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Arzneimittel und Therapie
Nebenwirkung Hypertonie
Multimedikation kann das Problem noch verstärken, Medikationsmanagement ist gefragt
Laut Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO aus dem Jahr 2021 hat sich die Zahl der Hypertonien seit den 1990er-Jahren verdoppelt [2]. 1,28 Milliarden Menschen leiden heute an einer Hypertonie, wobei fast die Hälfte (580 Millionen) sich ihrer Erkrankung nicht bewusst ist und 720 Millionen unzureichend behandelt werden. Diese hohen Zahlen bedeuten keinen direkten Anstieg, denn prozentual hat sich die Prävalenz kaum verändert. Der Fallanstieg ist mit dem Wachstum der Weltpopulation und auch der heute längeren Lebenserwartung zu erklären. Es hat jedoch eine geografische Verschiebung des Auftretens von Hypertonien gegeben: In den 1990er-Jahren waren vor allem Menschen aus Europa und die USA betroffen. Heute ist es zunehmend die Bevölkerung einkommensschwacher Staaten, die verstärkt betroffen ist.
Zu den Ländern mit den niedrigsten Hypertonie-Prävalenzen zählen die Schweiz (17%), Peru (18%) und Kanada (20%). Die höchsten Prävalenzen waren in Paraguay (62%) und Ungarn (56%) zu finden. In Deutschland hat sich die Prävalenz auf 19% reduziert. Je Land gibt es oft auch noch Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
Unbehandelt kann ein zu hoher Blutdruck langfristig das Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Nierenschäden erhöhen und wird dadurch zu einem Treiber der häufigsten Todesursachen weltweit. Ein besonderes Problem, das sich bei unerkannter oder unbehandelter Hypertonie einschleichen kann, ist die zusätzliche Blutdruckerhöhung durch Arzneistoffe. Gefördert wird dies durch den gleichzeitigen und regelmäßigen Gebrauch von mehreren Arzneimitteln, also durch eine Multimedikation. Eine nicht erkannte oder bedachte Hypertonie kann so schnell zum Problem werden.
In einer Querschnittsstudie aus den USA wurden Patientendaten danach analysiert, ob eine Hypertonie vorlag und wenn ja, ob weitere Arzneimittel eingenommen wurden, die als Nebenwirkung den Blutdruck erhöhen könnten. Die Daten der Studie wurden aus der „National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES)“-Befragung entnommen. Von 2009 bis 2018 wurden insgesamt fünf Umfrage-Zyklen ausgewertet. Als hypertonisch galt, wer mindestens einen systolischen Blutdruck von 130 mmHg oder einen diastolischen Blutdruck von 80 mmHg aufwies. Insgesamt wurden 27.599 Erwachsene in die Querschnittsstudie mit einbezogen. 49,2% der Studienteilnehmer wussten um ihre Hypertonie, bei 35,4% lag eine unkontrollierte Hypertonie vor. 14,9% aller in die Auswertung einbezogenen Erwachsenen berichteten, dass sie Arzneimittel einnahmen, die möglicherweise zu einer Erhöhung der Blutdruckwerte führen können. Darunter waren 18,5% aus der Gruppe mit einer bekannten Hypertonie. Zu den potenziell Blutdruck-steigernden Arzneimitteln zählen Vertreter aus der Gruppe der Antidepressiva, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), Steroide und Estrogene. Antidepressiva zählten in der Studie mit 8,7% zu der am häufigsten verordneten Arzneimittelklasse, gefolgt von NSAR (6,5%), Steroiden (1,9%) und Estrogenen (1,7%).
Für viele dieser potenziell Blutdruck-steigernden Arzneimittel gibt es Alternativen. Ein Blick auf die Nebenwirkungen lohnt sich also. So kann geprüft werden, ob ein NSAR durch Paracetamol ersetzt werden oder auf nicht-hormonelle Kontrazeptiva ausgewichen werden kann. Weiter zu prüfen ist, ob die Medikation nicht insgesamt reduziert, die Dosierung und/oder die Therapiedauer angepasst werden kann. Ein kluges Medikationsmanagement kann hier zum Problemlöser werden. |
Literatur
[1] Vitarello JA et al. Prevalence of Medications That May Raise Blood Pressure Among Adults With Hypertension in the United States. JAMA Intern Med. 2021
[2] Worldwide trends in hypertension prevalence and progress in treatment and control from 1990 to 2019: a pooled analysis of 1,201 population-representative studies with 104 million participants’ by the NCD Risk Factor Collaboration (NCD-RisC) is published in The Lancet. DOI: 10.1016/S0140-6736(21)01330-1
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