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Toxikologie

Pyrethroide unter Verdacht

Epidemiologische Daten nicht aussagekräftig

Pyrethroide sind weit verbreitete Insektizide. Im Vergleich zu den früher üblichen Organophosphaten oder polychlorierten aromatischen Kohlenwasserstoffen ist ihre Anwendung relativ unproblematisch. Akute Vergiftungen sind selten, und die Stoffe persistieren nicht in der Umwelt. Gibt es vielleicht doch Risiken, die bisher nicht bekannt sind? In zahlreichen epidemiologischen Arbeiten wurden mögliche gesundheitliche Gefahren untersucht. Einige Autoren beschreiben Assoziationen mit Veränderungen der Fertilität oder der prä-/postnatalen Entwicklung sowie Erkrankungen der Atemwege. Eine der neueren Studien fand eine schwache Assoziation mit kardiovaskulären Erkrankungen. Angesichts der Bedeutung dieser Stoffgruppe müssen die epidemiologischen Daten sorgfältig analysiert und bewertet werden. Deuten sie auf echte Risiken hin oder handelt es sich um Zufallsbefunde? | Von Anna Sonnenburg und Ralf Stahlmann 

Aus den Blüten von Chrysanthemen-Arten, insbesondere Tanacetum cinerariaefolium, wird Pyrethrum gewonnen, ein natürliches Insektizid. Die insektizide Wirkung von Pyrethrum ist bereits seit dem Altertum bekannt, so wurde es in China und Persien bereits um 400 v. Chr. eingesetzt. Nach Europa soll es Anfang des 19. Jahrhunderts gekommen sein. Der japanische Geschäftsmann Eiichiro Ueyama warb um 1880 für die Verwendung von Pyrethrum zur Moskitoabwehr und seine Frau Yuki entwickelte die noch heute bekannte Moskitospirale, bei der Pyrethrum verbrannt wird, um einen insektenabwehrenden Rauch zu erhalten [Matsuo, 2019].

Die Hauptbestandteile des Gemisches Pyrethrum sind die Pyrethrine. Die chemische Grundstruktur der Pyrethrine wurde Anfang des 20. Jahrhunderts aufgeklärt. Mitte der 1950er-Jahre konnten dann die Konfigurationen der Säurekomponente (Pyrethrinsäure bzw. Chrysanthemumsäure) und der Alkoholkomponente (Pyrethrolon) ermittelt werden (Abb. 1). Es wurden zudem die Nebenbestandteile des Pyrethrums, die Cinerine und Jasmoline, entdeckt.

Abb. 1: Bestandteile des Pyrethrums [nach Fromme, 2005]

Heute werden überwiegend verschiedene synthetische Derivate der Pyrethrine – die Pyrethroide – als Insektizide im häuslichen Bereich eingesetzt. Das erste kommerziell verwertbare Pyrethroid war das 1949 erstmals synthetisierte Allethrin [Matsuo, 2019]. Inzwischen wurden über 1000 Derivate synthetisiert. Etwa ein Dutzend von ihnen werden im Haushalt zum Beispiel zur Abwehr von stechenden Insekten eingesetzt, etwa in beschichteten Moskitonetzen, Läuse­shampoos oder Floh- und Zeckenhalsbändern für Haustiere [Bao, 2019]. So findet sich Pyrethrumblüten-Extrakt in Goldgeist® forte zur Behandlung bei Kopflausbefall. Permethrin steht als Crème (50 mg/g) zur Behandlung der Scabies bei Erwachsenen und Kindern (z. B. Infectomite®, Gepescab®) sowie als Lösung (4,3 mg/ml) zur Behandlung von Kopflausbefall (z. B. Infectopedicul®, Biomopedicul®) zur Verfügung. Zur Anwendung am Tier wird Permethrin als Spot-on-Lösungen angeboten (z. B. Advantix® Spot-on-Lösung zum Auftragen [500 mg/ml], Exspot® Lösung für Hunde [715 mg/ml]) sowie Deltamethrin als Halsband (Scalibor® Protectorband [760 bis 1000 mg pro Halsband]) oder als Suspension zum Auftragen (Butox® Protect [7,5 mg/ml]). Für die Anwendung im Haushalt und Garten gibt es als insektizides Spritzmittel gegen beißende und saugende Insekten Deltamethrin z. B. als Decis® forte oder DeltaX Garten- und Rosen-Schädlingsspray, das Permanent® Ungeziefer-Spray als Sprühmittel gegen Schaben, Silberfischchen oder Ameisen enthält einen Chrysanthemum-cinerariaefolium-Extrakt, Pyrethrine sind z. B. enthalten in Schädlingsfrei Compo® Plus gegen saugende Insekten, Schildläuse (Woll- und Schmierläuse) sowie Spinnmilben.

