Management

Endlich anfangen!

Wie Sie ambitionierte Projekte und lang gehegte Träume zum Leben erwecken können

Viele von uns verbringen ihr Leben mit sehr treuen Begleitern. Gemeint sind die lang gehegten Träume, die kreativen Ideen oder die ambitionierten Projekte. Um ein treuer Begleiter zu werden, müssen diese eine Gemeinsamkeit aufweisen. Wir schenken ihnen fast täglich einen Gedanken, aber wir fangen nicht an, sie zum Leben zu erwecken. Manch einem reicht die schöne Vorstellung an das halbe Jahr auf Bali oder der Traum vom Nebenjob als Pianist. Wem das jedoch zu wenig ist, der sollte eines tun – anfangen.

Wenn wir den Anfang nicht finden bei einer Sache, die uns wirklich wichtig ist, dann liegt der Teufel meist im Detail. In diesem Fall zuallererst in unserem eigenen Denken.

Denken Sie kurz an Ihr verhindertes Herzblut-Projekt. Wenn Sie mir erklären sollten, warum Sie noch nicht angefangen haben, was würden Sie sagen? Hatten Sie keine Zeit, nicht das nötige Kleingeld oder waren Sie sich nicht sicher, ob Ihre Fähigkeiten ausreichen? Gehören Sie zu den­jenigen, die in einem Prästadium verweilen und die sehr, sehr bald anfangen wollen, aber irgendwie in den Vorbereitungen stecken bleiben?

Welche Begründung wäre die Ihre? Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit werden Sie viele gute Gründe nennen und alles wird vollkommen plausibel klingen. Warum?

Lernen, mit negativen Gefühlen umzugehen

Wir vermeiden Aufgaben, die negative Gefühle hervorrufen, selbst dann, wenn wir etwas unbedingt wollen. Das Gefühl, versagen zu können, weil man sich auf Neuland bewegt, ist für die meisten unangenehm. Die Komfortzone zu verlassen, birgt immer das Risiko, schief angeguckt oder verlacht zu werden. Ein hohes Risiko, was nicht jeder eingehen möchte. Da wir unsere Routinen hinter uns lassen, werden unsere Schritte holprig und der erste Output wird mit hoher Wahrscheinlichkeit etwas dilettantisch wirken. Wir wollen glänzen, uns gut fühlen und nicht den mühsamen und schmerzvollen Weg der Anfänger gehen.

Umgehen lassen sich diese un­angenehmen Gefühle, indem wir ganz einfach – nicht anfangen! Wer starten möchte, muss lernen, mit diesen negativen Gefühlen umzugehen.

Wer sich darüber im Klaren ist, dass „aller Anfang schwer ist“, weil es einen Haufen zu lernen gibt und viele Fehler auf einen warten, die gemacht werden wollen, der ist schon ein großes Stück weiter. Eine andere gute Nachricht ist: Als Pharmazeuten arbeiten wir jeden Tag in einem Hochrisiko­prozess, oft unbewusst, aber da gibt es diese Momente, in denen einem fast das Herz stehen bleibt und einem das Risiko wieder sehr bewusst wird. Wenn jemand in der Lage ist, im Angesicht eines beachtlichen Risikos zu arbeiten, dann sind es Pharmazeuten. Wenn es jemanden gibt, der eine extrem hohe Frustrationstoleranz ent­wickelt hat, dann ja wohl wir. Ich sage nur Studium.

Die Angst davor anzufangen ist die gleiche Angst, die ein Diamant davor hat, sich schleifen zu lassen. Aber Diamanten gelangen nun mal erst durch ihren Schliff zu echtem Glanz. Wenn Sie brillant werden wollen, müssen Sie sich wohl oder übel durch die Mühen des Anfangs schleifen lassen.

Foto: detailblick-foto/AdobeStock

Kleine Schritte helfen uns, die emotionale Hürde des Anfangs zu überwinden.

