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E-Rezept

Der direkte Draht

Das bietet die E-Rezept-App der Gematik

In der Fokusregion Berlin/Brandenburg wird ab dem 1. Juli 2021 die Testphase für das E-Rezept beginnen. Nach dem vorangegangenen Modellprojekt des Deutschen Apothekerverbands (DAV) und des Berliner Apothekervereins (BAV) in der „Zukunftsregion Digitale Gesundheit“ (ZDG) Berlin und Brandenburg“ startet ab diesem Zeitpunkt die Erprobungsphase mit bis zu 120 Apotheken und 50 Ärzten. Die von der Gematik entwickelte Patienten-App wird ebenfalls zu diesem Termin bereitstehen. Die bundeseinheitliche E-Rezept-App wurde mittlerweile von der Gematik vorgestellt. Welchen Funktionsumfang bietet die App? Und was sind die Besonderheiten dieser Anwendung? | Von Kathrin Wild 

„Erfahrungen sammeln und Akzeptanz steigern“, unter diesem Motto möchte die Gematik die Einführung des E-Rezeptes in Deutschland vornehmen. Man hat sich daher für eine schrittweise Umsetzung entschieden. Nach der Fokusregion Berlin/Brandenburg wird ab dem vierten Quartal 2021 die bundesweite Einführungsphase des E-Rezeptes beginnen, gefolgt von der verpflichtenden Nutzung zum 1. Januar 2022. Die Pflichtanwendung betrifft in der ersten Stufe des E-Rezeptes Verordnungen von apothekenpflichtigen Arzneimitteln für gesetzlich versicherte Patienten. Für die Kunden einer Apotheke bedeutet dies, dass die Medikamente mittels einer Papiervariante des E-Rezeptes, der E-Rezept-App oder voraussichtlich auch über Apps von Drittanbietern eingelöst werden können.

Wo findet man die App?

Die App wird ab Juli 2021 im Apple App Store, Google Play Store sowie in der Huawei AppGallery zum Download bereitstehen. Unterstützt werden Betriebssysteme ab Android 6 und iOS 14. Für die Authentifizierung des Versicherten in der Telematikinfrastruktur (TI) ist derzeit noch ein Smartphone und eine elektronische Gesundheitskarte (eGK) notwendig, die beide mit dem Funkstandard NFC (Near Field Communication) ausgestattet sind.

Die nachfolgend grafischen und textlichen Darstellungen können sich bis zu der endgültigen Version noch verändern. Es ist aber davon auszugehen, dass die folgende Umsetzung im Wesentlichen der finalen App entsprechen wird.

Nach dem Download und dem ersten Start der App wird der Nutzer mit einem kurzen Überblick zu den wesentlichen Funktionen begrüßt. Der Anwender bestätigt anschließend das Lesen und Akzeptieren der Datenschutz- und Nutzungsbestimmungen. Im nächsten Schritt kann die Erlaubnis zum anonymen Tracking von Nutzerströmen, Abstürzen oder Fehlermeldungen gegeben werden, um die App stetig verbessern und weiterentwickeln zu können.

Abb. 1: Startbildschirm der App

Wie funktioniert die App?

