Pandemie Spezial

Bereit für die Impfung!

Wie Impfzentren mit Impfstoffen versorgt werden – ein Einblick

du | Noch wartet man in der EU und damit auch in Deutschland sehnsüchtig auf die Zulassung des ersten Impfstoffes gegen COVID-19. Doch sollte sie kommen, wollen alle vorbereitet sein. Die Errichtung von Impfzentren läuft auf Hochtouren. Die ersten melden ihre Einsatzbereitschaft. Doch wie sieht die Versorgung mit Impfstoffen aus? Dr. ­Tobias Borst, 2. Stellvertretender Leiter der Apotheke des Universitätsklinikums Erlangen und dort zuständig für die Corona-Impfstofflogistik, hat uns einen Einblick in die Vorbereitungen gewährt.

DAZ: Herr Dr. Borst, wie die Impfungen in den Impfzentren letztlich abgewickelt werden, ist von Bundesland zu Bundesland und wohl auch regional sehr unterschiedlich. Wie sieht die ­Situation bei Ihnen aus?

Borst: Zunächst einmal muss ich klarstellen, dass das Universitätsklinikum Erlangen nicht als Impfzentrum fungieren wird. Es dient lediglich als regionales Verteilzentrum für die Impfstoffe.

Foto: Privat

Dr. Tobias Borst, 2. Stellvertretender Leiter der Klinikapotheke des Universitäts­klinikums Erlangen, hofft auf leicht handhabbare Impfstoffe: „Der Moderna-Impfstoff muss nicht ultratiefgekühlt transportiert und ge­lagert werden, hier reichen –20 °C, zudem kann er bei 
2 bis 8 °C 30 Tage in den Impfzentren gelagert werden. Der AstraZeneca-Impfstoff verspricht hier noch mehr 
Erleichterung.“

DAZ: Der erste Impfstoff, mit dessen Zulassung bis spätestens Ende Dezember gerechnet wird, ist ja der von Biontech entwickelte mRNA-Impfstoff BNT162b2 …

Borst: Das ist richtig, und gerade dieser Impfstoff ist in Sachen Logistik, also Transport und Lagerung eine große Herausforderung. Er muss bei -75 °C transportiert und gelagert werden. Er wird auf Trockeneis angeliefert und muss dann in Ultratiefkühler umgelagert werden. Ein Impfstoffverteilzentrum muss also mit solchen ­Ultratiefkühlern ausgestattet sein, und zwar mit mindestens zwei Geräten, für den Fall, dass eines der Geräte ausfällt oder die Temperatur nicht halten kann. Dank rechtzeitiger Planung stehen am Universitätsklinikum Erlangen zwei Ultratiefkühler zur Ver­fügung.

DAZ: Wie groß sind denn solche Kühl­geräte und wie viel Impfstoff fassen sie?

Borst: Es handelt sich um 500-Liter-Geräte, also Geräte in Größen wie wir sie von normalen Kühlgefrierschränken kennen. Da passen etwa 130.000 Impfstoffdosen hinein, denn der Impfstoff benötigt zum Glück wenig Platz. 195 Vials sind verpackt in „Pizza-Kartons“, also in Kartons mit den Maßen 30 cm × 30 cm × 4 cm. Und jedes Vial enthält Impfstoff für fünf Impfungen.

DAZ: Damit kommen wir zum nächsten Punkt. Der Impfstoff ist also nun in dem Verteilzentrum angekommen, wie geht es weiter?

Borst: Von dort muss er bei Transporttemperaturen von 2 bis 8 °C zu den Impfzentren gebracht werden. Dazu wird er in Kühlboxen verpackt, auf dem das genaue Datum und die Uhrzeit der Entnahme aus dem Ultratiefkühler vermerkt ist. Denn mit diesem Schritt beginnt der Auftauprozess des Impfstoffes, der drei Stunden benötigt, und ab diesem Punkt ist der Impfstoff bei dieser Temperatur, also 2 bis 8 °C, nur noch fünf Tage haltbar.

