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Beratung

Wenn Mann leidet

Prostatitis kann zu starken Schmerzen führen

Probleme beim Wasserlassen, Schmerzen in der Leistengegend oder an den Genitalien – viele Männer sind irgendwann in ihrem Leben davon betroffen. Ursache kann eine Prostatitis sein. Welche Formen der Prostatitis gibt es? Wodurch werden diese ausgelöst? Und was kann man dagegen tun? | Von Sabine Fischer

Bei der Prostata handelt es sich um eine kastaniengroße, zwischen Harnblasengrund und Beckenbodenmuskulatur liegende Vorsteherdrüse. Sie besteht aus 30 bis 50 verzweigten Drüsen, welche ein dünnflüssiges, trübes Sekret produzieren. Bei der Ejakulation wird das Sekret in die Harnröhre gepresst. Dort bildet es zusammen mit der Flüssigkeit aus den Samendrüsen und den Spermien das Sperma [1]. Eine häufige urologische Erkrankung ist die Prostatitis. Schätzungen zufolge leidet bis zur Hälfte aller Männer irgendwann in ihrem Leben an Symptomen einer Prostatitis. Die Prostatitis reicht von einer einfachen klinischen Entität in ihrer akuten Form bis zu einer komplexen, schwächenden Erkrankung, wenn sie chronisch ist. Es gibt vier Klassifikationen der Prostatitis: akute bakterielle, chronische bakterielle, chronische Prostatitis/chronisches Beckenschmerzsyndrom und asymptomatische Prostatitis [siehe Tab. 1] [2, 3].

Tab. 1: Internationale Klassifikation des Prostatitissyndroms gemäß des National Institutes of Health (NIH) [3]
Typ
Bezeichnung
Beschreibung
I
akute bakterielle Prostatitis (ABP)
akute Infektion der Prostata
II
chronische bakterielle Prostatitis (chronische Prostatitis, CP)
rezidivierende Infektion der Prostata
III
chronische abakterielle Prostatitis (CP) / chronisches Schmerz­syndrom des Beckens (CPPS, chronic pelvic pain syndrom)
keine mikrobiologisch nachweisbare Infektion
III A
entzündliches chronisches Schmerzsyndrom des Beckens
Leukozyten im Ejakulat, Prostatasekret oder Urin nach Prostatamassage
III B
nichtentzündliches chronisches Schmerzsyndrom des Beckens
keine Leukozyten im Ejakulat, Prostatasekret oder Urin nach Prostatamassage
IV
asymptomatische entzündliche Prostatitis
keine subjektiven Symptome, entdeckt durch Prostata­biopsie oder durch Leukozyten in Prostatasekret oder Ejakulat im Zuge einer Diagnostik aus anderen Gründen

Bakterielle Prostatitis

Die Diagnose einer akuten und chronischen bakteriellen Prostatitis basiert hauptsächlich auf Anamnese, körper­licher Untersuchung, Urinkultur und Urinprobentests vor und nach der Prostatamassage. Die Differenzial­diagnose der Prostatitis umfasst akute Zystitis, benigne Prostatahyperplasie, Harnwegssteine, Blasenkrebs, Prostataabszess, enterovesikale Fistel und Fremdkörper in den Harnwegen.

Bei einer akuten bakteriellen Pros­tatitis (ABP) handelt es sich um eine schwere, systemische Infektion. Aus­lösende Erreger sind neben Escherichia coli und anderen Enterobakterien gelegentlich auch Pseudomonas aeruginosa. Symptome einer solchen akuten bakteriellen Prostatitis sind perineale, das heißt denn Damm betreffende Schmerzen, Schmerzen bei der Defäkation, Fieber, Schüttelfrost und zu häufiges Wasserlassen (Pollakisurie) unter Schmerzen (Dysurie). Als Komplikationen kann es zu Harnverhalt, Prostataabszess und Urosepsis kommen [4, 5].

Die Therapie erfolgt mittels Antibiose, optimal ist eine kulturgesteuerte Behandlung. Zu Beginn erfolgt die Behandlung jedoch meist empirisch. Bei einer akuten bakteriellen Prostatitis wird die parenterale Gabe von hochdosierten bakteriziden Antibio­tika wie Breitspektrum-Penicillinen, einem Cephalosporin der dritten Generation oder Fluorchinolonen empfohlen. Zur Initialtherapie kann jedes dieser antimikrobiellen Mittel mit einem Aminoglykosid kombiniert werden. Begleitmaßnahmen sind eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und eine Urindrainage. Nach Normalisierung der Infektionsparameter kann eine orale Therapie substituiert und insgesamt zwei bis vier Wochen fortgesetzt werden. Bei Restharn kommen Alpha-Rezeptorenblocker zum Einsatz [6].

