Management

Kinder und Karriere

Warum das immer noch schwierig ist und was sich ändern muss

Emanzipation hin oder her: Die Geburt eines Kindes tangiert die Karriere von Männern in der Regel wenig. Die berufliche Entwicklung von Frauen ist jedoch sehr von ihrer Mutterrolle geprägt. Meistens sind sie es, die Stunden reduzieren, um für die Kinder da zu sein. Oft auch über einen längeren Zeitraum. Müssen sich Frauen immer noch zwischen Kind und Karriere entscheiden und was bedeutet das für unsere Gesellschaft? Besonders die Gesundheits­branche muss sich umorientieren und neue Ideen entwickeln, um zukunftsfähig zu bleiben – auch die Apotheken.

Die deutsche Bildungspolitik verfolgt seit Langem das Ziel, dass mehr Frauen studieren. Durchaus mit Erfolg: Heute liegt der Frauenanteil bei den Studenten bei rund der Hälfte. Parallel dazu ging seit Mitte der 60er-Jahre die Geburtenrate deutlich zurück: von damals 2,5 auf heute 1,5 Kinder pro Frau.

Beginnen Frauen zu studieren, reduziert das die Wahrschein­lichkeit um 25 Prozent, dass sie Kinder ­bekommen. Akademikerinnen schreckt oft die Sorge ab, dass sich Karriere und Nachwuchs nicht vereinbaren lassen. Das geht aus einer im Jahr 2018 ver­öffentlichten Studie des Essener Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) hervor, die einige unbequeme Fragen an Politik und Wirtschaft nahelegt.

Der demografische Wandel belastet das deutsche Renten- und ­Gesundheitssystem massiv. Ein Grund für die gesellschaftliche ­Alterung ist die oben geschilderte akademische Geburtenlücke. Da immer mehr junge Menschen studieren, könnte diese Geburtenlücke in den kommenden Jahren immer größer werden. Um dem entgegenzuwirken, sollten Politiker und Arbeitgeber die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erhöhen.

Frauen in der Gesundheitsbranche

Die Studie „Kind und Kittel“ der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Apobank) aus dem Jahr 2017 ist eine umfassende Bestandsaufnahme zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Heil­beruf. Hierin geht es um folgende Fragen: Wie steht es um die Familienplanung der Heilberufler? Müssen sie sich zwischen Kind und Karriere entscheiden? Gibt es den richtigen Zeitpunkt für den Nachwuchs? Oder wie kann ein Arbeitsumfeld aussehen, in dem junge Mütter gerne arbeiten? Für die Befragten sind eine kompatible Kinderbetreuung (92 Prozent), die sich an den Arbeitszeiten orientiert, sowie flexible Arbeitszeit­modelle und Teilzeitangebote (90 Prozent) die wichtigsten An­liegen. Aber auch Entlastung bei nichtärztlichen beziehungsweise nichtpharmazeutischen Tätig­keiten durch Delegation und Digitalisierung (76 Prozent) sowie Jobsharing in Führungspositionen (70 Prozent) wird von der Mehrheit der Befragten gewünscht.

Foto: Kzenon/AdobeStock

Entweder – oder Viele Frauen wünschen sich eigene Kinder, sehen aber keine Möglichkeit, Kind und Job zu vereinbaren und beidem gerecht zu werden.

Topthema Fachkräftemangel

Die gestiegene Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen hat in den letzten Jahren bereits dazu bei­getragen, dem Fachkräftemangel ent­gegenzuwirken. Denn ansonsten hätte sich die Fachkräftesituation – besonders in der Gesundheitsbranche – noch deutlich verschlechtert. Dennoch bieten Frauen auch heute noch ungenutzte Potenziale, die von Unternehmen erschlossen werden können, indem eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf er­möglicht wird. Da Frauen in den meisten Familien immer noch den größten Teil der Kinderbetreuung und Pflegearbeit leisten, bewerben sie sich häufig erst gar nicht auf ausgeschriebene Stellen.

In den öffentlichen Apotheken liegt der Frauenanteil bei den Approbierten aktuell bei 73 Prozent und immerhin fast 50 Prozent der Apothekenleiter sind weiblich. Um auch für zukünftige Hochschulabsolventinnen als Arbeit­geber attraktiv zu sein, sollten qualifizierte Frauen und auch Mütter aktiv durch mehr Verständnis und Flexibilität unterstützt werden, Familie und Karriere unter einen Hut zu bekommen.

Die Corona-Krise zeigte uns gnadenlos, wo bereits vor der Pandemie die Herausforderungen in unserer Gesellschaft zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie lagen.

