Pandemie Spezial

Grünes Licht für Corona-Impfung

mRNA-Impfstoff Tozinameran (Comirnaty®) von Biontech/Pfizer erhält bedingte Zulassung in der EU

cel/du | Die Europäische Kommission hat am 21. Dezember 2020 dem ersten Corona-Impfstoff in der EU eine bedingte Zulassung erteilt. Es handelt sich um die mRNA-Vakzine BNT162b2 von Biontech/Pfizer. Nur wenige Stunden zuvor hatte die EMA die Empfehlung zur Impfung ab 16 Jahren ausgesprochen. Die INN-Bezeichnung für BNT162b2 ist Tozinameran, der Handelsname Comirnaty®. Geimpft werden soll ab dem 27. Dezember 2020.
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Die Zulassung von Comirnaty® stützt sich auf Daten einer großen klinischen, Beobachter-verblindeten und placebokontrollierten Studie an etwa 44.000 Menschen, deren Ergebnisse jüngst im NEJM publiziert wurden („Safety and Efficacy of the BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine“). Daten zum Nachweis von Wirksamkeit und Sicherheit finden sich auch in der von der EMA veröffentlichten Produktinformation. Zum Nachweis der Wirksamkeit wurden 36.621 Teilnehmer ab zwölf Jahren ausgewertet, 18.242 hatten zwei Dosen BNT162b2 im Abstand von 21 Tagen erhalten, 18.379 Probanden erhielten stattdessen Placebo-Injektionen.

Die Studie hatte zwei primäre Endpunkte:

  • 1. Die Zahl der COVID-19-Fälle in der Placebo- und Impfstoffgruppe ohne Vorliegen einer SARS-CoV-2-Infektion vor und während des Impfregimes.
  • 2. Die Zahl der COVID-19-Fälle sieben Tage nach der Impfung der zweiten Dosis in beiden Behandlungsgruppen. Hier wurde nicht unterschieden, ob zuvor eine SARS-CoV-2-Infektion vorgelegen hatte.

Als sekundärer Endpunkt interessierte unter anderem die Zahl der schweren COVID-19-Verläufe in der Impfstoff- und in der Placebogruppe.

95 Prozent ­Impfwirksamkeit

Insgesamt traten 170 COVID-19-Fälle (frühestens sieben Tage nach der zweiten Dosis) auf: Acht COVID-19-Fälle gab es in der BNT162b2-Gruppe, 162 in der Placebo-Gruppe, woraus eine Impfeffektivität von 95 Prozent abgeleitet wird. Nach einer ersten Dosis konnte der Studie zufolge BNT162b2 zu 52 Prozent eine COVID-19-Erkrankung verhindern (39 Fälle in der BNT162b2-Gruppe, 82 unter Placebo im Zeitraum zwischen der ersten und zweiten Dosis). Auch konnte BNT162b2 mehr schwere Fälle an COVID-19 verhindern als Placebo: Von insgesamt zehn schweren COVID-19-Fällen traten neun unter Placebo auf, einen schweren Verlauf gab es in der BNT162b2-Gruppe.

Innerhalb der Gruppe aus Probanden mit und ohne vorherige SARS-CoV-2-Infektion wurden neun COVID-19-Fälle in der BNT162b2-Gruppe und 169 Fälle in der Placebogruppe beobachtet, was einem Impfschutz von 94,6 Prozent entspricht (zweiter primärer Endpunkt). Der EMA zufolge traten keine zusätzlichen Nebenwirkungen bei den 545 Personen auf, die Comirnaty® in der Studie erhielten und zuvor COVID-19 hatten.

Impfschutz setzt früh ein

Zwölf Tage nach der ersten Dosis begann die kumulative Inzidenz von COVID-19-Fällen unter Placebo- und Impfstoffempfängern abzuweichen, was auf ein frühes Einsetzen einer teilweise schützenden Wirkung hinweise, erklärten die Wissenschaftler im NEJM.

