Arzneimittel und Therapie

Ist das der Sieg über den Wolf?

Neue Therapieansätze könnten Lupus-Therapie verbessern

Eigentlich soll das Immunsystem unseren Körper vor Erkrankungen schützen. Attackiert es jedoch fälschlicherweise körpereigene Strukturen, kommt es zu Autoimmunerkrankungen. Eine dieser Krankheiten ist der sogenannte Lupus erythematodes. Was verbirgt sich dahinter? Wie erfolgt die Therapie bislang? Und was gibt es Neues aus der Forschung?

Systemischer Lupus erythematodes (SLE) ist eine schwere Autoimmunerkrankung, die eine Vielzahl von Organen befallen kann, z. B. Haut, Niere und Gelenke, aber auch das Zentralnervensystem. Der Krankheitsverlauf ist variabel. Die Krankheitssymptome treten nicht immer gleichzeitig auf und können sich auch erst nach und nach entwickeln. In Deutschland liegt die Prävalenz bei ca. 37 Fällen pro 100.000 Einwohnern, wobei vor allem junge Frauen betroffen sind. Häufig treten zu Beginn unspezifische Erstsymptome wie Fieber, Müdigkeit und Arthralgien auf. Bei ca. 90% der SLE-Patienten ist das Muskel- und Skelettsystem betroffen, wobei es zum Befall sowohl kleiner als auch großer Gelenke kommt. Neben Gelenkschwellungen ist aber auch ein Befall der Haut charakteristisch, der sich vor allem in Form des sogenannten Schmetterlingserythems (persistierende, schmetterlingsförmige, symmetrische Gesichtsrötungen mit leichter Schuppung an Nase, Stirn und beiden Wangen) äußert [1].

Die Ursache der Erkrankung ist un­bekannt. Da aber 90% der Patienten Frauen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren sind, ist davon auszugehen, dass das zweite X-Chromosom sowie der Hormonhaushalt eine gewisse Rolle spielen. Zudem geht man davon aus, dass auch Umwelteinflüsse, Virusinfektionen, Interferone und genetische Faktoren wahrscheinlich zur Entstehung der Erkrankung beitragen [2].

Foto: szczepank/AdobeStock

Die Bezeichnung „Lupus“ (lat.: Wolf) rührt ursprünglich daher, dass die unbehandelten entzündlichen Hautveränderungen wie Wolfsbisse aussahen.

Aktueller Therapiestandard

Systemischer Lupus erythematodes ist bisher nicht heilbar. Jedoch lassen sich mittels immunsuppressiver Therapeutika eine Verschlimmerung der Krankheit und Folgeschäden verhindern. Die Basismedikation erfolgt mit Chloroquin bzw. Hydroxychloroquin. Diese Stoffe weisen eine gute Wirksamkeit in Bezug auf Gelenke und Haut auf. Darüber hinaus sind sie nephroprotektiv und verbessern das kardiovaskuläre Risikoprofil. Zusätzlich werden je nach befallenen Körperregionen und Krankheitsaktivität weitere Substanzen eingesetzt.

Bei eher milder bis moderater Krankheitsaktivität (klassifiziert durch verschiedene Indizes wie z. B. European Consensus Lupus Activity Measurement = ECLAM) werden nichtsteroidale Antirheumatika, Steroide, Methotrexat, Leflunomid oder der monoklonale Antikörper Belimumab (Benlysta®) zur Behandlung von Gelenkschmerzen und -entzündungen eingesetzt. Zur Behandlung von Hauterscheinungen eignen sich lokale Präparate (z. B. Steroide, Tacrolimus), aber auch Methotrexat, Azathioprin, Belimumab oder systemische Steroide. Mit Ausnahme der lokalen Präparate kommen die gleichen Wirkstoffe bei einer Lungenfell- oder Herzbeutelentzündung zur Anwendung.

Bei hoher Krankheitsaktivität kann akute Lebensgefahr bestehen, z. B. durch Nierenentzündung (Lupusnephritis) oder Befall des Nervensystems. Neben systemischen Steroiden erfolgt die Behandlung mit immunsuppressiven Therapien (z. B. Ciclosporin, Azathioprin oder Mycophenolatmofetil), Cyclophosphamid und Rituximab [3].

Die Blutkrebsforschung als Vorbild für neue Therapien

Da ein systemischer Lupus erythematodes ein hohes Risiko für lebensbedrohliche Organschäden mit sich bringt, steht die Erforschung neuer Behandlungsoptionen bei schweren Verläufen im Fokus der Wissenschaft. Zwei neue Therapieansätze, die weiter erforscht werden sollen, wurden kürzlich von deutschen Forschergruppen im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht [4, 5, 6].

Beim systemischen Lupus erythematodes spielen B-Lymphozyten und Plasmazellen, die gegen den Körper gerichtete Antikörper produzieren, eine zentrale Rolle. Zunehmend werden hierbei die Plasmazellen als Treiber der Erkrankung erkannt. Diese jedoch gezielt anzusteuern, stellt eine therapeutische Herausforderung dar. Im Gegensatz zu kurzlebigen Plasmablasten befinden sich die nicht teilenden langlebigen Plasmazellen nämlich in speziellen Überlebensnischen im Knochenmark oder entzündeten Gewebe. Sie reagieren nicht auf immunsuppressive und B-Zell-gerichtete Therapien. Da auch bei hämatologischen Krebserkrankungen entartete B-Zellen und Plasmazellen eine bedeutende Rolle spielen, verwundert es nicht, dass seit einigen Jahren versuchsweise in besonders schweren Lupus-Fällen gezielte Therapien aus der Blutkrebsforschung eingesetzt werden. So konnte in präklinischen und klinischen Studien mit Bortezomib (Velcade®) – einem Proteasom-Inhibitor zur Therapie des multiplen Myeloms – die Bedeutung des Targetings von langlebigen Plasmazellen bei systemischem Lupus erythematodes nachgewiesen werden. Bortezomib zeigte einen erheblichen therapeutischen Nutzen, zum Teil aber auch gravierende toxische Wirkungen.