Keine Blumen, sondern eine Lobby

Nachhaltige Frauenförderung muss zum Ziel haben, ein Arbeitspensum mit einem hohen Prozentsatz zu ermöglichen, ohne dass die Familie darunter leidet. „Schenk mir keine Blumen, schenk mir eine Lobby“, so wurde die Vorstandsvorsitzende des Verbands berufstätiger Mütter e. V. (VBM), Cornelia Spachtholz, bereits 2017 in einem Spiegel-Artikel zum Muttertag zitiert. Vier Jahre später ist dieser Leitsatz aktueller denn je. Die Corona-Krise zeigte uns gnadenlos, wo bereits vor der Pandemie die Herausforderungen in unserer Gesellschaft zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie lagen. Die Schließung von Kitas und Schulen ging laut einer aktuellen Bildungsumfrage des Nationalen Bildungspanel (NEPS) vor allem zulasten der Frauen. Auch bei gleicher beruflicher Beanspruchung betreuten fast ein Drittel der Mütter ihre Kinder in dieser Zeit allein. Weiterhin hat man festgestellt, dass Frauen in viel stärkerem Maße die Arbeitszeit reduzierten als Männer. Das könnte laut der Studienleiterin den Grund haben, dass Männern in ihrem Betrieb eine solche Möglichkeit nicht in ausreichendem Maße eingeräumt werde. Das muss sich dringend ändern, denn auch einige Väter könnten die Notwendigkeit zur Betreuung ihrer Kinder stärker einfordern, als sie das aktuell tun und auch Arbeitgeber sollten hier konkrete Angebote machen.

Denn: Mehr zu arbeiten ist für viele Mütter keine Frage des Wollens, sondern des Könnens. Oft finden sie keinen Krippen- oder Kindergartenplatz für ihren Nachwuchs in der Nähe oder die Einrichtung schließt bereits so früh, dass sie keine Vollzeitstelle annehmen können. Zwar gibt es in Deutschland seit 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab einem Jahr. Seitdem hat sich die Situation verbessert, doch der Bedarf ist noch immer nicht gedeckt. Ein größeres An­gebot an vom Arbeitgeber bezuschussten Ganztags-Kindergartenplätzen würde es Frauen erleichtern, nach der Geburt ihres Kindes schneller in den Beruf zurück­zukehren oder die Arbeitszeit aufzustocken. Der Bedarf an externer Betreuung endet jedoch nicht, wenn das Kind den Kindergarten verlässt, sondern setzt sich in der Schulzeit fort. Mehr Ganztags-schulen oder Hortplätze würden Frauen helfen, ihre Arbeitszeit auszudehnen. Immerhin kommt der Ausbau in Deutschland voran. So stieg laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Sommer 2017 der Anteil der Schüler, die eine Ganztagsschule besuchen, seit 2002 von 10 auf 40 Prozent. Das deutsche Schulsystem ist jedoch noch immer darauf ausgerichtet, dass zumindest ein Elternteil die Kinder beim Lernen unterstützt sowie für ein gesundes Mittagessen und die Nachmittagsbetreuung sorgt – und dann kommen noch die Schulferienzeiten dazu oder das Kind wird plötzlich krank. Hier sind echte Flexibilität und finanzielle Zuschüsse gefragt!

Problem: Gender Pay Gap

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die immer noch ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen – auch „Gender Pay Gap“ genannt. In Deutschland ist das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen so groß wie in keiner anderen west­lichen Industrienation. Bei zwei Dritteln der Elternpaare in Deutschland hat der Mann einen höheren Anteil am Haushaltseinkommen als die Frau. Deshalb reicht es nicht aus, Familien vorzuschlagen, die Arbeitszeit anders zu verteilen. Denn dafür ist nicht zuletzt auch die ungleiche Bezahlung zwischen jenen Berufen, die hauptsächlich von Männern aus­geübt werden, und den typischen Frauenjobs verantwortlich – was sich dringend ändern muss.

Zudem befürchten immer noch viele Väter berufliche Nachteile, wenn sie ihre Arbeitszeit reduzieren. Hier zeigt sich: Es fehlen ihnen erfolgreiche Vorbilder in Teilzeit. In erster Linie gehen die Mütter für längere Zeit in Elternzeit. Entscheidet die Partnerin sich für zwölf Monate Elternzeit, nimmt der Vater häufig die zwei verbleibenden Partnermonate. Doch nach der Elternzeit arbeiten 75 Prozent der Väter wieder in Vollzeit. Bei den Frauen ist es nur eine von vieren. Ja, aber warum eigentlich? Auch immer mehr Väter nehmen wahr, dass da etwas gründlich schiefläuft. Hier gilt es, endlich für mehr gesellschaftliche Wertschätzung der Familienarbeit von Männern zu sorgen sowie für mehr Akzeptanz bei den Arbeit­gebern, wenn Männer der Familie zuliebe in Teilzeit arbeiten wollen.

