden Rechtsverstoß stützen. Die einzig vorhandene Legaldefinition des Heilkundebegriffs liefert § 1 Abs. 2 HeilprG. Demnach ist die Ausübung der Heilkunde „jede berufs- oder gewerbsmäßige vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird“.

Die Berufs- und Gewerbsmäßigkeit des künftig impfenden Apothekers dürfte nicht in Zweifel gezogen werden. Auch würde ein gedankliches Konstrukt wie etwa das Impfen im Dienste des Arztes zusätzlich an der mangelnden Rechtsbeziehung zwischen beiden scheitern. Aber dienen Impfungen der Feststellung, Linderung oder Heilung? Wohl kaum. Impfungen wie die Grippeschutzimpfung sind eindeutig der Prävention zuzuordnen und sind demnach nicht dem Heilkundebegriff zurechenbar. Folglich existiert auch keine Rechtsgrundlage für einen Arztvorbehalt bzgl. der Durchführung von Impfungen. Nur so wird auch verständlich, warum entsprechende Injektionen im ärztlichen Praxis­alltag grundsätzlich an ausreichend qualifizierte nichtärztliche Mitarbeiter delegiert werden können, wobei die Impf­anamneseerhebung und die Aufklärung zur Impfung als heilkundliche Elemente in diesem Zusammenhang nicht delegierbar sind. Man kann somit bei der Durchführung von Impfungen von einer originär (delegationsfähigen) ärztlichen, nicht aber von einer heilkundlichen Tätigkeit sprechen. Die ärztliche Kontrolle über den Impfprozess bleibt allerdings in jedem Fall über die Ver- bzw. Anordnung des Impfstoffes erhalten.

Im Spezialfall der Grippeschutzimpfungen in Apotheken wäre die Substitution der Anamnese und Aufklärung jedoch möglich (und erforderlich), da ein Apotheker – entgegen dem nichtärztlichen Hilfspersonal – sowohl das hierfür notwendige pharmakologische Wissen durch seine Ausbildung als auch die Durchführungskompetenz durch die vorgeschriebenen Schulungen in sich vereinen würde. Der praktischen Umsetzung stünde an dieser Stelle dann theoretisch nur noch das strafbewehrte Abgabeverbot verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne ärztliche Verordnung im Wege, die ein Patient, der sich in der Apotheke ohne vorherigen Arztkontakt impfen lassen will, nicht hat. An dieser Stelle ist die Unterscheidung zwischen Abgabe und unmittelbarer Anwendung entscheidend; ersteres bedürfte der ärztlichen Verordnung, letzteres hingegen nicht, sodass das Arznei­mittelrecht den impfwilligen Apothekern nicht im Wege steht, wie es im Übrigen auch der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist.

Folgt man diesen Argumenten, so entfallen auf einen Schlag die vordergründigen straf- und berufsrechtlichen Bedenken. Denn was nicht verboten ist, ist ja grundsätzlich erst einmal erlaubt und präventive Leistungen sind beispielsweise nach § 1 Abs. 1 der BO LAK BW explizit den apothekerlichen Betätigungsfeldern zuzuordnen und damit dann berufsrechtlich unbedenklich.

Aber warum gibt der Gesetzgeber dann den Hinweis auf das Berufsrecht? Hier darf spekuliert werden. Im Idealfall unterstreicht der Bundesgesetzgeber lediglich die landesrecht­liche Gesetzgebungskompetenz, auch berufsrechtliche Verschärfungen normieren zu können (z. B. explizites Impf­verbot). Pragmatischer betrachtet, wird er lediglich keine 17 Berufsordnungen auf womöglich bereits existierende Hinderungsgründe für Apotheker hin untersuchen wollen. Wie bereits herausgestellt, stellt jedenfalls das dort auffindbare Heilkundeverbot einen solchen Hinderungsgrund nicht dar und ein explizites „Impfverbot“ findet sich ebenfalls nicht. Offenkundige berufsrechtliche Hürden sind damit Stand heute nicht ersichtlich. Lediglich zur Absicherung erteilt der Gesetzgeber den Kammern somit indirekt den Auftrag dies abschließend zu prüfen.

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Grauzone Piercen: Ein Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichts sieht in der Tätigkeit die Ausübung der Heilkunde, wenn eine örtliche Betäubung zum Einsatz kommt.