Wirkmechanismus und akute Toxizität

Die häufig verwendeten Pyrethroide Permethrin, Cyfluthrin und Deltamethrin (Abb. 2) sind (photo-)stabiler und haben eine stärkere und/oder länger anhaltende insektizide Wirkung als der Naturstoff und die ersten Derivate. Sie wirken als Kontakt- oder Fraßgift oder bei Aufnahme über die Atemluft. Die insektizide Wirkung basiert auf der reversiblen Verlängerung des physiologischen Natriumionen-Einstroms an Nervenmembranen durch Offenhalten der spannungsabhängigen Natriumionen-Kanäle. Insekten reagieren sehr empfindlich auf die Pyrethroide, so dass sie bereits durch sehr niedrige Konzentrationen getötet werden. Prinzipiell kann der Natriumionen-Einstrom auch in den Nervenzellen eines Säugetiers beeinflusst werden, doch sind die erforderlichen Konzentrationen um mehrere Größenordnungen höher und akute Intoxikationen des Menschen sind seltene Ereignisse.

Im Tierexperiment oder bei einer akuten Intoxikation eines Menschen lassen sich Unterschiede zwischen verschiedenen Pyrethroiden erkennen. Pyrethrine und ältere Pyrethroide ohne α-Cyano-Substitution, wie Permethrin, werden Typ-I-Pyrethroide genannt. Sie bewirken kurze sich wiederholende Nervenimpulse, wodurch ein Syndrom ausgelöst wird, das im Säugetierorganismus durch Tremor bestimmt ist (T-Syndrom). Typ-II-Pyrethroide mit α-Cyano-Substitution, wie etwa Cyfluthrin und Deltamethrin, hingegen bewirken langanhaltende Folgen von Nervenimpulsen an den sensiblen Nervenfasern, wodurch insbesondere Choreoathetose (Bewegungsstörung der Extremitäten- und Gesichtsmuskulatur) und Speichelfluss entstehen (CS-Syndrom). Andere Pyrethroide lösen sowohl Tremor als auch Speichelfluss aus (TS-Syndrom). Die Wirkungsdauer ist dabei spezies- und substanzabhängig [Marquardt, 2013]. Diese reversiblen neurotoxischen Effekte sind auch als Leitsymptome einer akuten Intoxikation mit Pyrethroiden zu bewerten.

Abb. 2: Ausgewählte Pyrethroide [nach Marquardt, 2013]

Akute Vergiftungen

Vergiftungen mit Pyrethroiden stehen meist im Zusammenhang mit unsachgemäßer beruflicher Verwendung, versehentlicher Zufuhr bei Kindern und Erwachsenen oder mit Suizidversuchen. Neben lokalen Symptomen, wie einer Reizung der Schleimhäute im Mund und Rachen, können systemische Effekte auftreten. Wirkungen am ZNS, wie Kopfschmerzen, Schwindel, Sehstörungen sowie Krampfanfälle und Koma sind charakteristische Symptome einer akuten Intoxikation, die innerhalb einiger Minuten auftreten und tagelang anhalten können. Weitere Symptome sind Muskelfaszikulationen, Beeinträchtigung der Lungenfunktion oder kardiale Veränderungen. Reversible EKG-Veränderungen und Tachykardien sind im Zusammenhang mit Pyrethroidvergiftungen beschrieben worden. Eine Unterscheidung zwischen Pyrethroid-bedingten Effekten und solchen, die durch Lösungsmittel oder andere Bestandteile der Zubereitungen verursacht wurden, kann im Einzelfall schwierig sein. Insgesamt sind Todesfälle selten. Bei sieben von 573 Personen, bei denen in China eine Intoxikation festgestellt wurde, endete eine akute Pyrethroidvergiftung tödlich [Bradberry et al., 2005].

Rasche Elimination schützt vor toxischen Wirkungen

Eine Erklärung für die relativ geringe Toxizität der Pyrethroide bietet die rasche Elimination der aufgenommenen Mengen. Pyrethroide werden im Säugetierorganismus zwar nahezu vollständig resorbiert, die Elimination erfolgt jedoch rasch, im Mittel mit einer Halbwertszeit von weniger als acht Stunden. Pyrethroide werden intensiv über Cytochrom-P450-abhängige Monooxigenasen und Esterasen metabolisiert und so detoxifiziert. Dabei entstehen die korrespondierende Säure und die entsprechende Alkoholkomponente.

