Pandemie Spezial

Startschuss nach Ostern

Hausärzte sollen in wenigen Wochen gegen COVID-19 impfen können

Von Helga Blasius | Bund und Länder haben sich beim Impfgipfel am vergangenen Freitagnachmittag darauf geeinigt, dass bald auch die Hausärzte in Deutschland gegen COVID-19 impfen können sollen, allerdings zunächst nur in sehr eingeschränktem Umfang. Doch wie kommen die ohnehin knappen Impfstoff-Kontingente ohne Verzögerung in die Praxen? Das sollen die Apotheken übernehmen – eine neue Herausforderung nach der Einbindung in das landesweite Corona-Testgeschehen.

Bei dem Impfgipfel am vergangenen Freitagnachmittag haben Bund und Länder entschieden, wie es mit der deutschen Impfkampagne weitergehen soll. Die Konferenz hatte ursprünglich schon am Mittwoch stattfinden sollen, war jedoch wegen der zwischenzeitlichen Aussetzung der Impfungen mit der Vakzine von AstraZeneca auf Freitag verschoben worden. Nachdem die Europäische Arzneimittelagentur den Einsatz am Donnerstag weiter befürwortet hatte, wurde der Impfstopp in Deutschland nach wenigen Tagen beendet.

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Merkel: „Wir wollen schneller und flexibler werden“

In dem Beschluss halten Bund und Länder an dem Ziel fest, allen Bürgern im Sommer ein Impfangebot machen zu können. Dazu soll die nationale COVID-19-Impfkampagne breiter aufgestellt werden. Die Grundlage für die Ausweitung war mit der Neufassung der Coronavirus-Impfverordnung vom 10. März 2021 geschaffen worden, die rückwirkend zum 8. März in Kraft getreten ist. Hiernach sollen auch Arztpraxen und Betriebsärzte Impfungen durchführen dürfen, sofern sie dazu beauftragt werden. Sie gelten dann als an ein bestimmtes Impfzentrum angegliedert. Eine Arztpraxis oder ein Betriebsarzt gilt als beauftragt, sobald ihr oder ihm vom Bund oder einem Land Impfstoff zur Verfügung gestellt wird. „Wir wollen schneller und flexibler werden“, betonte Bundeskanzlerin Merkel nach ihrem Gespräch mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder zum weiteren Vorgehen bei den COVID-19-­Impfungen. Die „sprichwörtliche und im Übrigen auch bewährte deutsche Gründlichkeit“ wolle man „um mehr deutsche Flexibilität“ ergänzen.

In dem Beschluss haben die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder Folgendes vereinbart:

  • Die bestehenden Impfzentren der Länder und die mobilen Impfteams sollen im April weiter vorrangig mit verfüg­barem Impfstoff beliefert werden. Für einen planbaren Betrieb werden die Anlieferungsstandorte der Länder wöchentlich kontinuierlich 2,25 Mio. Dosen bekommen. Diese Menge soll nach und nach gesteigert werden. Wie bisher sollen die Impfstoffe gemäß Bevölkerungsanteil an die Länder verteilt werden.
  • Die Menge der pro Woche verfügbaren Impfstoffe, die danach noch übrig bleibt, soll ab der Woche nach Ostern (14. KW) ebenfalls gemäß Bevölkerungsanteil der Länder an die Arztpraxen ausgeliefert und dort routinemäßig verimpft werden. Fach- und Betriebsärzte sollen erst bei steigenden Impfstoffmengen einbezogen werden.
  • Für die erste Woche sind zunächst nur rund eine Million Impfdosen für die Arztpraxen vorgesehen. Das bedeutet, dass den 50.000 Hausarztpraxen jeweils nicht mehr als 20 Impfdosen zur Verfügung stehen, was laut Beschluss einer Impfsprechstunde pro Woche entspricht.
  • Bei der Verimpfung gilt die Priorisierung der Impfverordnung. Die Ärzte können diese jedoch flexibel anwenden. Zu Beginn sollen sie schwerpunktmäßig immobile Patienten in der eigenen Häuslichkeit sowie Personen mit Vorerkrankungen, die im Falle einer Sars-CoV-2-Infektion ein hohes Risiko mit sich bringen, und besonders vulnerable Patienten impfen.
  • Als erfreulich wird in dem Beschluss hervorgehoben, dass Biontech/Pfizer in Kürze zusätzlich vier Millionen Dosen Impfstoff an die Europäische Union liefern wird, von denen 580.000 Dosen auf Deutschland entfallen. 250.000 Dosen aus dieser Lieferung sollen in der 14. KW zusätzlich an die Impfzentren und Arztpraxen gehen. Der Rest soll insbesondere für Hotspots und zur Abwehr von Virusmutanten eingesetzt werden. Wegen des hohen Infektions­geschehens in französischen und tschechischen Grenz­regionen und der Gefahren durch die neuen Corona-­Varianten erhalten das Saarland 80.000, Rheinland-Pfalz 20.000, Bayern und Sachsen jeweils 100.000 und Thüringen 30.000 zusätzliche Dosen aus dem neuen Biontech/Pfizer-Kontingent.