Die Hauptfunktion der App besteht in der Übermittlung von elektronischen Verordnungen in die Apotheke. Das kann auf zwei Wegen erfolgen. Ohne Anmeldung mit einer reinen Scanfunktion oder mit Authentifizierung gegenüber der TI und vollem Zugriff auf alle Funktionen der App. Möchte der Patient nur ein vorliegendes Rezept scannen, ist die App sofort einsatzbereit. Anhand einer kurzen Anleitung wird dem Patienten der Ablauf der Funktion erklärt. Mit der Zugriffserlaubnis auf die Smartphonekamera kann entweder der Sammelcode oder ein Einzelcode auf einem ausgedruckten E-Rezept erfasst werden. Die App erkennt, wie viele Medikamente verordnet sind, weist den Anwender aber darauf hin, dass aus Datenschutzgründen nur sehr wenige Informationen seines Rezeptes in der App angezeigt werden. Für den Patienten bedeutet dies, dass seine verordneten Arzneimittel nicht namentlich angezeigt werden, sondern als „Medikament 1 – 3“ dargestellt werden. Im Detailbereich der einzelnen Arzneimittel ist der Einzelcode angezeigt, Wirkstoff oder die Darreichungsform sind nicht vorhanden. Der Hintergrund dazu ist, das personenbezogene Angaben nicht in dem gescannten Code enthalten sind. Der Data-Matrix-Code oder sogenannte ­E-Rezept-Token ist der Zugangsschlüssel zu den Informationen, die auf dem E-Rezeptfachdienst abgelegt sind. Hat sich der Anwender gegenüber der TI nicht authentifiziert, können keine Verordnungsinhalte vom Fachdienst abgerufen werden. Scrollt man bis zum Bildschirmende wird eine „Task-ID“ und ein „Access-Code“ angezeigt. Diese beiden Informationen sind in dem Token enthalten und ermöglichen es der Apotheke, die gegenüber der TI authentifiziert ist, die Rezeptinhalte abzurufen. Der E-Rezept-Token kann daher in der Apotheke vom Smartphonebildschirm abgescannt und die Arzneimittel beliefert werden.

Abb. 2: Rezepte einlösen

Abb. 3: Darstellung ohne Anmeldung

So läuft derzeit noch die Authentifizierung

Möchte der Patient alle Informationen zu seinem E-Rezept abrufen und den vollen Funktionsumfang der App nutzen, muss er die Anmeldung vornehmen. Neben einem Smartphone mit NFC-Funktion ist eine neue, NFC-fähige elektronische Gesundheitskarte (eGK) sowie eine PIN erforderlich. Die beiden letztgenannten Komponenten können ­gesetzlich versicherte Patienten bei ihrer Krankenkasse beantragen, falls sie nicht vorhanden sind. Der Anmeldeprozess funktioniert in mehreren Schritten. Über den NFC-Funkstandard wird durch die Eingabe der sechsstelligen CAN (Card Access Number) zuerst eine sichere Verbindung zwischen Handy und Karte hergestellt. Die CAN befindet sich auf der NFC-fähigen eGK rechts oben unter den Deutschlandfarben.

Abb. 4: Anmeldung, ­Eingabe CAN

Mit der Eingabe einer PIN identifiziert sich dann der Versicherte. Alternativ werden zwei biometrische Identifikationswege unterstützt, wodurch das erneute Eingeben der CAN und PIN bei jeder Anmeldung umgangen werden kann, da die Zugangsdaten gespeichert werden. Die App unterstützt dazu die Authentifizierung über einen Gesichts-Scan oder den Fingerabdruck. Für die Überprüfung der Eingaben wird die eGK abschließend an die Rückseite des Smartphones gehalten. Wenn alles funktioniert hat, ist die Anmeldung damit erfolgreich durchlaufen. Es werden nun die E-Rezepte der letzten 100 Tage aus dem E-Rezept-Fachdienst auf die App geladen. Wird eine neue digitale Verordnung von einem Arzt im E-Rezeptfachdienst abgelegt, wird diese nun automatisch abgerufen und in der App angezeigt. Alle Medikamente sind im angemeldeten Modus namentlich aufgeführt, detaillierte Informationen wie etwa der Wirkstoff, die Darreichungsform, die Dosierung oder laienverständliche Hinweise einsehbar. Bereits eingelöste Rezepte werden im Bereich „Archiv“ einsortiert.

Abb. 5: Anmeldung mit Gesichts-Scan oder Fingerabdruck

Einlösen der Verordnungen

Abb. 6: Anzeige nach ­erfolgreicher Anmeldung

Über den Button Einlösen wird entweder die gesamte Verordnung oder ein einzelnes Arzneimittel für die weitere Bearbeitung vorbereitet. Denn im Hinblick auf den Umgang mit ärztlichen Verordnungen ergibt sich für den Patienten eine Neuerung. Es besteht die Möglichkeit, einzelne Positionen einer Verordnung einzulösen ohne den Anspruch auf die verbleibenden Präparate einzubüßen.