Auch Insekten verfügen über wirksame Esterasen und können daher Pyrethroid-Resistenz entwickeln, wenn der Abbau der Stoffe beschleunigt wird. Als Konsequenz dieser Erkenntnisse werden den Pyrethroiden Enzyminhibitoren wie Piperonylbutoxid (PBO) zugesetzt, um die Wirkung wiederherzustellen oder zu verstärken. Piperonylbutoxid wird daher als „Synergist“ bezeichnet [Ishaaya, 1993]. Das folgende aktuelle Beispiel belegt die Wirksamkeit des Synergisten. In Malariagebieten werden dauerimprägnierte Moskitonetze verwendet, um eine Übertragung der Malaria durch Mücken zu verhindern. Diese Bettnetze (LLIN, long lasting insecticidal nets) sind nachweislich eine wirksame Maßnahme zur Prävention der Malaria. Eine aktuelle Studie aus Uganda, Afrika, zeigte eine bessere Wirkung, wenn die Netze nicht nur mit Permethrin (OlysetTM plus) oder Deltamethrin (Permanet® 3) beschichtet wurden, sondern zusätzlich Piperonylbutoxid enthielten [Staedke et al., 2020].

Epidemiologische Studien

In Tierversuchen konnten bei Verabreichung relativ niedriger Dosen über längere Zeiträume weder reproduktionstoxische (fertilitäts- oder entwicklungsschädigende) noch genotoxische Wirkungen nachgewiesen werden. Auch für eine immuntoxische Wirkung erbrachten Richtlinien-konforme Studien bei Mäusen, Ratten und Hunden keinen konsistenten Nachweis. Einige Pyrethroide verursachten in lebenslangen Kanzerogenitätsstudien mit Ratten oder Mäusen in sehr hohen Dosierungen jedoch Lungen- und Lebertumore.

Aufgrund dieser Befunde sind zahlreiche epidemiologische Studien durchgeführt worden, ob eventuell auch beim Menschen entsprechende Risiken nachweisbar sind. Leider haben viele dieser Studien Schwächen im Design oder in der Durchführung. Eine Analyse von 61 epidemiologischen Studien, die zwischen 2000 und 2016 publiziert wurden, legte die Schwächen dar. Die Autoren benutzen bestimmte Kriterien, um die Validität der Studien zu bewerten. Unter anderem ging es um die Bestimmung der Exposition und die Art der Ermittlung möglicher gesundheitlicher Schäden (Tab. 1). Studien mit einer sehr niedrigen Konzentration von ≤ 1 µg/l des Pyrethroid-Metaboliten 3-Phenoxybenzoesäure (3-BPA) wurden als problematisch eingestuft, da in den USA solche Konzentrationsbereiche bei großen Teilen der Bevölkerung gemessen wurden. Der Bereich für die 50er-Perzentile lag in den Jahren zwischen 1999 und 2010 zwischen 0,25 und 0,40 µg/l, für die 75er-Perzentile zwischen 0,50 und 1,06 µg/l. Die untersuchten, möglichen gesundheitlichen Schäden betrafen die Fertilität und prä- und postnatale Entwicklung sowie Atemwegserkrankungen, das Immunsystem und die Frage einer kanzerogenen Wirkung. In keinem Fall wurden Effekte identifiziert, die mit Befunden aus Tierexperimenten übereinstimmen [Burns und Pastoor, 2018].

Bewertung
Studienparameter
Effekt (Erkrankung etc.)
Expositionsmessung
3-PBA-Konzentration*
Studiendesign
gut
Diagnose medizinisch bestätigt
mehrfache Messungen am Arbeitsplatz oder mehrfache Bestimmung spezifischer Biomarker
mittlere 3-PBA-Konzentration > 1 µg/l
Kohorte, Fall-Kontrollstudie
neutral
eigene Diagnose, Symptome oder Punktwert nach einem Score, > eine biologische Probe
Eigenauskunft zur beruflichen Tätigkeit, Einzelwert eines Biomarkers mit bekannter Expositionsquelle
schlecht
Einzelprobe einer kurz­lebigen Chemikalie oder eines Hormons ohne Berücksichtigung möglicher Fehler
Umweltexposition durch räumliche Nähe zu einem Anwendungsbereich; einzelner Biomonitoringwert ohne Berücksichtigung möglicher Fehler
mittlere 3-PBA-­Konzentration ≤ 1 µg/l
Querschnittsstudie