Tritt bei Patienten ein Schmetterlingserythem auf, sollte vor allem bei Frauen im gebärfähigen Alter an einen systemischen Lupus erythematodes gedacht werden.

Vielversprechender Antikörper

Mit Daratumumab (Darzalex®), das bereits seit 2016 zur Behandlung des multiplen Myeloms zugelassen ist, soll nun eine neue Therapiestrategie gegen den systemischen Lupus erythematodes entwickelt werden. Der monoklonale Antikörper richtet sich gegen das Glykoprotein CD38, welches zahlreich auf Plasmazellen exprimiert wird, und führt nachweislich zu einem starken Abbau bösartiger Plasmazellen im Knochenmark. In der aktuellen Publikation berichten die Forscher von zwei Patienten mit lebensbedrohlichem Lupus, die mit Daratumumab behandelt wurden. Zahlreiche zuvor durchgeführte Therapie hatten keinen zufriedenstellenden Behandlungserfolg gebracht. Die Patienten erhielten über vier Wochen einmal wöchentlich eine Infusion mit 16 mg/kg KG Daratumumab zusätzlich zur Standardtherapie. Danach besserten sich die Werte der Patienten deutlich und blieben über ein Jahr lang stabil. Die Forscher führen diesen Effekt auf eine Depletion von autoreaktiven langlebigen Plasmazellen, die Modulation der Effektor-T-Zell-Antwort sowie eine Verringerung der Interferon-Typ-1-Aktivität zurück [4].

Sind CAR-T-Zellen eine Option?

Eine andere Forschergruppe beschreibt den Einsatz von CAR(chimärer Antigenrezeptor)-T-Zellen, die bislang als wirksame Therapie zur Behandlung von rezidivierten oder refraktären B-Zell-Krebserkrankungen eingesetzt werden [5]. Dabei handelt es sich um patienteneigene T-Zellen, die außerhalb des Körpers gentechnisch verändert und anschließend zurückinfundiert werden. Dort erkennen die CAR-T-Zellen über CD19 und andere Oberflächenantigene die B-Zellen und führen dann zu deren Apoptose. Die Kenntnis über die Bedeutung der B-Zellen bei systemischem Lupus erythematodes lieferte die Begründung, dass diese Therapieform auch bei diesen Patienten anschlagen könnte. Im vorliegenden Fall wurde die CAR-T-Zell-Therapie an einer 20-jährigen Frau mit schwerem, refraktärem systemischem Lupus erythematodes und Lupusnephritis erprobt, die erfolglos mit zahlreichen anderen Wirkstoffen vorbehandelt worden war. Vor Ver­abreichung der CAR-T-Zell-Infusion wurden alle anderen Behandlungen mit Ausnahme von niedrig dosiertem Prednisolon gestoppt. Nach Lympho­depletion mit Fludarabin und Cyclophosphamid wurden 1,1 × 106 CD19-CAR-T-Zellen/kg KG verabreicht. Unerwünschte Ereignisse, die auf die In­fusion zurückzuführen sind, traten nicht auf. Die CAR-T-Zellen vermehrten sich im Körper wie gewünscht ­weiter und führten zu einer Normalisierung der immunologischen SLE-Veränderungen im Blut. Ebenso verschwanden die Krankheitssymptome.

Weitere Studien stehen aus

„Diese neuen Therapieansätze sind sehr vielversprechend, doch bewährt haben sie sich bisher nur in Einzel­fällen“, betont Professor Dr. med. Andreas Krause, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh). Von einer „Heilung“ der Patienten kann seiner Meinung nach zum aktuellen Zeitpunkt nicht gesprochen werden. Bevor diese Verfahren großflächig zum Einsatz kommen könnten, müssen erst breiter angelegte Studien durchgeführt werden. |

Literatur

[1] Kuhn A et al., Diagnostik und Therapie des systemischen Lupus erythematodes, Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 423-32; DOI: 10.3238/arztebl.2015.0423

[2] Systemischer Lupus erythematodes (SLE), Informationen der Deutschen Rheuma-Liga, www.rheuma-liga.de/rheuma/krankheitsbilder/systemischer-lupus-erythematodes, Abruf am 14. Oktober 2021

[3] Welcker M, Popp F. Systemischer Lupus erythematodes: Therapie, Wie wird der Systemische Lupus erythematodes behandelt?, Informationen des Berufsverbands Deutscher Internistinnen und Internisten, www.internisten-im-netz.de/krankheiten/sle/behandlung.html, Abruf am 18. Oktober 2021

[4] Ostendorf L et al. Targeting CD38 with Daratumumab in Refractory Systemic Lupus Erythematosus, N Engl J Med 2020;383:1149-55. DOI: 10.1056/NEJMoa20233255

[5] Mougiakakos D et al. CD19-Targeted CAR T Cells in Refractory Systemic Lupus Erythematosus. N Engl J Med. 2021 Aug 5;385(6):567-569. doi: 10.1056/NEJMc2107725

[6] Lupus-Forschung aus Deutschland ganz weit vorne. Pressemitteilung anlässlich des 49. Kongresses der DGRh, 35. Jahrestagung der DGORh, Wissenschaftliche Herbsttagung der GKJR, 15. bis 18. September 2021, VIRTUELL, 7. September 2021

Apothekerin Dr. Sabine Fischer

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