Eingeschlossen waren auch Teilnehmer mit vorbestehender Erkrankung, wenn diese stabil eingestellt war, das bedeutet: In den letzten sechs Wochen vor Aufnahme in die Studie gab es keine signifikante Änderung in der Therapie, auch durfte kein Krankenhausaufenthalt aufgrund einer Verschlechterung der Krankheit vonnöten gewesen sein. Die Studie berücksichtigte demnach auch HIV-Patienten und Patienten mit Hepatitis-B- oder -C-Infektion, so die Infektion stabil war. Wurden die Teilnehmer gegen Influenza geimpft, so musste vor und nach der Grippeimpfung ein Mindestabstand von 14 Tagen eingehalten werden.

Vorerkrankungen ohne Einfluss

Vorerkrankungen scheinen die Wirksamkeit der Vakzine nicht zu beeinträchtigen. Laut den Daten der EMA gab es keine bedeutsamen klinischen Unterschiede in der Gesamtwirksamkeit des Impfstoffs bei Teilnehmern, die aufgrund von Vorerkrankungen ein erhöhtes Risiko für eine schwere COVID-19-Erkrankung hatten – Asthma bronchiale, chronische Lungenerkrankung, Body Mass Index (BMI) ≥ 30 kg, Diabetes mellitus oder Bluthochdruck.

Die häufigsten unerwünschten Wirkungen

Die Studienteilnehmer klagten am häufigsten über Schmerzen an der Injektionsstelle (> 80 Prozent), Müdigkeit (> 60 Prozent), Kopfschmerzen (> 50 Prozent), Muskelschmerzen und Schüttelfrost (> 30 Prozent), Gelenkschmerzen (> 20 Prozent), Fieber und Schwellungen an der Injektionsstelle (> 10 Prozent). Die Beschwerden waren in der Regel leicht oder mäßig ausgeprägt und klangen innerhalb weniger Tage nach der Impfung ab. Tendenziell traten bei Älteren weniger Nebenwirkungen auf als bei Jüngeren.

Problem Fazialisparese?

Während des bisherigen Sicherheitsnachbeobachtungszeitraums wurde eine akute periphere Gesichtslähmung (Fazialisparese, Bell’s Palsy) bei vier Teilnehmern in der Impfstoffgruppe berichtet (Beginn der Beschwerden Tag 37 nach Dosis 1 und an den Tagen 3, 9 und 48 nach Dosis 2). In der Placebogruppe hingegen wurden keine Fälle von Fazialisparese berichtet. Auch in der Studie von Moderna zu mRNA-1273 kam es zu drei Fällen von Gesichtslähmung nach Impfstoffgabe, dort wurde auch ein Fall in der Placebogruppe berichtet.

Den Studienergebnissen im NEJM zufolge kam es zu zwei Todesfällen in der BNT162b2-Gruppe und vier Todesfällen in der Placebogruppe, keiner der Todesfälle wurde von den Prüfärzten jedoch in Zusammenhang mit der Impfung von BNT162b2 oder Placebo gebracht.

Cave Anaphylaxie

Die Produktinformationen zu Tozinameran (Comirnaty®) informieren auch zu Überempfindlichkeitsreaktionen und Anaphylaxie. Aus den USA und Großbritannien wurden bereits Fälle von allergischen Reaktionen auf eine Impfung mit BNT162b2 berichtet. Aus diesem Grund sollte eine geeignete medizinische Behandlung und Überwachung für den Fall einer anaphylaktischen Reaktion nach der Verabreichung des Impfstoffs bereitstehen. Nach der Impfung wird eine engmaschige Beobachtung für mindestens 15 Minuten empfohlen. Eine zweite Dosis des Impfstoffs sollte nicht verabreicht werden, wenn Personen auf die erste Dosis von Comirnaty® anaphylaktisch reagierten. Der Impfstoff ist kontraindiziert bei bekannten Überempfindlichkeitsreaktionen gegen den Impfstoff selbst oder seine Inhaltsstoffe. Gelistet werden:

  • (4-hydroxybutyl)azanediyl)bis(hexane-6,1-diyl)bis(2-hexyldecanoate) (ALC-0315)
  • 2-[(polyethylene glycol)-2000]-N,N-ditetradecylacetamide (ALC-0159)
  • 1,2-Distearoyl-sn-glycero-3 -phosphocholine (DSPC)
  • Cholesterol
  • Kaliumchlorid
  • Kaliumdihydrogenphosphat
  • Natriumchlorid
  • Dinatriumhydrogenphosphat
  • Sucrose
  • Wasser für Injektionszwecke

Für Schwangere nur nach Nutzen-Risiko-Abwägung

Die Erfahrungen mit dem Impfstoff in Schwangerschaft und Stillzeit sind begrenzt. Tierversuche haben keine Hinweise auf schädliche Auswirkungen auf die Schwangerschaft, die Entwicklung des Fetus bzw. des Embryos, die Entbindung und die postnatale Entwicklung ergeben. Eine Impfung in der Schwangerschaft wird jedoch nur empfohlen, wenn der Nutzen die Risiken für Mutter und Fetus eindeutig überwiegt. Es ist unbekannt, ob der Impfstoff in die Muttermilch übertritt.

Handlungsanweisungen

Comirnaty® enthält in Lipidnanopartikel verpackte mRNA, die für das Spike-Protein des Coronavirus SARS-CoV-2 kodiert. Der Impfstoff muss bei Temperaturen von -60 °C bis -90 °C lichtgeschützt gelagert werden. Er wird in Gebinden von 195 Multidose-Vials geliefert, tiefgefroren bei -70 °C. Vor dem Impfen müssen die Vials zunächst aufgetaut werden. Dazu werden bei Temperaturen von 2 bis 8 °C drei Stunden pro Gebinde veranschlagt. Für den sofortigen Gebrauch können die gefrorenen Vials auch 30 Minuten bei bis zu 30 °C aufgetaut werden.

Aufgetaute Vials mit unverdünntem Impfstoff können dann bei 2 bis 8 °C, also bei Kühlschranktemperaturen, für fünf Tage aufgehoben werden, bei bis zu 30 °C für zwei Stunden.

Wirksam auch gegen neuen Virusstamm?

Die Sorge ist groß, dass die neu gegen SARS-CoV-2 entwickelten Impfstoffe ihre Wirksamkeit gegen Mutationen des Virus verlieren. Auch der neue Virusstamm, der zunächst in Großbritannien aufgefallen war und deutlich infektiöser sein soll, sorgt für Beunruhigung. Insgesamt konnten bei dem neuen auch als B. 1.1.7. bezeichneten Stamm 17 genetische Veränderungen nachgewiesen werden, davon mehrere, die das Spike-Protein betreffen. Es wird von dem soeben zugelassenen mRNA-Impfstoff adressiert. Trotzdem ist Biontech-Chef Uğur Şahin zuversichtlich, dass der Impfstoff auch gegen diesen Stamm wirkt. Man habe die Wirksamkeit schon für mehrere mutierte Virusvarianten nachweisen können, man hofft, dass auch die jetzt durchgeführten Tests mit der neuen Variante diesen Nachweis erbringen können. Ergebnisse werden in zwei Wochen erwartet.

Vor der Impfung muss der Impfstoff auf Raumtemperatur gebracht und zehnmal vorsichtig zur Durchmischung auf und ab bewegt werden. Der Impfstoff darf nicht geschüttelt werden. Er muss danach eine milchige Konsistenz aufweisen, frei von jedweden sichtbaren Partikeln.

Anschließend muss jedes Vial mit 1,8 ml 0,9%iger, unkonservierter Natriumchlorid-Lösung unter aseptischen Bedingungen verdünnt werden. Dazu muss das Vial erneut vorsichtig zehnmal auf und ab bewegt werden. Nach der Verdünnung ist die Stabilität des Impfstoffs bei 2 bis 30 °C für sechs Stunden nachgewiesen. Jedes Vial enthält fünf Impfstoffdosen zu 0,3 ml, auch wenn rein rechnerisch nach Verdünnung bis zu sieben Impfdosen entnommen werden können. |

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