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Die Kontrolle übernehmen

Wie wir die Tricks der Werbung für uns selbst nutzen können

us | Überall begegnet uns im täg­lichen Leben Werbung: In Smartphone-Apps, sozialen Medien und im öffentlichen Raum strahlt sie uns entgegen. Sie schleicht sich in unser Unterbewusstsein und gibt uns mehr oder weniger versteckte kleine Hinweise wie: „Hey, diese Schokolade solltest du probieren!“ Im Supermarkt glaubt der mündige Bürger, von ganz allein auf die Idee gekommen zu sein, den neuen Schokoriegel kaufen zu wollen. Kleine Hinweise und Verhaltens­manipulationen können aber auch nicht-kommerziell eingesetzt werden, um gezielt Angewohnheiten zu beeinflussen.

Die Kontrolle übernehmen


In der Werbebranche werden viele Tricks eingesetzt, um das Entscheidungs­verhalten der Menschen zu beeinflussen. Warum sollte man nicht zu seinem eigenen Manipulant werden?

Foto: andreas hennings/EyeEM – stock.adobe.com

Werden in der Schulcafeteria Obst und Gemüse gut sichtbar auf Augenhöhe und Kuchen und Desserts in einer schlechter einsehbaren Ecke präsentiert, beeinflusst das die Kaufentscheidung der Schüler. Sie könnten so dazu verleitet werden, zu gesünderen Speisen zu greifen. Diese Strategie funktioniert besonders gut, wenn den Personen gar nicht bewusst ist, dass sie manipuliert werden sollen. Wissenschaftler nennen solche Tricks Nudging, also in etwa Anstupsen oder Anstoßen. Das Nudging stellt prinzipiell ein ethisches Problem dar, da in das Unterbewusstsein und die freie Entscheidung einer Person eingegriffen wird. Wer sich aber selbst schädliche Verhaltens­muster abgewöhnen will, kann kleine Anstupser in seinem Alltag platzieren, also Self-Nudging betreiben.

Die Geheimnisse des Nudgings

Wissenschaftler der Universität Helsinki und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin haben im Fachjournal Behavioural Public Policy eine systematische Übersicht zu diesem Thema veröffentlicht. Darin unterscheiden sie vier Kategorien von Self-Nudges:

  • Eine Möglichkeit sind selbstplatzierte Erinnerungen und Aufforderungen. Wer sich etwa Gedanken über erhöhte CO2-Emmissionen durch seinen Fleischkonsum macht, kann eine informative Grafik an ­seinem Kühlschrank platzieren, die ihn täglich daran erinnert, seine ­Ernährungsweise zu überdenken.
  • Das Framing ist eine weitere Möglichkeit des Self-Nudgings. Dabei wird der Kontext einer Entscheidung verändert. Wer sich beispielsweise entscheiden muss, ob er mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt oder aus Bequemlichkeit das Auto wählt, kann dies zu einer Entscheidung über seine Person machen: Möchte ich jemand sein, der aus Prinzip die umweltschonendere Variante wählt oder bin ich jemand, dem solche Dinge egal sind?
  • Die dritte Möglichkeit des Self-­Nudging ist die veränderte Zugänglichkeit. Das Beispiel der Cafeteria mit prominent platziertem Obst und Gemüse lässt sich auch zu Hause anwenden. Der Salat könnte gut sichtbar mitten im Kühlschrank stehen, die Kartoffelchips dagegen werden außerhalb der Sicht und schlecht erreichbar ganz hinten in der untersten Schublade aufbewahrt.
  • Als vierte Kategorie führen die Autoren sozialen Druck auf. Das soziale Umfeld wird dabei in ein Vorhaben einbezogen. Wer beispielsweise weniger Alkohol trinken möchte und in seinem Freundeskreis davon erzählt, steht unter größerem Druck sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, als jemand, der den Entschluss still für sich fasst.

Durch Self-Nudging kann jeder mit einfachen Mitteln seine Selbstkontrolle stärken, um selbst gesetzte Ziele zu erreichen. Dabei beinhaltet es nicht die ethischen Probleme, die das Nudging von außen mit sich bringt. Auch praktische Probleme werden umgangen. Jede Person kann sich ihre Anstupser im privaten Umfeld platzieren, sodass kein äußerer Akteur zugreifen könnte. Die Autoren der Publikation, der Philosoph Dr. Samuli Reijula und der Psychologe Dr. Ralph Hertwig, halten es für sinnvoll, dass Verbraucherschutzorganisationen den Menschen das Self-Nudging als Alltagswerkzeug an die Hand geben. Jeder wird so in die Lage versetzt, automatisch und freiwillig Veränderungen in seinem Leben vorzunehmen, die allgemein als erstrebenswert angesehen werden. |

Literatur

Reijula S, Hertwig R. Self-nudging and the citizen choice architect. Behav Public Policy 2020; doi:10.1017/bpp.2020.5

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