Pandemie Spezial

Corona-Ticker

Neuigkeiten zu SARS-CoV-2 in Kürze

mab | Seitdem der Ausbruch des Coronavirus in Wuhan/China bekannt geworden ist und sich zu einer Pandemie ausgeweitet hat, überschlagen sich die Meldungen. Täglich ergeben sich neue Erkenntnisse zu Übertragung, Verlauf und Behandlungsoptionen des Virus.
Grafiken: GEMINI – stock.adobe.com

Wir sichten regelmäßig die Informationsflut und haben wichtige Mitteilungen und neue Erkenntnisse der letzten Wochen zusammengefasst:

Neuer Wirkstoffkandidat in Phase-II-Studie

Mit M5049 hat die Firma Merck KGaA einen neuen Kandidaten auf der Suche nach COVID-19-Behandlungsoptionen ins Rennen geschickt. Es handelt sich bei M5049 um einen niedermolekularen Wirkstoff, der die Aktivierung der beiden Toll-Like-Rezeptoren (TLR) 7 und 8 verhindern soll. Diese erkennen als Sensoren des angeborenen Immunsystems virale Einzelstrang-RNA, darunter auch die von SARS-CoV-2. Wird die Aktivierung dieser TLR durch M5049 verhindert, werden weniger Immunzellen mobilisiert. Man erhofft sich dadurch einen abgeschwächten Zytokinsturm, der als schwere Komplikation bei COVID-19-Patienten gilt. Aktuell wird der Wirkstoff in den USA und Brasilien in einer dreiarmigen Phase-II-Studie getestet: Von den 150 Probanden bekommen randomisiert zwei Gruppen neben der Standardtherapie mit antiviralen Medikamenten verschiedene Dosierungen von M5049 verabreicht, die Kontrollgruppe erhält die Standardtherapie plus Placebo. Ende 2020 werden die Ergebnisse dieser Phase-II-Studie erwartet. [Pressemitteilung der Merck KGaA, 25. Juni 2020]

Mit Pflanzenpower gegen das Coronavirus?

SARS-CoV-2 ruft starke Entzündungsreaktionen, vor allem in der Lunge, hervor. Daher wird weltweit mit verschiedenen antiinflammatorischen Substanzen versucht, die Lungenentzündung bei COVID-19 in den Griff zu bekommen. Eine kleine randomisierte griechische Studie hat den Einfluss von Colchicin, das traditionell zur Behandlung der Gicht eingesetzt wird, auf den Krankheitsverlauf von COVID-19-Patienten untersucht. Dabei bekamen 55 der 105 hospitalisierten Patienten neben der Standardtherapie niedrig dosiertes Colchicin verabreicht, die übrigen Probanden wurden nur mit den Standardtherapeutika behandelt. Drei Endpunkte wurden in der Studie untersucht: Zum einen wurden die Patienten auf einen Troponin-Wert-Anstieg gescreent, welchen die Forscher als Folge kardialer Schädigung durch SARS-CoV-2 vermutet haben. Hier ließ sich jedoch kein statistisch signifikanter Unterschied feststellen. Auch bei der Messung des Entzündungsparameters C-Reaktives Protein wurde kein Vorteil in der Colchicin-Gruppe (Median: 4,5 mg/dl) gegenüber der Gruppe, die kein Gichtmittel erhalten hatte (3,1 mg/dl), gefunden. Beim dritten Endpunkt wurde der Zeitraum, innerhalb dessen sich der klinische Zustand des Patienten um 2 Punkte auf einem 7-Punkte-Score verschlechtert hatte, gemessen. Hier ließ sich ein Vorteil in der Colchicin-Gruppe detektieren. So verschlechterte sich der Zustand von sieben Personen in der nur mit Standardtherapie behandelten Gruppe, in der Mitosehemmstoff-Gruppe nur von einer. Die Zeit, bis sich der klinische Zustand verschlechtert hatte, war in der Colchicin-Gruppe ebenfalls kürzer (18,6 Tage versus 20,7 Tage). Limitationen dieser Studie sind, dass es sich um eine offene Studie gehandelt hat und zudem die gefundenen Ergebnisse eine relativ geringe statistische Aus­sagekraft haben. Es bleiben daher die Ergebnisse von zwei weiteren Studien zu Colchicin bei der COVID-19-Therapie abzuwarten. [Deftereos SG et al. JAMA 2020. doi:10.1001/jamanetworkopen.2020.13136]

Finales Go für Remdesivir

Nachdem sich der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) positiv für eine bedingte Zulassung von Remdesivir (Veklury®) bei der Behandlung von COVID-19-Patienten ausgesprochen hatte, hat die europäische Zulassungsbehörde EMA jetzt dieser Empfehlung stattgegeben. (s. DAZ 2020, Nr. 27, S. 34) Ab sofort ist das Arzneimittel in Europa bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren mit einer SARS-CoV-2-bedingten Lungenentzündung und gleichzeitigem Sauerstoffbedarf zugelassen. [Pressemitteilung der Gilead Sciences GmbH, 3. Juli 2020]