Eine chronische bakterielle Prostatitis (CBP) ist oft die Folge einer Harnwegsinfektion, weshalb das Erregerspek­trum dem eines komplizierten Harnwegsinfektes gleicht. Betroffen sind ca. 5 bis 10% aller Patienten mit Prostatitis [4]. Fluorchinolone sind trotz hoher Resistenzraten Mittel der Wahl. Sie weisen günstige pharmakokinetische Eigenschaften und eine antibakterielle Aktivität gegen gramnegative Erreger, einschließlich Pseudomonas aeruginosa auf. Azithromycin und Doxycyclin sind gegen atypische Erreger wie Chlamydia trachomatis und genitale Mykoplasmen wirksam.

Die Behandlungsdauer mit Fluorchinolon muss mindestens 14 Tage betragen, während die Behandlung mit ­Azithromycin und Doxycyclin auf mindestens drei bis vier Wochen ausgedehnt werden sollte. Tritt die chronische bakterielle Prostatitis rezidivierend auf, kann entweder jede Episode antibiotisch behandelt oder eine antibiotische Dauerprophylaxe für mindestens sechs Monate durchführt ­werden [4, 6].

Die chronische abakterielle Prostatitis/das chronische Beckenschmerzsyndrom (CP/CPPS) ist gekennzeichnet durch Becken- oder Perinealschmerzen ohne pathogene Bakterien in den Prostatasekreten. Oft gehen diese mit Miktionsstörungen einher. Dazu können auch Schmerzen in Penis, Hoden, oberhalb des Schambeins, bei der Ejakulation oder im unteren Rücken kommen. Dabei müssen Sym­ptome mindestens in drei der letzten sechs Monate vorliegen. Man unterscheidet die entzündliche (weiße Blutkörperchen in Prostatasekreten) von der nichtentzündlichen Form (keine weißen Blutkörperchen in Prostata­sekreten) (siehe Tab. 1) [7].

Die Ursache einer chronischen abakteriellen Prostatitis bzw. eines chronischen Schmerz­syndrom des Beckens ist oft unklar. Als mögliche Ursachen werden Infektion, eine neuromuskulär bedingte Harnblasenfunktions­störung, neuropathische Schmerzen, eine interstitielle Zystitis sowie eine Immundysfunktion diskutiert. Die Therapie erfolgt mit Alpha-Rezeptorenblocker zur Behandlung der funktionellen Obstruktion, Muskelrelaxanzien können zur Entspannung der Beckenbodenmuskulatur hilfreich sein. Da möglicherweise nicht kultivierbare Bakterien an der Entstehung beteiligt sein könnten, ist ein Therapieversuch mit Fluorchinolonen gerechtfertigt. Allerdings sollte die Therapie been­dete werden, wenn nach zwei Wochen kein Erfolg sichtbar ist. Zur Schmerzlinderung können nicht steroidale antiinflammatorische Wirkstoffe eingesetzt werden, die einen zusätzlichen positiven Einfluss auf das Entzündungsgeschehen haben. Anticholinergika helfen bei Miktionsstörungen im Sinne einer Reizblase. Lässt sich keine organische Ursache bei anhaltenden Beschwerden finden, wird häufig von einem psychosoma­tischen Krankheitsbild ausgegangen [4]. Neben pharmakologischen Interventionen gibt es einige nicht phar­makologische Therapieansätze. So können Akupunktur und extrakorporale Stoßwellentherapie einen positiven Einfluss auf die Krankheitssym­ptome haben. Ebenso konnte für körperliche Akti­vität ein Benefit gezeigt werden. Hingegen sind die Ergebnisse bezüglich einer Prostata­massage nicht eindeutig. Eventuell kann diese die Beschwerden sogar verschlimmern [8].