Fürs Erste

Jeder hat einen anderen Weg, sich dem kaltherzigen Beginn zu stellen. Deswegen ist es bei einer neuen Aufgabe sinnvoll, sich an ein zurückliegendes Projekt zu erinnern, was man erfolgreich abgeschlossen hat. Überlegen Sie, wie Sie es geschafft haben, den ersten Schritt zu machen. Was hat Ihnen geholfen, die Sache anzugehen? Welche Strategien lassen sich ableiten? Was hat gut funktioniert?

Wenn Sie diese Fragen beantworten können, kristallisiert sich heraus, was Ihr System ist, um neue Aufgaben anzufangen. Es könnte sich ein Ablauf ergeben wie:

1) Überblick über die Aufgabe verschaffen

2) einen guten Startpunkt finden, wo schon etwas vorbereitet ist oder was einem leicht fällt

3) in Teilaufgaben gliedern

4) eine grobe Zeitkalkulation entwerfen

5) freie Zeitblöcke im Termin­kalender blocken oder schaffen

6) loslegen

7) nach Teilabschnitten oder besonders kräftezehrenden Etappen Belohnungen einplanen

Für alle, die gerne noch mehr Anregungen hätten, hier ein paar Tipps:

Tipp 1: Die spannenden Stellen finden

Wieso am Anfang anfangen, wenn die Mitte doch viel spannender ist? Selbst bei umfangreicheren Projekten haben wir das Gefühl, vorne anfangen zu müssen. „Vorne“ kann aber kompliziert oder langweilig heißen. In den allermeisten Fällen gibt es bei Projekten eine Stelle, die besonders interessant ist, Spaß macht oder einem locker von der Hand geht. Oft macht es gar keinen Unterschied, was zuerst bearbeitet wird, sofern am Ende alles in die richtige Reihenfolge gebracht wird. Suchen Sie nach dem angenehmsten Teil des Ganzen und erledigen Sie diesen zuerst. Dann ist zumindest der Anfang schon gemacht und der Rest kommt hinterher.

Tipp 2: Mit kurzen Arbeitsphasen beginnen

Manchmal ist unsere Aufgabe ziemlich umfangreich und erscheint dadurch unüberwindlich. Das kann dazu führen, dass wir vor lauter Ehrfurcht nicht den Anfang finden. Die Aufgabe in viele kleine Einzelaufgaben zu gliedern, ist ein gängiger Rat und hilft gut. Wer trotzdem noch nicht den Dreh kriegt, kann eine zusätzliche Hilfe einbauen, indem er die Zeit verknappt, die für diese Aufgabe aufgewendet werden kann. Besonders bei ungeliebten Aufgaben wirkt dieser Trick enorm gut. Wir erlegen uns selbst auf, an dieser ungeliebten Aufgabe nur zehn Minuten pro Tag arbeiten zu dürfen. Danach ist wieder etwas anderes an der Reihe. Selbst für die langweiligste Aufgabe lässt sich die Motivation finden, zehn Minuten durchzuhalten. Mit der Zeit summieren sich die Zehn-Minuten-Blöcke und es ist geschafft.

Wer sich einen persönlichen Traum verwirklichen möchte, kann ähnlich vorgehen. Sie dürfen sich in der ersten Woche nur zehn Minuten mit Ihrem persönlichen Traum beschäftigen. Wenn das gut funktioniert hat und Sie diese zehn Minuten pro Tag genutzt haben, haben Sie sich „das nächste Level erspielt“ und in der darauffolgenden Woche dürfen Sie sich 20 Minuten mit Ihrem Lieblingsthema beschäftigen und so weiter. So schaffen Sie immer mehr Platz in Ihrem Leben für die Dinge, die Sie eigentlich tun wollen. Jede Woche täglich zehn Minuten mehr.

Tipp 3: Faktor X

Meist haben wir keine eingeplante Zeit am Tag für die Erreichung unserer Träume. Wir haben das Gefühl, uns die Zeit irgendwie aus den Rippen schneiden zu müssen. Stellt sich die Frage, was sich vielleicht erübrigen lässt oder welche Tätigkeiten sich streichen lassen.

