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Arzneimittel und Therapie
Lange ersehnt, endlich greifbar nahe
Parkinson-Impfstoff erstmals in Phase-I-Studie untersucht
Lange schon wird nach neuen Therapien im Kampf gegen Morbus Parkinson gesucht. Seit ein paar Jahren wird in mehreren Ländern an einem Impfstoff gegen die tückische Schüttellähmung geforscht. Ein spannender Wettlauf, denn wer den ersten Vorstoß macht, revolutioniert nicht nur die Therapie von Parkinson, sondern auch unser Verständnis von dieser degenerativen ZNS-Krankheit. Aktuell hat Österreich die Nase vorn. Die Forschung auf diesem Gebiet entwächst ihren Kinderschuhen: Erste Tests im Menschen wurden nun erfolgreich durchgeführt. Das Konzept, gegen Morbus Parkinson zu impfen, scheint zu funktionieren.
α-Synuclein im Fokus
Das kleine Peptid α-Synuclein ist bekannt für seine pathogene Rolle bei der Entstehung von Parkinson. Kommt es zu massenhaften Ansammlungen im Körper, führt dies zur Bildung von Aggregaten, die auch Lewy-Körperchen genannt werden. Diese reichern sich im Gehirn im Bereich der Substantia nigra an und führen dort zum Untergang wichtiger dopaminerger Neuronen. Die Folge ist ein Dopamin-Mangel, der die typischen Parkinson-Symptome auslöst: Tremor, Rigor, Akinese. Aktuell fokussiert sich die Forschung auf dieses Protein und versucht mittels Antikörper-Infusionen, ein Agglomerieren von α-Synuclein zu verhindern. In etlichen Studien wurde bereits die Sicherheit und Verträglichkeit verschiedener Antikörper gegen α-Synuclein getestet. So konnte nachgewiesen werden, dass dosisabhängig nach einer Antikörper-Infusion weniger ungebundenes α-Synuklein im Serum vorhanden war. Auch in Deutschland laufen einige Studien zur passiven Immuntherapie mittels monoklonaler Antikörper.
Der PD01A-Impfstoff
Für eine aktive Immunisierung braucht es ein Antigen und eine ausreichend starke Immunantwort. Das gerade mal aus acht Aminosäuren bestehende Antigen PD01 wird dafür an ein Trägerprotein, gewonnen aus der Schlitzschnecke (engl. Abkürzung KLH von Keyhole Limpet Hemocyanin), konjugiert und von Aluminiumhydroxid adsorbiert. Der Impfstoff PD01A ist darauf ausgerichtet, die Bildung spezifischer Antikörper gegen α-Synuclein-Aggregate zu induzieren. Dafür ahmt er ein Epitop in der nativen C-terminalen Region des menschlichen α-Synucleins nach. Die so induzierten Antikörper binden bevorzugt an aggregiertes α-Synuclein, weniger an monomere Formen und überhaupt nicht an β-Synuclein. Das ist eine erstaunlich hohe Spezifizierung. Für die ausreichende und langfristige Immunität sorgt das Trägerprotein KLH. Es liefert die erforderlichen T-Helfer-Epitope, die für die Induktion einer langanhaltenden und verstärkten T-Zell-Antwort sorgen. Während das Antigen PD01 ausschließlich als B-Zell-Epitop fungiert und für die Spezifität der humoralen Immunantwort verantwortlich ist. Ein Dream-Team.
In Mausmodellen überzeugend, beim Menschen auch
In zwei Mausmodellen führte die Immunisierung mit PD01A zur Reduktion von aggregiertem α-Synuclein und zur Verbesserung der Gedächtnis- und Motorikdefekte. Nun wurde PD01A erstmals am Menschen getestet. Und das mit Erfolg: Der Antikörper-Titer – also die Verdünnung, bei der noch eine positive Antigen-Antikörper-Reaktion feststellbar ist – stieg im geometrischen Mittel durch PD01A in der Gruppe der 15-µg-Dosierung von 1 : 46 zu Beginn der Studie auf 1 : 3580 in Woche 12 an. In der Gruppe der 75-µg-Dosierung von 1 : 76 auf 1 : 2462 in Woche 12. Die Titer fielen innerhalb von zwei Jahren wieder zurück auf ihren Basiswert, konnten jedoch nach einer Auffrischimpfung in Woche 116 wieder schnell reaktiviert werden und erreichten dann im geometrischen Mittel einen Titer von bis zu 1 : 20218.