Abb. 7: Wie soll das Rezept eingelöst werden?

Für die Übertragung der Verordnung in die Apotheke stehen zwei Optionen zur Verfügung: Entweder befindet der Patient sich bereits in der Apotheke und möchte sein E-Rezept direkt einlösen. In diesem Fall wird in der App entweder der Sammel- oder Einzelcode angezeigt. Dieser kann in der Apotheke vom Handybildschirm abgescannt und im Warenwirtschaftssystem weiterbearbeitet werden.

Abb. 8: E-Rezept-Token zum Einscannen

Alternativ können die benötigten Medikamente reserviert oder bestellt werden. Dazu wird im nächsten Schritt die Apotheke ausgewählt, an die das Rezept versendet werden soll. Für den Aufbau und Betrieb des Apothekenverzeichnisdienstes in der Telematikinfrastruktur ist der Deutsche Apothekerverband (DAV) von der Gematik beauftragt worden. Für eine Apothekensuche öffnet sich ein Verzeichnis mit allen deutschen Vor-Ort Apotheken sowie den in- und ausländischen Versandapotheken. Die Anzeige der Apotheken erfolgt zunächst alphabetisch, nach Standortfreigabe kann nach der Entfernung gesucht werden. Die Apothekensuche kann zudem über den Namen, die Straße, die Postleitzahl oder den Ort erfolgen. Weitere Suchkriterien wie etwa nach den Lieferangeboten Bote oder Versand, Barrierefreiheit oder Beratungsangeboten in verschiedenen Sprachen können optional aktiviert werden. Bei der Belieferung per Bote kann die Apotheke einen Radius angeben innerhalb dem sie die Dienstleistung anbieten möchte. Für Versandapotheken wird es diese Einschränkung voraussichtlich nicht geben, dem Nutzer werden seinem Standort entsprechend alle theoretisch belieferungsfähigen Apotheken angezeigt. Ob ausländische Apotheken und Versandhändler ihrem Standort nach im Umkreis des Patienten angezeigt werden oder separat dargestellt werden, ist zum aktuellen Zeitpunkt seitens der Gematik noch nicht entschieden.

Abb. 9: Apothekensuche

Die Apotheken können verschiedene Bestell- und Lieferoptionen in der App hinterlegen: Zur Abholung reservieren, Botendienst anfragen oder per Versand liefern lassen.

Abb. 10: Bestell- und ­Lieferoptionen

Für eine Reservierung und die Lieferung per Bote sendet die App die Verordnung direkt an die gewählte Vor-Ort-Apotheke. Der Bestellprozess ist damit für den Patienten abgeschlossen. Im Anschluss kann die Apotheke über Nachrichten Informationen beispielsweise zum Abholzeitpunkt oder der Ankunftszeit des Boten ihrem Kunden mitteilen.

Abb. 11: Anleitung zur Bestellung per Versand

Bei einer Belieferung per Versand wird die Bestellung nicht über die App abgeschlossen, sondern es erfolgt die Weiterleitung auf die Shopseite der Versandapotheke. Mit Klick auf den Button „Per Versand liefern lassen“ stellt die Apotheke einen digitalen Warenkorb zusammen. In der App wird dann ein Link mit der Warenkorb-URL zur Weiterleitung auf die Shopseite aktiv. Für die weitere Abwicklung der Bestellung wechselt der Kunde auf die Webseite des Versenders. Gemäß der Spezifikation der Gematik „Implementierungsleitfaden Primärsysteme – E-Rezept“ ist es jeder Apotheke, unabhängig von der gewählten Belieferungsoption möglich, einen Link zu einem eigenen externen Webshopangebot zu senden. Abzuwarten bleibt, ob für die Vor-Ort-Apotheke eine Weiterleitung analog zu den Versendern umgesetzt wird oder ein Link nur über die aktive Kontaktaufnahme seitens der Apotheke übermittelt werden kann.

