Rezeptur

Herstellung von öligen Dronabinol-Tropfen

Tipps zur Handhabung des THC-Stereoisomers in der Rezeptur

Von Antje Piening | Schätzungen zufolge bekamen in Deutschland im Jahr 2021 mehr als 80.000 Patienten medizinisches Cannabis verordnet – zwei Drittel dieser Patienten erhielten Dronabinol. Bei 78% der Verordnungen handelte es sich um Rezeptur- oder Defekturarzneimittel. Häufig wird Dronabinol als ölige Lösung bzw. Tropfen oder in Form von Kapseln zur oralen Einnahme verordnet, aber auch die inhalative Einnahme einer alkoholischen Lösung mittels Verdampfer ist möglich. Hier werden die wichtigsten Aspekte der qualitätsgesicherten Herstellung anhand der Rezeptur „Ölige Dronabinol-Tropfen“ dargestellt.

Dronabinol, ein Stereoisomer von Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC), ist ein Inhaltsstoff der Hanfpflanze Cannabis sativa L. Die Herstellungsanweisung findet sich in den Vorschriften des NRF 22.8. Zur Zubereitung der Lösung und Einstellung auf den gewünschten Dronabinol-Gehalt werden in der Regel mittelkettige Triglyceride verwendet, denen als Oxidationsschutz für das labile Dronabinol Palmitoylascorbinsäure hinzugesetzt wurde.

Im folgenden Ablauf wird die Herstellung in abgewandelter Form wiedergegeben, weil es sich bewährt hat, die Palmitoyl­ascorbinsäure-haltigen mittelkettigen Triglyceride nicht auf einmal zuzugeben, wie es das NRF vorsieht, sondern in zwei Portionen. In einem ersten Schritt werden zwei Drittel der Ölmenge zugegeben. Dadurch bleibt im zweiten Schritt ausreichend Trägerlösung, um das Ansatzgefäß auszuspülen und auf die exakte Abgabemenge aufzufüllen.

Die Rezeptur

ölige Dronabinol Tropfen 25 mg/ml (NRF 22.8.)

10 ml (9,47 g) Zubereitung enthalten:
Dronabinol 0,25 g
Palmitoylascorbinsäure-haltige mittelkettige Triglyceride zu 9,47 g

Dronabinol kann als Ausgangsstoff für die Rezepturherstellung von diversen Anbietern bezogen werden. Darüber hinaus sind Palmitoylascorbinsäure-haltige mittelkettige Triglyceride NRF S.45. sowie eine Braunglasflasche mit einer passenden Dosierhilfe notwendig. Es werden Herstellsets angeboten, die diese Materialien enthalten. An Laborausstattung werden ein Becherglas mit Glasstab, eine Analysenwaage sowie ein Föhn und eine Heizplatte benötigt. Vom Wasserbad wird ausdrücklich abgeraten, statt eines Föhns kann auch ein Trockenschrank verwendet werden.

Vorbereitung und Einwaage des Dronabinols

Dronabinol ist eine harzartige Substanz, die bei Raumtemperatur zähflüssig ist. Um sie aus der Spritze zu entnehmen, in der sie geliefert wird, muss die Rezeptursubstanz zunächst erwärmt werden, damit sie flüssig und damit gut dosierbar ist (s. Abb. 1 und 2). Dabei muss der Spritzenkolben gegebenenfalls leicht zurückgezogen werden, damit kein Dronabinol herausquillt. Das Dronabinol hat dann etwa die Konsistenz von flüssigem Paraffin. Beachtet werden sollte, dass Dronabinol oxidationsempfindlich ist: Deutlich violett verfärbte Zonen sind Kennzeichen einer Oxidation. Der gesamte Inhalt der Spritze sollte verworfen werden!

Alle Fotos: © Deutscher Apotheker Verlag

Abb. 1: Dronabinol ist licht- und oxidationsempfindlich. Die Schutzkappe sollte erst unmittelbar vor dem Erwärmen abgenommen und im Herstellprozess sollte zügig gearbeitet werden.

Abb. 2: Mit dem Föhn – oder gegebenenfalls im Trockenschrank – wird die Spritze langsam auf ca. 70 °C erwärmt. Zu hohe Temperaturen führen zum Abbau von Dronabinol. Der Schmelzvorgang dauert etwa fünf Minuten.

Nachdem ein Becherglas mit einem Glasstab austariert wurde, kann das verflüssigte Dronabinol nach und nach auf den Glasstab aufgebracht werden, bis auf der Analysenwaage das gewünschte Gewicht erreicht ist (Abb. 3 und 4). Für einen Ansatz von 10 ml 0,25 g Dronabinol einwiegen. Falls es zu zäh wird, kann das Dronabinol erneut erwärmt werden.