DAZ: Angekommen im Impfzentrum kann der Impfstoff nicht gleich verimpft werden …

Borst: Hier wird er weiter bei den Transporttemperaturen gelagert. Für die Impfung muss er dann auf Raumtemperatur gebracht werden und jedes Vial mit 1,8 ml steriler 0,9%iger Kochsalzlösung verdünnt werden. Aus einem Vial werden dann fünf Impfdosen zu je 0,3 ml entnommen.

DAZ: Unter welchen hygienischen Bedingungen findet denn diese Rekonstitution statt?

Borst: Hierzu ist ein keimarmer Raum notwendig mit gut abwischbaren, ebenen und desinfektionsmittelbeständigen Arbeitsflächen sowie Böden. Er muss so eingerichtet sein, dass er lineare Arbeitsabläufe (Herstellstraßen) zur Vermeidung von Kreuzkontaminationen ermöglicht. Im Raum ggf. vorhandene Waschbecken sind mit einem Spritzschutz zu versehen. Vorhandene Fenster sind mit Insektenschutzgittern zu versehen.

DAZ: Für die Rekonstitution des Impfstoffs fordern einige Bundesländer pharmazeutisches Personal an. Wie ist das in Bayern?

Borst: Hier in Bayern scheint das nicht vorgesehen zu sein. Für eine solche Rekonstitution ist auch nicht zwingend pharmazeutisches Personal notwendig, das kann auch geschultes medizinisches Fachpersonal machen.

Foto: marchsirawit – stock.adobe.com

Der COVID-19-Impfstoff der Firmen Biontech und Pfizer muss bei -75 °C transportiert und in Ultratiefkühlern gelagert werden.

DAZ: Damit ist Ihre Klinikapotheke also in Sachen Rekonstitution außen vor?

Borst: Nicht ganz, denn das Uniklinikum Erlangen wird für die Impfung seiner Mitarbeiter als Impfzentrum fungieren, die Rekonstitution wird dann von unserem pharmazeutischen Personal übernommen.

DAZ: Neben dem jetzt beschriebenen Impfstoff von Biontech und Pfizer wird ja im Januar auch mit der Zulassung des mRNA-Impfstoffs von Moderna gerechnet, als dritter Impfstoff steht der Vektorimpfstoff von AstraZeneca auf der Warteliste. Sind diese Impfstoffe auch so anspruchsvoll in Sachen Transport und Lagerung?

Borst: So wie wir es bislang wissen, nein. Der Moderna-Impfstoff muss nicht ultratiefgekühlt transportiert und gelagert werden, hier reichen –20 °C, zudem kann er bei 2 bis 8 °C 30 Tage in den Impfzentren gelagert werden. Der AstraZeneca-Impfstoff verspricht hier noch mehr Erleichterung. Er kann bei 2 bis 8 °C transportiert und gelagert werden und ist sechs Monate bei diesen Temperaturen haltbar. Zudem muss er nicht zubereitet werden, er kann zum Impfen gleich aus dem Mehrdosenbehältnis entnommen werden. Allerdings erwarte ich, dass auch in Sachen Transport und Lagerung des Biontech-Impfstoffs noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Hier werden weitere Stabilitätsuntersuchungen sicher neue Erkenntnisse bringen.

DAZ: Bevor die Impfungen dann in den nächsten Wochen beginnen – wovor haben Sie am meisten Respekt?

Borst: Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich aufgrund der durchweg positiven Erfahrungen bei uns sehr guter Dinge bin, dass alles klappt. ­Sicher ist es eine große Herausforderung für das Impfkoordinierungszentrum, dafür Sorge zu tragen, dass alle Impfzentren rechtzeitig und nach einem fairen Verteilungsplan ihre Impfstoffe erhalten. Es darf keinesfalls so sein, dass die Zentren, die als erste fertig sind, die Impfstoffe abgreifen und die anderen, die ein oder zwei ­Wochen später erst startklar sind, leer ausgehen.

DAZ: Herr Dr. Borst, vielen Dank für diesen Einblick! |

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