Wie viel Impfstoff kommt in den nächsten Wochen?

Auch im April werden die Impfstoffmengen noch knapp sein. Laut dem Beschluss stehen in Deutschland im nächsten Monat rund 15,4 Millionen Impfdosen zur Verfügung, wobei die Liefermengen von Woche zu Woche steigen. Da die Zuweisungen an die Impfzentren im April konstant bleiben sollen, wird es dadurch immer mehr Impfungen in Hausarztpraxen geben. In der letzten Aprilwoche sollen den Planungen zufolge insgesamt 5,4 Millionen Dosen zur Verfügung stehen. Davon sollen mehr als 3,1 Millionen in die Hausarztpraxen gehen, das heißt, dass diese erstmals mehr Dosen als die Impfzentren erhalten.

Im zweiten Quartal sollen nach den aktuellen Zahlen 40,2 Millionen Dosen von Biontech/Pfizer, 6,4 Millionen Dosen Moderna und 15 Millionen AstraZeneca-Dosen geliefert werden. Zudem müsste in der zweiten Aprilhälfte auch die Versorgung mit dem zuletzt zugelassenen Impfstoff von Johnson & Johnson starten, der nur einmal gespritzt werden muss.

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts liegt die aktuelle Impfquote (Stand: 16. März 2021) in Deutschland bezüglich der Erstimpfungen bei neun und der vollständigen Impfungen bei vier Prozent.

Belieferung über den Großhandel und die Apotheken

In der revidierten Corona-Impfverordnung (Stand: 10. März 2021) heißt es, dass die Praxen den Impfstoff zur Verfügung gestellt bekommen sollen. Weitere Details dazu werden offengelassen. Schon Anfang des Monats hatte Jens Spahn sich klar zum Vertriebsweg Apotheke bekannt. Die Belieferung der Praxen der niedergelassenen Ärzte soll also wie bei anderen Schutzimpfungen über die Apotheken erfolgen. Diese werden wiederum über die etablierten Strukturen des pharmazeutischen Großhandels beliefert. Der Großhandel erhält seine Lieferung direkt aus dem Zentrallager des Bundes oder vom Hersteller.

Gemeinsames Konzept von ABDA, KBV und PHAGRO

Wie das in der Praxis genau ablaufen könnte, ist dem gemeinsamen Konzept der ABDA, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und des Bundesverbandes des Pharmazeutischen Großhandels (PHAGRO) zur Auslieferung der COVID-19-Impfstoffe durch Großhandel und Apotheken an Arztpraxen vom 19. Februar 2021 zu entnehmen.

Für die Gewährleistung der Versorgung der Arztpraxen ist es hiernach zwingend erforderlich, vorab Kenntnis über die lieferbaren und zu distribuierenden Impfstoffe nach Art und Menge zu erlangen. Außerdem müsse ein festgelegter Prozess mit zeitlich vorgegebenen Fristen etabliert und exakt eingehalten werden, so ein weiterer Eckpunkt des Verfahrens. Zunächst regelt eine zentrale (staatliche) Stelle die Lieferströme der Impfstoffe in die Impfzentren und den ambulanten Bereich nach Art und Menge der Impfstoffe. Die von den Großhändlern als „Impfstoff-Hubs“ benannten Niederlassungen werden von den staatlich eingerichteten Verteilzentren bzw. ggf. von den pharmazeutischen Unternehmern einmal wöchentlich direkt beliefert. Der Großhandel gewährleistet die Zwischenlagerung der Impfstoffe. Dies gilt auch für den bei Temperaturen ≤ -70 °C in Ultra-Tiefkühlschränken zu lagernden Impfstoff von Biontech/Pfizer. In dem Konzeptpapier sagt der Großhandel zu, schnellstmöglich eine Infrastruktur für eine Ultra-Tiefkühl-Logistik einzurichten. In diesem Zusammenhang solle geprüft werden, inwieweit auf Beschaffungsstrukturen des Bundes zurückgegriffen werden kann.