Die Tücken der Teilzeit

Die meisten Eltern in Deutschland teilen sich die Erwerbs- und Familienarbeit auf – allerdings zu sehr unterschiedlichen Anteilen. Knapp 70 Prozent der Mütter sind nach der Elternzeit in Teilzeit beschäftigt, von den Vätern sind es lediglich sechs Prozent. Die Gründe dafür sind vielfältig. Bei vielen Paaren sind sie finanzieller Natur – noch sind es meist die Männer, die besser verdienen. Sei es, weil sie älter sind als ihre Partnerinnen und schon länger im Beruf. Oder sei es, weil sie in Branchen arbeiten, die besser entlohnen oder mobiles Arbeiten ermöglichen. Viele Frauen reduzieren ihre Stunden aber auch, weil sie nicht genügend Unterstützung für die Kinderbetreuung bekommen. Hier sind mehr Flexibilität und Entgegenkommen der Arbeitgeber gefragt, denn mit dem notwendigen Verständnis für die familiäre Situation ist es auch für Mütter möglich, wieder mehr zu arbeiten. Der größte Nachteil der Teilzeit ist der geringere Verdienst und die daraus resultierende geringere Rente. Altersarmut ist häufig weiblich. Statistisch gesehen verdienen Frauen im Verlauf ihres Berufs­lebens deutlich weniger als Männer und auch das Alterssicherungs­einkommen der meisten Frauen ist wesentlich geringer als das der Männer. Solange das Paar verheiratet ist – kein Problem. Im Fall einer Scheidung sind aber häufig die Frauen, die sich viele Jahre in erster Linie um die Familie gekümmert haben, die Verliererinnen. Ein weiterer Nachteil der Teilzeitbeschäftigung sind die geringeren Karrierechancen. Es ist höchste Zeit, hier für wirkliche Gleichberechtigung zu sorgen, denn unsere alternde Gesellschaft ist auf Nachwuchs dringend an­gewiesen.

Roche begegnet dem „Karriere-Knick“ Kind

Dass beide Elternteile ihre Arbeitszeit reduzieren, um sich gemeinsam um die Kinder zu kümmern, ist in Deutschland nicht die Regel. Das Pilotprojekt „DasElternPlus – gemeinsam besser“ der Roche Diagnostics GmbH ist ein innovatives Beispiel zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern. In dem Projekt geht es darum, insbesondere hoch qualifizierten jungen Frauen auch mit Kindern bessere Chancen zu ermöglichen. Der Weg dazu: Roche fördert Eltern finanziell, bei denen beide Partner innerhalb der ersten vier Lebensjahre ihres Kindes wenigstens ein Jahr lang eine Teilzeittätigkeit mit mindestens 28 Wochen­stunden ausüben – und das sogar, wenn nicht beide Partner im Unternehmen arbeiten. Dieses Konzept wurde am 16. September 2021 in Berlin mit dem Deutschen Personalwirtschaftspreis in der Kate­gorie Talent Management ausgezeichnet.

Führungsrolle in Teilzeit – warum eigentlich nicht?

Es gibt zahlreiche hoch qualifizierte, motivierte und auch führungsstarke Frauen, deren Potenzial in Unternehmen verschenkt wird, da kritische Karrierephasen sich zeitlich oft mit der Phase, in der Frauen Kinder bekommen oder Angehörige pflegen, überschneiden. Von den Frauen mit Führungsaufgaben arbeiten lediglich 22 Prozent in Teilzeit, die Mehrheit davon in reduzierter Vollzeit. Statistiken darüber, wie viele von diesen Frauen Mütter sind, gibt es leider nicht.

Es gibt bereits Betriebe, die erkannt haben, dass sie in Zeiten von anhaltendem Fachkräftemangel und dem Wandel von einem Arbeitgeber- hin zu einem Arbeitnehmermarkt nur dann attraktiv bleiben, wenn sie eine familien­bewusste Unternehmenskultur bieten. Dazu gehört auch „Führen in Teilzeit“. Erste Unternehmen haben Teilzeit zur Norm erhoben und alle Stellen müssen in Teilzeit ausgeschrieben werden. Vollzeit ist – zumindest offiziell – lediglich noch eine Kann-Option. Die Unternehmen folgen damit einem Trend, der auch den Wünschen vieler Eltern entspricht. Dass auch jetzt schon Kinder nicht zwangsweise ins Karriereaus führen müssen, zeigen einige Beispiele von erfolgreichen Frauen bzw. Müttern in Führungspositionen – allerdings immer noch zu selten. Wir müssen uns weiter für echte Chancengerechtigkeit in der Arbeitswelt einsetzen. |

Apothekerin Dr. Irina Treede, Heidelberg

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