Zusätzlich zu Therapien mit nachgewiesener Evidenz kann der Versuch erfolgen, Symptome durch Verhaltensmaßnahmen zu lindern. Alkohol, Coffein und scharfe oder säurehaltige Speisen können die Blase reizen und sollten deshalb vermieden werden. Viel Trinken hingegen spült die Blase. Aktivitäten, die die Prostata reizen, sollten reduziert werden. Dazu gehören langes Sitzen oder Fahrrad fahren. Warme Sitzbäder oder das Sitzen auf einem Heizkissen können ebenfalls zur Symptomlinderung führen. Obwohl es keinen wissenschaft­lichen Nachweis für die Wirksamkeit von pflanzlichen Heilmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln gibt, werden auch diese unterstützend eingesetzt. Dazu gehören Gräserpollen (z. B. Pollstimol®), Quercetin und Extrakte aus der Sägepalme [9]. Kombinationen aus verschiedenen pflanzlichen Inhaltsstoffen sind ebenfalls erhältlich (z. B. Majorana/Melissa Suppositorien Weleda, Prosturol® [MP], Multiprosti® [NEM]). Die meisten Prostatapräparate zur Selbstmedikation sind allerdings zur Behandlung der benignen Prostata­hyperplasie, nicht aber bei einer Prostatitis indiziert. So z. B. Granu Fink® Prosta forte (Kürbissamen), Prosta Urgenin® Uno und Prostagutt® Uno (Sägepalmenfrucht), Prostagutt® Duo (Sägepalmenfrucht mit Brennnesselwurzel), Natu prosta® Uno und Prostamed® Urtica (Brennnesselwurzel) sowie Prostamed® (Kürbis­samen, Zitterpappelblätter, Riesengoldrutenkraut).

Auf einen Blick

  • In der Prostata wir ein Teil des Spermas gebildet.
  • Eine bakterielle Prostatitis kann akut oder chronisch sein.
  • Die Therapie der bakteriellen Prostatitis erfolgt antibiotisch.
  • Die Ursache der chronischen abakteriellen Prostatitis ist unklar.
  • Die Therapie der chro­nischen abakteriellen Prostatitis erfolgt mit Antibiotika, Schmerz­mitteln und Alpha-Rezeptorenblockern.
  • Nicht pharmakologische Therapieansätze und Phytopharmaka können bei chronisch abakteriellen Prostatitis unterstützend Linderung bringen.

Homöopathisch können z. B. Pareira brava D6 (plötzlicher Harndrang mit erschwertem Wasserlassen und kolikartigen Schmerzen sowie dunkler Urin), Populus D3 (Schmerzen hinter dem Schambein bei gehäuftem Wasserlassen, Brennschmerz) oder Sabal D3 (stechende Schmerzen bei erschwertem Wasserlassen, schmerzhafte Erektionen) eingesetzt werden [10].

In seltenen Fällen kommt es zu einer asymptomatischen Prostatitis. Es ­liegen zwar Entzündungswerte vor, ­jedoch keine Symptome. Entdeckt wird die asymptomatische Prostatitis zufällig, z. B. bei der Abklärung einer Infertilität oder eines Prostata­karzinoms. Eine spezielle Therapie ist nicht nötig [3]. |
 

Literatur

 [1] Thews G, Mutschler E, Vaupel P. Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen. 7., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 2015

 [2] Domingue GJ Sr et al. Prostatitis. Clin Microbiol Rev 1998;11(4):604-613, doi:10.1128/CMR.11.4.604

 [3] Sharp VJ et al. Prostatitis: diagnosis and treatment. Am Fam Physician. 2010;82(4):397-406, PMID: 20704171

 [4] Wagenlehner F et al. Prostatitis und männliches Beckenschmerzsyndrom Diagnostik und Therapie, Dtsch Arztebl Int 2009;106(11):75-83, DOI: 10.3238/arztebl.2009.0175

 [5] Prostatitis. Amboss, Stand 7. September 2021, www.amboss.com/de/wissen/Prostatitis/

 [6] European Association of Urology, Guideline Urological Infections, https://uroweb.org/guideline/urological-infections/, abgerufen am 25. Oktober 2021

 [7] Le B et al. Chronic prostatitis. BMJ Clin Evid. 2011;2011:1802. Published 4. Juli 2011

 [8] Franco J V. et al. Non-pharmacological interventions for treating chronic prostatitis/chronic pelvic pain syndrome. The Cochrane database of systematic reviews vol. 5,5 CD012551. 12 May. 2018, doi:10.1002/14651858.CD012551.pub3

 [9] Prostatitis. Informationen der Mayoclinic, www.mayoclinic.org/diseases-conditions/prostatitis/diagnosis-treatment/drc-20355771, abgerufen am 28. Oktober 2021

[10] Wiesenauer M. Quickfinder Homöopathie. Gräfe und Unzer Verlag, 4. Auflage 2016

Autorin

Dr. Sabine Fischer ist Apothekerin aus Stuttgart. Seit dem Pharmaziestudium in Freiburg und einer Promotion in Tübingen arbeitet sie an einer PTA-Schule und in öffentlichen Apotheken. Nebenbei schreibt sie als freie Journalistin.

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