Was die Rechtsprechung zur Heilkunde sagt

Eine ernste Gefahr für das Impfvorhaben der Apotheker ergibt sich selbst dann nicht, wenn man der Legaldefinition nicht vollends trauen mag. Die Rechtsprechung hat die Anwendbarkeit des Heilkundebegriffs mangels gesetzgeberischer Reformen eigenständig weiterentwickelt. Sie weitet die enge Definition des HeilprG nur dann aus, wenn die Gesundheit von Patienten anderenfalls bedroht werden könnte. Ein Beispiel dafür wäre das aus rein „technischer Sicht“ womöglich mit dem Impfen vergleichbare Piercen unter Verwendung von Lokalanästhesie. Das Hessische Verwaltungsgericht bestätigte mit Urteil vom 2. Februar 2000 (Az.: 8 TG 713/99), dass diese Tätigkeit lediglich durch Personal mit entsprechender Kompetenz (Arzt, Heilpraktiker) durchgeführt werden dürfte. Hauptargument: die Anwendung einer örtlichen Betäubung mittels Injektion eines Arzneimittels stellt eine Ausübung der Heilkunde im Sinne des § 1 Abs. 2 HeilprG dar. Unabhängig von der Tatsache, dass diese Zuordnung wohl primär aufgrund der Lokalanästhesie – Schmerzlinderung ist deutlich der Heilkunde zu­zurechnen – so wäre, ist ein erhöhtes Risiko beim Impfen durch den ärztlich geschulten Apotheker – wie vom Gesetzgeber vorgesehen – eben nicht erkennbar, da die Schulungsmaßnahmen die geforderte Kompetenz gewährleisten. Der Fall zeigt allerdings, dass ein Apotheker unabhängig von der sozial- bzw. leistungsrechtlichen Vergütungsvoraussetzung auch straf- bzw. haftungsrechtlich immer einen Kompetenznachweis für die Durchführung von Impfungen nachweisen können muss. In den geplanten Modellprojekten wäre dieser Nachweis gegeben, jedoch könnte man als Apothekerschaft ja darüber nachdenken, Privatpatienten impfen zu wollen. Auch in diesem Fall wäre die entsprechend erworbene Kompetenz nachzuweisen, um sich schadlos zu halten.

Anders herum billigt die Rechtsprechung sogar die Ausübung der Heilkunde durch andere als die zugelassenen Berufsgruppen, sofern ein gesundheitlicher Mehrwert ersichtlich scheint. Beispielsweise lieferte das Bundesver­fassungsgericht bereits im Jahr 2000 eine durchaus übertragbar scheinende Rechtfertigungsgrundlage bzgl. Messdienstleistungen von Optikern. Dabei wurde der Nutzen durch die Feststellung von (Augen-)Krankheiten (= Heilkunde) höher gesehen, als die Gefahr, dass ein Arztbesuch vom Patienten vermieden werden würde. Diese Feststellung dürfte auf Impfdienstleistungen des Apothekers durchaus übertragbar sein, da die gesetzgeberische Intention ja eben die Erhöhung der Impfquote (gesundheitlicher Nutzen) durch die Einbindung der Apotheker ist. Damit existiert ein Rettungsanker, sofern man der Argumentation, dass Impfen keine Heilkunde ist, nicht folgen mag.

Impfen als pharmazeutische Tätigkeit?

Grundsätzlich ist das Impfen dem geschulten Apotheker somit nicht verboten. Vereinzelt diskutiert wird darauf aufbauend allerdings die Frage, ob diese Leistung damit künftig zu einer pharmazeutischen Tätigkeit wird oder werden müsste, um sie rechtssicher in der Apotheke erbringen zu dürfen. In der Tat fehlt das Impfen in der Auflistung nach § 2 BApO, doch die Formulierung „insbesondere“ zeigt, dass diese Liste nicht abschließend ist. Ein Verbot kann sich hieraus somit ebenfalls nicht ergeben. Ähnlich verhält es sich mit der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). Das Impfen wäre als Applikation des Arzneimittels nicht als Ware, sondern als apothekenübliche Dienstleistung nach § 1a Abs. 11 ApBetrO zu klassifizieren und dürfte aufgrund des ebenfalls nicht abschließenden Charakters in öffentlichen Apotheken grundsätzlich angeboten und durchgeführt werden. Die Definition der pharmazeutischen Tätigkeit im Rahmen der ApBetrO dient regulatorisch lediglich der Klarstellung des „Apothekervorbehaltes“ in der Apotheke gemäß § 5 Abs. 3 ApBetrO. Das Fehlen der Impfung in dieser Auflistung würde allenfalls eine Diskussion erlauben, ob nicht entsprechend geschultes Apothekenpersonal grundsätzlich ebenfalls impfen dürfte – unabhängig von der sozialrechtlichen Vergütungsfrage.

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Expopharm 2019 – ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold und DAV-Vorsitzender Fritz Becker erhalten ihre Grippe-Impfung.