Abb. 3: Verflüssigtes Dronabinol nach und nach auf den Glasstab aufbringen, bis auf der Analysenwaage das gewünschte Gewicht erreicht ist. Für einen Ansatz von 10 ml 0,25 g Dronabinol einwiegen. Dronabinol erneut erwärmen, falls es zu zäh wird.

Abb. 4: Spritze direkt nach der Entnahme wieder verschließen, dabei keine Luft einschließen, denn ohne Lufteinschluss gilt das angegebene Haltbarkeitsdatum auch für Anbrüche! Falls notwendig, das noch nicht völlig erkaltete Dronabinol bis zum Spritzenauslass drücken.

Vorbereitung des Trägeröls und Rezepturherstellung

Palmitoylascorbinsäure-haltige mittelkettige Triglyceride können fertig bezogen werden. Wird die Trägerlösung nach Vorschrift NRF S.45. für den Ansatz frisch hergestellt, ist zum Lösen der Palmitoylascorbinsäure ein kurzfristiges Erhitzen auf 85 °C notwendig. Für die weitere Herstellung kann die Trägerlösung abgekühlt auf etwa 70 °C weiterverwendet werden. Zum Erwärmen ist eine Heizplatte optimal. Von der Verwendung eines Wasserbads wird dringend abgeraten, denn über dem Wasserbad bildet sich Kondenswasser, das keinesfalls in die Zubereitung geraten darf! Eine Mikrowelle ist ebenfalls nicht geeignet, da hier das Erwärmen schlecht kontrolliert werden kann.

Die Trägerlösung mit den Palmitoylascorbinsäure-haltigen mittelkettigen Triglyceriden NRF S.45. wird zu den 0,25 g Dronabinol im Becherglas hinzugewogen (s. Abb. 5). Dabei werden zunächst nur zwei Drittel der Ansatzmenge zugegeben. Für einen Ansatz von 10 ml beträgt die Teilmenge 6 bis 7 g. Unter Rühren und Erwärmen wird das Dronabinol im Becherglas auf der Heizplatte gelöst, bis keine Schlieren mehr erkennbar sind. Nach dem Abkühlen der Flüssigkeit muss eine klare, hellgelbe Flüssigkeit vorliegen, in der keine Dronbinol-Reste oder Schlieren erkennbar sind.

Abb. 5: Trägerlösung mit den Palmitoylascorbinsäure-haltigen mittelkettigen Triglyceriden wird portionsweise zum Dronabinol gegeben. Es wird unter Rühren und Erwärmen auf der Heizplatte gelöst, bis keine Schlieren mehr erkennbar sind.

Abfüllung

Ein geeignetes Abgabegefäß wird vor dem Abfüllen auf der Analysenwaage austariert und die abgekühlte Dronabinol-Lösung eingefüllt. Dabei das Becherglas mit der erforderlichen Restmenge Palmitoylascorbinsäure-haltiger mittelkettiger Triglyceride NRF S.45. nachspülen und damit auf die exakte Ansatzmenge ergänzen: Die Ansatzmenge für 10 ml Dronabinol-Tropfen beträgt 9,47 g.

Das Abgabegefäß wird mit einer Dosierpumpe 0,033 ml/Hub oder alternativ mit einem Steckeinsatz verschlossen und eine 1-ml-Kolbenpipette mit Konusspitze als Dosierhilfe beigefügt. Die Lösung im verschlossenen Abgabegefäß schütteln und etikettieren. Bei der Endprüfung muss die Flüssigkeit klar, hell und dickflüssig sein.

Wahl der geeigneten Dosierhilfe

Flüssige Cannabis-Zubereitungen werden im Allgemeinen nach Volumen, also als Tropfen oder in Millilitern, dosiert. Für die korrekte Entnahme werden daher Hilfsmittel benötigt. Das NRF empfiehlt die Verwendung von Kolbenpipetten oder spezielle Dosierpumpen (s. Tab.). Welche Dosierhilfe am besten geeignet ist, hängt vom jeweiligen Patienten ab. Kolbenpipetten ermöglichen eine volumengenaue Dosierung, haben aber auch Nachteile: So ist beispielsweise die feine Skalierung für Patienten mit nachlassendem Sehvermögen schlecht zu erkennen. Bei eingeschränkter Feinmotorik der Hände kann es zudem schwierig sein, den Kolben präzise einzustellen. Wird die Kolbenpipette versehentlich von der noch über Kopf stehenden Flasche abgezogen, kann es passieren, dass Zubereitung ausläuft. Die meisten Patienten kommen mit Dosierpumpen sehr gut zurecht. Das Hubvolumen ist fest eingestellt und man erhält reproduzierbare Tropfen mit je 0,833 mg Dronabinol. Durch den aktiven Pump­vorgang ist die Tropfenzahl leicht zu zählen, was auch sehbehinderten Pa­tienten ein selbstständiges Dosieren ermöglicht.