Abb. 12: Aktivierter Link zur Weiterleitung auf die Shopseite des Versenders

Demo-Modus: Kennenlernen der App

In den Einstellungen der App lässt sich ein Demo-Modus aktivieren. Mit diesem Feature hat der Anwender die Möglichkeit alle Funktionen der App, die erst nach der Authentifizierung zur Verfügung stehen, kennenzulernen. Der Demo-Modus soll helfen, Vorbehalte oder Hürden rund um den Anmeldeprozess und den Ablauf einer digitalen Rezeptbestellung abzubauen und die Akzeptanz zu steigern. Um die Sicherheit der App zu erhöhen, werden zwei biometrische Identifikationsverfahren für die App angeboten. Für einen Zugriffsschutz kann die Abfrage der Touch- oder Face-ID aktiviert werden. Die Gematik hat bereits angekündigt, welche Erweiterungen in der App als nächstes auf dem Plan stehen werden. Die unverbindliche Anfrage zur Belieferung eines E-Rezeptes in bis zu drei Apotheken wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2021 umgesetzt. Außerdem soll die Anmeldung mehrerer elektronischer Gesundheitskarten in der App möglich sein, sodass E-Rezepte für die ganze Familie empfangen und verwaltet werden können. In der Apothekensuche soll eine bevorzugte Apotheke des Patienten als Stammapotheke festgelegt werden können und durch die Anzeige der Apotheken auf einer Karte wird eine zusätzliche Suchmöglichkeit geschaffen.

Offene Fragen

Bis zum bundesweiten Start der Pflichtanwendung ist es eine besondere Herausforderung, neben den beteiligten Leistungserbringern vor allem die Patienten mit dem neuen Rezeptwesen vertraut zu machen. Mit Beginn der Einführung wird die ausgedruckte Variante des E-Rezeptes das vorherrschende Medium in den Händen der Patienten sein. Mittelfristig soll laut Gematik aber die App der Standardweg zur Übermittlung von digitalen Verordnungen werden. Die Anmeldung in der Telematikinfrastruktur ist für einen vollumfänglichen Zugang zu den gezeigten App-Funktionen unumgänglich. Die aktuelle Verteilung der dafür notwendigen neuen NFC-fähigen elektronischen Gesundheitskarten liegt derzeit in Deutschland bei weniger als zehn Prozent. Wie viel Zeit es in Anspruch nehmen wird, bis der Anteil signifikant ansteigt, ist derzeit offen. Dieses Problem haben die Regierungsfraktionen erkannt und die Krankenkassen mittels Änderungsantrag zum kürzlich verabschiedeten Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungsgesetz (DVPMG) dazu verpflichtet, bis Januar 2022 ein vereinfachtes Verfahren zu entwickeln.

Foto: Health Innovation Hub des BMG

Experten gehen davon aus, dass nach der verpflichtenden Einführung des E-Rezepts zunächst noch in 90 Prozent der Fälle ein Papierausdruck mit den Data-Matrix-Codes für jede Verordnungszeile zum Einsatz kommen wird.

Zudem darf die Bedeutung von Drittanbieterapps, die zum Starttermin mit neuen E-Rezeptfunktionen auf dem Markt erscheinen, gerade zu Beginn der Einführung nicht vernachlässigt werden. Aktuell ausstehend ist dazu eine Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums, welche mögliche Schnittstellen der Gematik-App regelt. Welche Veränderungen oder Anpassungen es hinsichtlich einer Anbindung von anderen Apps geben wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt offen. Bis dahin entscheiden letztendlich die Apotheke und ihre Kunden, welche App im alltäglichen Gebrauch am häufigsten zum Einsatz kommen wird. |

Autorin

Kathrin Wild, Apothekerin und DAZ-Autorin

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