Eine Frage der Haftung

In den aktuellen Diskussionen um die möglicherweise un­zulässige Ausübung der Heilkunde geht leider ein für Apotheker sehr wesentlicher Aspekt unter: die Haftungsfrage. Bisher lag der Fokus im Apothekenalltag auf der Herstellerhaftung nach § 84 Arzneimittelgesetz (AMG) und die Apothekerhaftung spielte allenfalls eine Nebenrolle (Haftung für Abgabefehler, mangelhafte Rezepturherstellung, etc.). Juristisch gesehen sind eine Injektion und somit auch eine Impfung allerdings als Körperverletzung zu klassifizieren. Deshalb muss der Patient im Vorfeld zwingend seine Einwilligung erteilen. Eine solche kann nur nach ordnungsgemäßer Aufklärung – durch denjenigen, der die Einwilligung für den Eingriff benötigt – wirksam erteilt werden. Die Vorstellung, dass der Arzt die Aufklärung somit im Vorfeld durchführen könnte – wie im Falle der heutigen Delegation – scheitert an diesem Punkt.

An dieser Stelle wird deutlich, dass spätestens das Impfen zur (analogen) Anwendbarkeit des Behandlungsvertrages nach § 630a ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für Apotheker führen dürfte. Denn über Anamnese, Aufklärung, Therapieauswahl und -durchführung sind künftig alle behandlungsrechtlichen Elemente im Wirken des impfenden Apothekers vereint. Dies geht mit vollen Haftungsansprüchen des Patienten gegenüber der Apotheke für die gesamte Behandlungstätigkeit einher. Der Gesetzgeber verweist allerdings nur beiläufig auf die mögliche Notwendigkeit von Regelungen zu Haftpflichtversicherungen in den Modellvorhaben. Dadurch droht die haftungsrechtliche Bedeutung der neuen Impftätigkeit unterzugehen. Denn worüber bisher noch niemand spricht, ist die aufgrund der Nähe zum Behandlungsvertrag drohende Beweislastumkehr nach § 630h BGB im Falle eines groben Fehlers, wie sie heute beim Arzt – auch im Falle der Delegation! – greift. Die Rechtsprechung dürfte eine beweisrechtliche Ungleichbehandlung zulasten des Patienten, abhängig von der Frage „wo“ und „durch wen“ ein und dieselbe Maßnahme durchgeführt wird, nicht akzeptieren. Diese Beweisfigur ist jedoch zum einen in der Apo­thekerhaftung insbesondere in Bezug auf die Abwehr von Schadensersatzansprüchen im Vergleich zur Arzthaftung nicht im Ansatz entwickelt und zum anderen dürfte sich in diesen Fällen des groben Fehlers regelmäßig die Frage stellen, ob eine Versicherung letztlich für den Schaden eintreten muss – Stichwort: Fahrlässigkeit.

Fazit

Die derzeitige Sorge, dass die geplante Impftätigkeit des Apothekers ihn die Grenze zur Heilkunde übertreten lassen würde, ist zwar nachvollziehbar, erscheint aus rechtlicher Sicht allerdings unbegründet – Impfen ist Prävention und damit keine Heilkunde. Auch rein praktisch wäre es schwer vorstellbar, dass die (Berufs-)Aufsicht diese gesetzgeberische Kompetenzerweiterung des Berufsbildes in ihrer Verwaltungspraxis torpedieren würde. Wichtiger dürfte sein, die Haftungsrisiken in den anstehenden Vertragsverhandlungen monetär abzubilden. Mit einer gewissen Ungewissheit im Schadensfall müssen die impfwilligen Apotheker allerdings vorerst leben. |

Literatur

Berufsordnung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg

Bundesärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung, Persönliche Leistungserbringung – Möglichkeiten und Grenzen der Delegation ärzt­licher Leistungen, verfügbar unter: https://www.bundesaerztekammer.de/richtlinien/thematische-uebersicht/delegation/, abgerufen am 24.10.2019

BVerfG, Urt. v. 17.07.2000 - 1 BvR 254/99

Deutsch Erwin, Spickhoff Andreas. Medizinrecht, 7. Auflage, Heidelberg 2014

Effertz Dennis. Der Behandlungsfehler des Apothekers: Zur Behandlung der Beweislastumkehr nach § 630h BGB auf den Apotheker – Startschuss für ein Apothekerhaftungsrecht, 1. Auflage, Freiburg 2019

Fachlicher Änderungsantrag 1 der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Entwurf eines Gesetzes für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz), BT-Drs. 19/13452