Lieferungen einmal wöchentlich

Ein Organisationsmodell in der Anlage zu dem Konzeptpapier veranschaulicht die einzelnen Stufen zwischen Arztpraxis, Großhandel und Apotheke. Die Lieferungen des Großhandels an die Apotheken und von diesen an die Ärzte sollen ebenfalls einmal wöchentlich vonstatten gehen. Die Vertragsärzte sollen den für die Folgewoche benötigten Impfstoff sowie das Zubehör jeweils bis Dienstagmittag bei ihrer Apotheke bestellen. Diese würden dann jeweils zu Wochenbeginn an die Praxen liefern. Der wöchentliche Bestell- und Lieferrhythmus wird aufgrund der begrenzten Lagerfähigkeit des Biontech-Impfstoffes für erforderlich gehalten, da dieser ab dem Zeitpunkt des Auftauens nur noch 120 Stunden bei Kühlschranktemperaturen von zwei bis acht Grad lagerfähig ist. Der Auftauvorgang des Impfstoffs soll vor Beginn der Auslieferung am Montagmorgen beginnen. Danach verbleiben dann noch fünf Tage für die Abgabe an die Arztpraxen und die Impfungen.

BMG-Entwurf zum Vergütungsrahmen

Am Montag dieser Woche hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) einen Referentenentwurf für eine revidierte Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Corona­virus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung – Corona­ImpfV) vorgelegt (Bearbeitungsstand: 19.03.2021). Dieser berücksichtigt in erster Linie die stärkere Einbeziehung der Arztpraxen und perspektivisch auch der Betriebsärzte in die Impfstrategie. Nach dem Entwurf (§ 6 Abs. 1 Satz 1) sollen die COVID-19-Impfungen und Impfberatungen durch folgende Leistungserbringer erbracht werden können:

1. durch Impfzentren, einschließlich der bei ihnen angegliederten mobilen Impfteams, beauftragten Arztpraxen und be­auftragten Fachärzte für Arbeitsmedizin und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ (Betriebsärzte), die einem bestimmten Impfzentrum angegliedert sind,

2. durch Arztpraxen,

3. durch Betriebsärzte, sofern ihre Belieferung mit Impfstoff vom Land freigegeben ist.

Die Nr. 1 bringt gegenüber der Fassung vom 10. März 2021 de facto keine Änderung. Die bisher beauftragten Arztpraxen und Betriebsärzte, die den Impfzentren angegliedert sind, sollen weiterhin zur Leistungserbringung berechtigt bleiben, und es können auch in Zukunft weitere damit beauftragt werden. Es bleibt auch dabei, dass diese den Impfstoff vom Bund oder einem Land zur Verfügung gestellt bekommen und damit als beauftragt gelten.

Neu besteht nunmehr die Möglichkeit, dass Arztpraxen und zukünftig auch Betriebsärzte den Impfstoff über den regulären Weg der Apotheken beziehen können (Abs. 1, Satz 1, Nr. 2 und 3 des Entwurfs). Eine Beauftragung durch die Länder ist dann nicht mehr erforderlich.

In einem neuen § 11 wird die Großhandelsvergütung für die Verteilung der COVID-19-Impfstoffe in die Fläche und an die Apotheken geregelt. Die Arzneimittelpreisverordnung soll hier keine Anwendung finden. Der Großhandel soll für den im Zusammenhang mit der Abgabe von COVID-19-Impfstoffen stehenden Aufwand, insbesondere bei der Annahme, dem möglichen Auseinzeln/Konfektionieren und dem Weitertransport an die Apotheken, eine fixe Vergütung je abgegebener Durchstechflasche erhalten, wobei zwischen kühlpflichtigen und ultra- oder tiefkühlpflichtigen Durchstechflaschen differenziert wird. Damit soll der höhere Aufwand für diese entsprechend abgebildet werden. Für die Abgabe von Impfzubehör an Apotheken soll der Großhandel zusätzlich eine fixe Vergütung bekommen.