Zwar zeigen einige epidemiologische Studien eine schwache Korrelation zwischen einer Permethrin-Exposition und verschiedenen Krebsarten (etwa Non-Hodgkin-Lymphom, akute lymphozytische Leukämie, Prostatakrebs), jedoch weisen alle Studien erhebliche methodische Schwächen auf. Meist wurde die Exposition entweder über Fragebögen oder per Spotanalyse von Metaboliten im Urin erfasst. Als „Spotanalyse“ werden Untersuchungen zu einem einzigen Zeitpunkt bezeichnet. Beide Methoden zur Expositionsabschätzung sind fragwürdig: Zum einen steigt im Fall einer Krebserkrankung die Wahrscheinlichkeit, dass Studienteilnehmer eine Exposition eher angeben als Personen, die nicht erkrankt sind, und zum anderen erlauben Messungen von Metaboliten im Urin zu einem einzelnen Zeitpunkt keine Aussage über eine chronische Exposition. Grundsätzliche Bedenken bestehen auch bei der folgenden Studie.

Kardiotoxische Wirkungen durch Pyrethroide?

In einer kürzlich publizierten Studie wurde untersucht, ob eine erhöhte Pyrethroid-Exposition mit dem Tod durch kardiovaskuläre Erkrankungen oder Krebs (nach ICD-10 Definition) assoziiert ist. Bei den Studienteilnehmern handelte es sich um 2116 Probanden aus der National-Health-and-Nutrition-Examination-Survey(NHANES)-Kohorte. In diesem Projekt wurden zwischen 1999 und 2002 in den USA verschiedene demografische Daten, Daten zur Lebensführung und biologische Proben der Durchschnittsbevölkerung mit Hinblick auf Ernährung und Gesundheit gewonnen. Die Probanden waren mindestens 20 Jahre alt und wurden im Schnitt 14 Jahre lang nachverfolgt. Patienten mit vorbestehenden Krebs- oder kardiovaskulären Erkrankungen wurden ausgeschlossen. Betrachtet wurden die Gesamtmortalität, Tod durch kardiovaskuläre Erkrankung und Tod durch Krebs bezogen auf die in einer Spot-Urinanalyse gemessene Konzentration spezifischer Metaboliten von Pyrethroiden. Der Metabolit 3-Phenoxybenzoesäure (3-PBA), der auf die Exposition vor allem gegenüber Permethrin und Cypermethrin hindeutet, wurde in ca. 70% der Proben aus der NHANES-Population gemessen. Je nach Höhe der gemessenen Konzentration wurden die Studienteilnehmer in drei Gruppen eingeteilt, wobei die erste Gruppe mit der niedrigsten Konzentration (Median: 0,7 µg/l) als Bezugsgruppe fungierte. Mittels Fragebögen wurden außerdem Daten zur Ernährung (24-Stunden-Gedächtnisprotokoll), zu Haushaltseinkommen, ethnischer Herkunft, Bildung, sportlicher Betätigung, Alkohol- und Zigarettenkonsum erfasst. Nach Korrektur für diese Parameter sowie BMI und Urin-Kreatinin-Konzentrationen ergab sich keine Korrelation zwischen der 3-PBA-Konzentration im Urin und dem untersuchten Endpunkt „Tod durch Krebs“. Für die Endpunkte „Gesamtmortalität“ und „Tod durch kardiovaskuläre Erkrankungen“ ergab sich jedoch im Vergleich der Gruppe mit den höchsten 3-BPA-Urinkonzentrationen mit der Bezugsgruppe eine signifikante positive Korrelation (Hazard Ratio von 1,56 [1,08 bis 2,26] und 3,00 [1,02 bis 8,80]). Die Autoren schließen aus diesen Berechnungen, dass eine Exposition gegenüber Pyrethroiden mit einem erhöhten Risiko für das Versterben durch eine kardiovaskuläre Erkrankung assoziiert ist [Bao, 2019].

Die Studie weist einige Limitationen auf, die die Autoren teilweise eingehen. Erstens wurden Metabolitenkonzentrationen im Urin nur ein einziges Mal gemessen, so dass kaum Aussagen über eine Langzeitexposition getroffen werden können. Die Autoren erklären, dass Probanden mit überdurchschnittlich hohen Konzentrationen, die auf eine akute extreme Exposition hindeuten, aus den Berechnungen ausgeschlossen wurden und dass sich bei schnell eliminierten Substanzen wie den Pyrethroiden bei Dauerexposition eine stabile Urinkonzentration für Metaboliten einstellt.

Zweitens können Metabolite wie 3-PBA auch in der Umwelt entstehen, so dass eine direkte Exposition gegenüber diesen nicht ausgeschlossen werden kann.