Henke Rudolf, in: NRW-Gesundheitsministeriun fordert rasche Reform des Heilpraktikergesetzes, Ärzteblatt 2016, verfügbar unter: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/70341/NRW-Ge%C2%ADsund%C2%ADheits%C2%ADmi%C2%ADnis%C2%ADterin-fordert-rasche-Reform-des-Heilpraktikergesetzes

Lippert Hans-Dieter. Die Haftung des Apothekers, in: Wenzel, Frank (Hrsg.), Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 2. Auflage, Köln 2007

Robert-Koch-Institut, Rechtliche Fragen zum Impfen, verfügbar unter: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/AllgFr_RechtlFragen/faq_impfen_RechtlFragen_ges.html, abgerufen am: 25.10.2019

VG Hessen, Urt. V. 02.02.2000 – 8 TG 713/99

Autor

Dr. Dennis A. Effertz, LL. M.,

Stu­dium der Pharmazie, Approbation als Apotheker, Promotion in Medizinwissenschaften, Masterstudium Medizinrecht, AMTS-Manager, www.dr-effertz.de

4 Kommentare

Ihre AW auf meine Frage

von Dr. Dietmar Roth, Rottenburg am 06.11.2019 um 8:34 Uhr

Sehr geehrter Herr Effertz,
vielen Dank für Ihre Antwort, Klarstellung und weiteren Erläuterungen.

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Ihre AW auf meine Frage

von Dr. Dietmar Roth, Rottenburg am 06.11.2019 um 8:34 Uhr

Sehr geehrter Herr Effertz,
vielen Dank für Ihre Antwort, Klarstellung und weiteren Erläuterungen.

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Anwendung von Rx-AM in der Apotheke

von Dr. Dietmar Roth am 04.11.2019 um 11:04 Uhr

Sehr geehrter Herr Effertz,
vielen Dank für ihre erste Einschätzung der juristischen Fragen rund um das Impfen in Apotheken.
Dazu habe ich als praktischer Apotheker und Nichtjurist eine Frage.
Sie schreiben dass es zur unmittelbaren Anwendung von RX-AM in der Apotheke keiner ärztlichen Verschreibung bedürfe.
Das würde bedeuten, dass ich z.B. einem kardiovaskulärem Hochrisikopatienten, der keine Bisoprolotabletten mehr hat, in der Apotheke eine Tablette zur unmittelbaren Anwendung zur Prävention eines Myocardinfarktes geben darf ( oder sogar geben muss!).
Darf oder muss ich, oder darf ich nicht und muss auch nicht?
Mit freundlichen Grüßen
Dietmar Roth

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AW: Anwendung von Rx-AM in der Apotheke

von Dr. Dennis A. Effertz am 05.11.2019 um 15:55 Uhr

Guten Tag sehr geehrter Herr Roth,

vielen Dank für Ihre Frage. Hierbei wird ersichtlich, wie wichtig die sequenzielle Differenzierung bei diesen Themen ist. Denn Ihr Beispiel - stellvertretend für jede klassische Arzneimitteltherapie - ist ganz klar der Heilkunde zuzuordnen und bereits deswegen in der Apotheke nicht möglich.
Der Gedankengang: Was macht einen "kardiovaskulärem Hochrisikopatienten" zu einem eben solchen? Dies dürften Grunderkrankungen sein, die a) diagnostiziert und b) behandelt werden müssen. Beides wäre Ihnen als Apotheker untersagt. Da man bei einer Arzneimitteltherapie wie hier auch nicht von einer reinen Präventionsleistung, sondern vor dem Hintergrund der primären Blutdrucksenkung allenfalls von einer Art mittelbaren Tertiärprävention sprechen kann, ergibt sich auch keine erkennbare Abgrenzungsschwierigkeit.
Durch den heilkundlichen Arztvorbehalt der (Arzneimittel-)Therapie scheidet dann die unmittelbare Anwendung als Alternative zur Abgabe von Rx ohne Rezept aus. Die Frage stellt sich erst gar nicht.

Unbenommen davon, haben Sie in der Realität natürlich im Ernstfall immer die undankbare Abwägungsentscheidung im Einzelfall zwischen unterlassener Hilfeleistung und dem verwaltungsrechtlichen Verstoß der Abgabe von Rx ohne Verordnung zu treffen. Diese individuellen Einzelfälle muss i. d. R. ein Gericht klären. Das sind die "Klassiker" mit denen man auch immer die PhiPs im 3. Staatsexamen aus der Reserve locken will. Eine generelle Lösung würde einer Quadratur des Kreises entsprechen. Meine Ausführungen zu der aktuellen Impfthematik können hier ebenfalls nicht helfen.

Kurz gesagt: Sobald die Heilkunde ins Spiel kommt, ist die Tür erst einmal zu.

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