Lopinavir/Ritonavir enttäuschen

In der weltweit größten COVID-19-Behandlungsstudie, der RECOVERY-Studie, mit mehr als 11.800 Probanden, werden verschiedene Therapieoptionen gegen COVID-19 randomisiert untersucht. Nachdem mit Hydroxychloroquin, welches sich als unwirksam herausgestellt hat, und mit niedrig dosiertem Dexamethason, welches signifikant das Sterberisiko der COVID-19-Patienten gesenkt hat, zwei Studien­arme bereits beendet worden waren, haben die Initiatoren jetzt schlechte Neuigkeiten: Der Studienarm mit der Behandlungsoption Lopinavir/Ritonavir bringt keinen Vorteil. Bei beiden Wirkstoffen handelt es sich um Substanzen, die normalerweise in der Therapie von HI-Viren eingesetzt werden, und die die virale Protease in der Replikationsphase hemmen. Ritonavir wird hauptsächlich gegeben, um die Wirkung von Lopinavir zu verbessern, indem es dessen Abbau verhindert. Die 28-Tage-Sterblichkeit der COVID-19-Patienten konnte durch den Einsatz der Protease-Inhibitoren nicht gesenkt werden (22,1% in der Verum-Gruppe und 21,3% in der Placebo-Gruppe). Ebenso wurde kein Vorteil auf die Klinikaufenthaltsdauer der Patienten und auf das Risiko der Progression zur mechanischen Beatmung festgestellt. Der Lenkungsausschuss der Studie kam daher zu dem Ergebnis, dass Lopinavir und Ritonavir keinen positiven Effekt bei der Behandlung von COVID-19-Patienten haben, und haben den Studienarm daher abgebrochen. Keine Aussage kann über die Wirksamkeit bei mechanisch beatmeten Patienten gemacht werden, da sich die Verabreichung der Protease-Hemmer bei diesen Patienten als schwierig erwiesen hat. Die vollständigen Ergebnisse werden jedoch bald zur Verfügung gestellt. Zwei weitere Studienarme der RECOVERY-Studie laufen aktuell noch: In einem Studienarm wird dabei die Behandlung der mit SARS-CoV-2 Infizierten mittels Rekonvaleszentenplasma untersucht. Der andere Studienarm untersucht die Wirksamkeit des IL-6-Rezeptor-Blockers Tocilizumab. [Pressemitteilung der Universität Oxford, 29. Juni 2020]

Überraschende Neuigkeiten zu Hydroxychloroquin

Nachdem neben der RECOVERY-Studie mehrere andere Studien zu dem Ergebnis gekommen waren, dass Hydroxychloroquin keinen Nutzen in der Behandlung von COVID-19-Patienten hat, verkündet Großbritannien nun, dass eine große Studie zum prophylaktischen Einsatz von Hydroxychloroquin und Chloroquin gegen COVID-19 nach kurzer Pausierung fortgeführt werden soll. An der Studie, die von der Universität Oxford unterstützt wird, sollen rund 40.000 im Gesundheitswesen tätige Personen teilnehmen. Eine andere Präventionsstudie kam vor Kurzem zu keinem vielversprechenden Ergebnis, allerdings wies sie auch viele Limitationen auf (siehe DAZ 2020, Nr. 24, S. 38 – 39). [Mitteilung des MORU Tropical Health Networks, 29. Juni 2020]

Neuer Erreger im Vormarsch?

Die aktuelle Pandemie ist noch nicht gebannt, da warnen chinesische Forscher bereits vor einem neuen Erreger, der möglicherweise eine Pandemie auslösen könnte. Bei dem G4-Influenza-Virus handelt sich um einen Vertreter der Schweinegrippenviren, der alle wesentlichen Merkmale mitbringen soll, um einen Menschen infizieren zu können. Das hochinfektiöse Virus vermehrte sich bei den Versuchen in menschlichen Zellen und verursachte bei Frettchen schwerwiegendere Symptome als andere Viren. G4 stammt von dem 2009 bekannt gewordenen Schweinegrippevirus H1N1 ab, das weltweit mehr als 18.000 Menschen das Leben gekostet hat. Inwieweit das Virus tatsächlich eine Pandemie aus­lösen kann oder nicht, bleibt abzuwarten. [PNAS 2020, doi:10.1073/pnas.1921186117]

HIV-Therapie und COVID-19

Trotz dem durch das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) geschwächten Immunsystem hat sich AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome) in den letzten Monaten nicht als schwerwiegende Komorbidität bei COVID-19-Patienten heraus­kristallisiert. Diskutiert wird, dass die HIV-Therapie möglicherweise die Komplikation von COVID-19 in Form einer überschießenden Immunantwort, auch als Zytokinsturm bekannt, abschwächen kann. Eine spanische Kohortenstudie hat sich daher speziell die antiretrovirale Therapie von mit SARS-CoV-2 infizierten AIDS-Patienten angeschaut. Von 77.590 mit HIV infizierten Personen wurde bei 236 COVID-19 diagnostiziert, 151 mussten in ein Krankenhaus eingewiesen werden, 15 davon auf die Intensivstation, 20 starben. Wie auch in der nicht an AIDS erkrankten Bevölkerung erhöhten die Faktoren männliches Geschlecht und Alter über 70 Jahre das Risiko, hospitalisiert zu werden. Die meisten Patienten erhielten als HIV-Therapie eines der drei folgenden Therapieregime:

  • Tenofovir-Alafenamid (TAF) plus Emtricitabin (FTC) (Descovy®)
  • Tenofovir-Disoproxil-Fumarat (TDF) plus FTC (z. B. Emtenovo®)
  • Abacavir (ABC) plus Lamivudin (3TC) (z. B. Kivexa®)

Mit 10,5 Fällen (auf 10.000 Fälle gerechnet) war das Risiko, aufgrund von COVID-19 in ein Krankenhaus eingewiesen werden zu müssen, bei einer Therapie mit TDF plus FTC am niedrigsten (Vergleich: TAF/FTC: 20,3 Fälle; ABC/3TC: 23,4 Fälle; andere Therapieregime: 20 Fälle). [Del Amo J et al. Annels of Internal Medicine 2020. doi: 10.7326/M20-3689] |

 

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