Drittens sind Ko-Expositionen gegenüber anderen Pestiziden möglich. Die Autoren berichten, dass die Korrektur für einen Metaboliten des Organophosphats Chlorpyrifos die beschriebene Assoziation sogar noch stärker machte, zeigen diese Daten jedoch nicht und gehen auch nicht auf andere mögliche Ko-Expositionen ein.

Viertens räumen die Autoren ein, dass die Verwendung von Pyrethroiden länderspezifisch sehr unterschiedlich ist, so dass die Übertragung ihrer Ergebnisse auf andere Regionen nicht möglich ist.

Auf einen Blick

  • Während die akute Toxizität von Pyrethroiden bei Mensch und Tier gut dokumentiert und mechanistisch aufgeklärt ist, gibt es zu den möglichen chronischen Wirkungen einer Pyrethroid-Exposition nur wenige Anhaltspunkte.
  • In Tierversuchen wurden bisher keine oder nur schwache Belege für toxische Wirkungen bei chronischer Exposition der weitverbreiteten Insektizide in geringen Dosierungen gefunden. So wurden Tumoren bei Ratten und Mäusen nur nach lebenslanger Exposition gegenüber extrem hohen Dosen von Pyrethroiden induziert, in epidemiologischen Studien gab es keine Hinweise auf eine kanzerogene Wirkung.
  • Studien in der Bevölkerung, insbesondere große Kohortenstudien, bieten eine Möglichkeit, Assoziationen zwischen einer Exposition und einem beobachteten Ereignis aufzuzeigen, sie können aber keinen Kausalzusammenhang nachweisen.
  • Eine beispielhaft angeführte Kohortenstudie zu kardiotoxischen Wirkungen der Pyrethroide weist Vorteile gegenüber Querschnittstudien auf, enthält durch das Studiendesign aber auch eine ganze Reihe von Limitationen, die das Ergebnis abschwächen.

Weitere Limitationen umfassen die Tatsache, dass die Gesamtkohorte zwar mit über 2000 Teilnehmern groß war, die Anzahl der untersuchten Fälle letztlich jedoch gering. So gab es etwa für den Tod durch kardiovaskuläre Erkrankungen nur zehn Fälle in der Bezugsgruppe, 13 in der mittleren Gruppe und 18 in der Gruppe mit den höchsten Urinkonzentrationen von 3-PBA. Außerdem waren die gemessenen Konzentrationen mit im Median 1,0 µg/l in der höchstbelasteten Gruppe insgesamt sehr niedrig. Auch die Verwendung von Daten zur Ernährung und Alkoholkonsum, die auf Selbsteinschätzung beruhen, birgt eine nicht zu unterschätzende Gefahr der Verzerrung durch ungenaue („nach unten korrigierte“) Angaben durch die Probanden. Weitere, spezifischer angelegte Studien mit einem durchgängigen Biomonitoring sollten die aufgestellte Hypothese zur Kardiotoxizität testen. |

Literatur

Bao W, Liu B, Simonsen DW, Lehmler H-J. Association Between Exposure to Pyrethroid Insecticides and Risk of All-Cause and Cause-Specific Mortality in the General US Adult Population. JAMA Intern Med 2019;180(3):367-374

Bradberry SM, Cage SA, Proudfoot AT, Vale JA. Poisoning due to Pyrethroids. Toxicol Rev 2005;24(2):93-106

Burns CJ, Pastoor TP. Pyrethroid Epidemiology: A Quality-Based Review. Crit Rev Toxicol 2018;48(4):297-311

Fromme H. Umweltmedizinische Hintergrundinformationen zu Pyrethroiden. Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Stand: Dezember 2005, www.lgl.bayern.de/gesundheit/arbeitsplatz_umwelt/projekte_a_z/doc/pyrethroide_internet.pdf

Ishaaya I. Insect Detoxifying Enzymes: Their Importance in Pesticide Synergism and Resistance. Arch Insect Biochem Physiol 1993;22:263-276

Marquardt H, Schäfer SG, Barth H (Hrsg). Toxikologie. 3. Auflage 2013:730-733, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart

Matsuo N. Discovery and Development of Pyrethroid Insecticides. Proc Jpn Acad Sci 2019;95:378-400

Staedke SG, Gonahasa S, Dorsey G, Kamya MR et al. Effect of long-lasting insecticidal nets with and without piperonyl butoxide on malaria indicators in Uganda (LLINEUP): a pragmatic, cluster-randomised trial embedded in a national LLIN distribution campaign. Lancet 2020;395:1292-1303

Autoren

Anna Sonnenburg M.Sc. (Toxikologie), Doktorandin am Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Prof. Dr. Ralf Stahlmann, ehem. Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin

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