Wundersame Wandlung
Forschern ist es jetzt erstmals gelungen, Asterozyten in Dopamin-produzierende Nervenzellen umzuwandeln. Asterozyten sind sternförmige Zellen im Gehirn, die physiologisch viele Aufgaben übernehmen. Neben ihrer stützenden Funktion sind sie außerdem für die Nährstoffversorgung der Neuronen verantwortlich. Neuronen und Asterozyten entstehen aus dem gleichen Zelltyp. Das Protein PTbP(-Polypyrimidin-Trakt-bindendes-Protein)-1 verhindert physiologisch, dass sich Asterozyten zu Neuronen umwandeln können. Die Wissenschaftler haben nun erstmals bei Mäusen das Gen, welches für das Protein PTbP1 codiert, ausgeschaltet. Durch das Knock-out nahmen im Mausmodell die Asterozyten die Funktion der benachbarten Nervenzellen an. Nach drei Monaten konnte auf diese Weise eine deutlich gesteigerte Beweglichkeit bei den Mäusen detektiert werden.
Und das bei guter Verträglichkeit
Die im Lancet of Neurology veröffentlichte einfach verblindete, kontrollierte, monozentrische Phase-I-Studie zielte darauf ab, die Sicherheit und Verträglichkeit der PD01A-Immunisierung in zwei verschiedenen Dosierungen (15 µg und 75 µg) bei Patienten mit Morbus Parkinson zu testen. Der ersten Phase (52 Wochen) schlossen sich insgesamt drei weitere Extensionsphasen an. Dadurch konnten Daten über einen Zeitraum von 167 Wochen (3,2 Jahre) gesammelt werden. Von den 32 rekrutierten Patienten wurden insgesamt 24 Patienten 1 : 1 randomisiert und erhielten in Woche 0, 4, 8 und 12 jeweils 15 µg oder 75 µg PD01A. Die Studienteilnehmer waren zwischen 43 und 65 Jahre (Ø 54,9 Jahre) alt und hatten alle in den letzten vier Jahren die Diagnose Parkinson erhalten. Eingeschlossen wurde, wer darüber hinaus seit mindestens drei Monaten stabil pharmakotherapiert war. Unerwünschte Ereignisse traten bei fast jedem Patienten auf – allerdings hielten diese sich immer in einem erwarteten Rahmen. In beiden Gruppen berichteten sieben Patienten von schwerwiegenden Ereignissen. In den meisten Fällen handelte es sich aber um typische moderate Impfreaktionen wie Reaktionen an der Einstichstelle, Müdigkeit und Unwohlsein. Kein Patient brach die Studie aufgrund von unerwünschten Ereignissen ab. PD01A gilt daher als sicher und gut tolerierbar, auch bei wiederholter Gabe. Die Forscher der AFFiRiS AG mit Sitz in Österreich konnten, unterstützt von der Michael J. Fox-Stiftung, nun zeigen, dass es ein vielversprechender Ansatz ist, speziell α-Synuclein mit einem antikörperbasierten Ansatz anzuvisieren. Eine Frage beantwortet – noch viele Fragen offen. Weitere Studien und Untersuchungen müssen jetzt folgen und zeigen, wie aus diesen neuen Erkenntnissen in Zukunft ein Impfstoff für die breite Masse werden kann.
Ein Blick auf die Gene
Ist man früher noch davon ausgegangen, dass es keine genetische Komponente bei Morbus Parkinson gibt, weiß man inzwischen, dass bei etwa 10% aller Patienten eine genetische Mutation vorliegt. Neben SNCA, welches für α-Synuclein codiert, gibt es aber noch weitere Gen-Mutationen, die vermutlich bei der Entstehung der Krankheit eine Rolle spielen und die aktuell in einigen Studien bei der Suche nach neuen Therapieoptionen beforscht werden. Bei einigen dieser Genmutationen ist der Proteinabbau in Dopamin-produzierenden Neuronen gestört. Dadurch können sich Proteine in der Zelle ablagern und zu deren Tod führen. Andere Mutationen beeinflussen die mitochondriale Funktion, wodurch freie Radikale nicht mehr ausreichend abgewehrt werden können und Dopamin-produzierende Neurone zugrunde gehen. Man weiß jedoch, dass solche Mutationen nicht zwangsläufig zum Ausbruch der Krankheit führen, vermutlich spielen weitere Umweltfaktoren eine Rolle. |
Literatur
Parkinson Disease. Informationen der U.S. National Library of Medicine. https://ghr.nlm.nih.gov/condition/parkinson-disease#genes, Abruf 23. Juli 2020
Parkinson-Forschung: Die Therapie steht vor einem entscheidenden Wandel. Informationen der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen. www.parkinson-gesellschaft.de/aktuelles/141-parkinson-forschung-die-therapie-steht-vor-einem-entscheidenden-wandel.html, Abruf am 22. Juli 2020
Research News. Informationen der The Michael J. Fox Foundation for Parkinson Research. www.michaeljfox.org/research-news?topic=96, Abruf am 22. Juli 2020
Volc D, et al Saftey and immunogenicity of the α-synucelin active immunotherapeutic PD01A in patients with Parkinson´s disease: a randomised, single-blindes, phase 1 trial, Lancet Neurology 2020; 591-600
Zhou H. Su J. Hu X et al. Glia-to-Neuron Conversionby CRISPR-CasRx Alleviates Symptomsof Neurological Disease in Mice. Cell 2020;181,590-603
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