Eine kleine Anekdote dazu. Ein Coachee erzählte mir letztens, dass sie aufgehört hatte zu rauchen und das Geld jetzt sparen würde. Ich fragte sie, wie viel Ersparnis sie denn erwartet. Im Kopf hatte ich eine Hochrechnung nach dem Prinzip: Zigaretten pro Tag × Kosten pro Zigarette × Tage im Monat = Futter für das Sparschwein.

Sie erklärte mir, dass sie es nicht so genau berechnen könnte, da beim Einkauf der Zigaretten meist noch ein paar Süßigkeiten, Chips oder Angebote, die sie so auf dem Weg fand, dazugekommen wären. Diese Ausgaben fielen auch weg, deswegen würde sie erst nach einem Monat sagen können, was das rauchfreie Leben wirklich an Gewinn bringt.

Dieses Prinzip lässt sich auch auf das Thema „Zeit sparen“ anwenden. Es gibt diesen Faktor X in der Gleichung, eine Gewohnheit, die wir haben, aber nicht brauchen. Dazu kann Fernsehen zählen, das Scrollen durch die Social-Media-Accounts oder was auch immer Ihr Faktor X ist. Finden Sie ihn und schaffen Sie Zeit für die Dinge, die Sie wollen und brauchen. Wie gesagt: Zehn Minuten pro Tag sind ein guter Anfang.

Tipp 4: Mit oder ohne andere

Ob andere Menschen Sie beim Start unterstützen können, ist definitiv eine Typfrage und zudem abhängig vom Thema, was es zu beackern gilt. Es gibt Projekte, bei denen es sinnvoll ist, wenn wir Unterstützung haben. Ungeliebte Tätigkeiten, die wir regelmäßig zu wiederholen versuchen, fühlen sich jedes Mal an wie ein Neu­anfang. Bei­spiele sind Sport, die Steuererklärung oder gesündere Ernährung. Andere Menschen, die einen in der ersten Zeit begleiten und denen man Rechenschaft ablegen muss, können eine große Hilfe sein.

Auf der anderen Seite gibt es Tätigkeitsfelder, da wäre frühe Kritik oder ein zu wachsames Auge eher hinderlich. Es gibt zarte Pflänzchen, wozu unsere Träume ganz oft gehören, die möchten wir erst in aller Ruhe wachsen lassen, bevor wir sie der Welt präsentieren. Das dürfen wir uns gönnen. Eine Idee wird nicht schneller Realität, weil wir vielen Menschen davon berichten und sie mit Zweifeln überhäufen, sondern weil wir kontinuierlich daran arbeiten, dass sie Realität wird.

Tipp 5: Schlechte Denkmuster ade!

Nicht alle Aufgaben sind wirklich schwierig. Häufig machen wir selbst uns die Aufgaben schwierig durch unsere Denkmuster. „Meine Kollegin kann das so toll, so gut werde ich das nicht hinbekommen. Wahrscheinlich brauche ich viel länger.“ Wenn sich eine Aufgabe durch Selbstgespräche auf einmal schwieriger anfühlt, als sie angesichts Ihrer Fähigkeiten objektiv ist, hinterfragen Sie Ihre Denkmuster.

Einen paradoxen Ansatz zu wählen, kann in diesen Momenten hilfreich sein. Überlegen Sie, was Sie tun müssten, um die Aufgabe unlösbar zu machen. Genannt werden könnte ein überzogener Perfek­tionsanspruch, das vollständige Vergessen von allem, was Sie je gelernt haben, oder die Aufgabe ganz allein lösen zu müssen. Wenn Sie alle Widrigkeiten benannt haben, dann tun Sie einfach das Gegenteil. Seien Sie beim ersten Mal nicht perfekt, nutzen Sie Ihre Ressourcen und bitten Sie andere um Hilfe. Das ist auch grundsätzlich ein guter Anfang für das Anfangen. |

Anja Keck ist Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie, Master-Coach (DGfC) und Systemische Beraterin, www.anjakeck.de

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