Analog dazu gestaltet sich die Vergütung der Apotheken. Auch diese sollen für den Aufwand im Zusammenhang mit der Abgabe von COVID-19-Impfstoffen an Arztpraxen, insbesondere für die Organisation und die bedarfsgerechte Bereitstellung, pro abgegebener kühlpflichtiger bzw. abgegebener ultra- oder tiefkühlpflichtiger Durchstechflasche jeweils einen Fixbetrag erhalten (§ 12 des Entwurfs). Die konkrete Höhe der Vergütungen des Großhandels und der Apotheken wird in dem Referentenentwurf allerdings noch nicht ausgewiesen.

Um die Abrechnung der Vergütungen für den Großhandel und die Apotheken für das Bundesamt für Arbeit und Soziales zu vereinfachen, sollen die Großhändler ihre Vergütung nicht direkt mit dem BAS klären. Stattdessen sollen die Apotheken die Großhandels- und Apothekenvergütungen (nach den §§ 11 und 12) quartalsweise spätestens bis zum Ende des dritten auf den Abrechnungszeitraum folgenden Monats mit dem jeweiligen Rechenzentrum abrechnen und die Großhandelsvergütung an dieses weiterleiten (§ 13 des Entwurfs). Am Ende werden die Kosten für die Vertriebsstufen durch den Bund refinanziert. Der Großhandel, die Apotheken und die Rechenzentren sollen dazu verpflichtet werden, die rechnungsbegründenden Unterlagen bis zum 31. Dezember 2024 unverändert zu speichern oder aufzubewahren. Hierdurch soll überprüft werden können, ob die Anforderung von Finanzmitteln den rechtlichen Vorgaben entsprach.

Besorgnis wegen Engpässen beim Impfzubehör

Nach der Nationalen Impfstrategie COVID-19 liegt die Zuständigkeit für die Beschaffung und Vorhaltung des be­nötigten Impfzubehörs, d. h. insbesondere von (Spezial-)Spritzen, Kanülen und ggf. benötigten Lösemitteln, z. B. 0,9% NaCl-Lösung, bei den Ländern. Der Großhandel bietet an, die Verteilung zu organisieren. Allerdings ist offenbar ein Großteil aktuell durch Reservierungen der Länder bei den Herstellern gebunden. Dies könnte einen unerwünschten Verteilungskampf auslösen. Bund, Länder, Großhandel und die Hersteller von Impfzubehör müssten nun zeitnah erörtern, wie dieses Problem gelöst werden kann.

Passen die Gebindegrößen?

Ein weiteres Problem bei den Lieferungen könnten auch die verfügbaren Gebindeeinheiten der Impfstoffe sein. In dem Konzeptpapier heißt es lapidar, dass diese möglichst an den Bedarfen im ambulanten Bereich angepasst werden müssten. Biontech/Pfizer hat aktuell Gebinde von fünf Kartons mit jeweils 195 Vials á 6 Dosen (5.850 Dosen) bzw. einem Karton mit 25 Vials á 6 Dosen (150 Dosen) im Programm und Moderna und AstraZeneca jeweils Einzelkartons mit 10 Vials á 10 Dosen. Mit Blick auf die Nachvollziehbarkeit der Impfstofflieferungen und damit die Transparenz über die Gesamtbestell- und Liefermengen sowie aufgrund der fehlenden Kenntnis der konkreten Bedarfe in der Arztpraxis solle eine Auseinzelung aus Originalgebinden durch den Großhandel vermieden werden, heißt es in dem Papier.

Müssen alle Bundesländer direkt mitmachen?

Nein, der Beschluss sieht vor, dass einzelne Länder gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 22. März 2021 ein „Opt-out“ erklären können sollten. Sie bekommen dann im April wie bisher ihren jeweiligen bevölkerungsbezogenen Anteil an Impfstoffen. Für die Apotheken dieser Bundesländer bedeutet das, dass sie bis auf Weiteres keine Arztpraxen mit Impfstoffen beliefern müssen. |

Autorin

Dr. Helga Blasius ist Fachapothekerin für Arzneimittelinformation, Dipl.-Übersetzerin (Japanisch, Koreanisch) und regelmäßige Autorin der DAZ.

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