Die früher übliche tropfenweise Dosierung Cannabinoid-haltiger Zubereitungen mit Senkrechttropfern wird im NRF wegen zu großer Ungenauigkeit nicht mehr beschrieben. Sie kann ausnahmsweise vorgesehen werden, wenn der Patient im Einzelfall das Tropfenzählen besser umsetzen kann als die Dosierung mittels Kolbenpipette oder Dosierpumpe. Die Angabe von 0,88 mg Dronabinol pro Tropfen ist lediglich ein Durchschnittswert. Deshalb muss das durchschnittliche Tropfenvolumen des einzelnen Senkrechttropfers zuvor in der Apotheke bestimmt werden. Das geschieht durch Austropfen mit der Trägerlösung.

Kennzeichnung

Die Angaben auf dem Etikett erfolgen nach § 14 ApBetrO (s. Abb. 6). Bei der Verordnung von Dronabinol-Lösung sollte der Arzt die Dosierung in mg angeben. Diese Angabe ist eindeutig, unabhängig von der Dosierhilfe und wird je nach ­Dosiervorrichtung erst von der Apotheke in Hub, ml oder Tropfen übersetzt und auf dem Etikett angegeben.

 

Abb. 6: Musteretikett einer Verordnung von 10,0 ml öligen Dronabinol-Tropfen 25 mg/ml

 

Ein Praxisbeispiel zur ärztlichen Anweisung: „Zweimal täglich je 5 mg Dronabinol mittags und abends vor den Mahlzeiten einnehmen!“

  • patientengerechte Angabe auf dem Etikett bei Verwendung einer Dosierpumpe: „zweimal täglich sechs Hübe mittags und abends vor den Mahlzeiten einnehmen.“
  • patientengerechte Angabe auf dem Etikett bei Verwendung einer Kolbenpipette: „zweimal täglich 0,2 ml mittags und abends vor den Mahlzeiten einnehmen.“

Literaturtipp

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Gibt der Arzt die Dosierung in Tropfen an, sollte man sich immer Klarheit verschaffen, welche Dronabinol-Menge in mg gemeint ist. Das ist besonders wichtig, wenn als Dosierhilfe Senkrechttropfer verwendet werden, weil deren Tropfengröße nicht einheitlich ist. Auch dürfen wegen der unterschiedlichen Tropfengröße Tropfenangaben für die Dosierpumpe nicht einfach auf den Senkrechttropfer übertragen werden, und umgekehrt. Ein wichtiger Hinweis für die Patienten: Die Tropfen dürfen nicht mit Tee oder Wasser eingenommen werden, da der Wirkstoff Dronabinol lipophil ist und sich nicht in Wasser löst. Stattdessen können die Tropfen auf ein Stück Brot oder Zucker getropft oder pur eingenommen werden.

Cannabis Gipfel 2022

Das Cannabis-Update des Jahres!
Es geht in die dritte Runde: Nach zwei erfolgreichen Cannabis Gipfeln startet am 23. Mai 2022 der dritte Cannabis Gipfel online. Alle relevanten Aspekte der Cannabis-Versorgung durch Apotheken werden in insgesamt fünf Vorträgen beleuchtet – dieses Mal mit besonderem Fokus auf Dronabinol:

  • Dr. Andreas Ziegler beantwortet alle Fragen rund um das Cannabis-Rezept.
  • Dr. Thorsten Tuschy fasst die wichtigsten Aspekte zum Handling von Medizinalcannabis im Backoffice zusammen.
  • Dr. Michael Sax beschäftigt sich mit der Identitätsprüfung verschiedener Cannabis-Produkte.
  • Dr. Holger Reimann gibt einen Überblick über die verschie­denen Formulierungen und Darreichungsformen, in denen Cannabis und seine Inhaltsstoffe angewendet werden.
  • Dr. Dominik Bauer erörtert, welche Themen in keinem Beratungsgespräch fehlen dürfen und was bei der patientenindividuellen Einnahme zu beachten ist.

Der Cannabis Gipfel online ist mit fünf Punkten von der Bundesapothekerkammer (BAK) akkreditiert. Die fünf Online-Vorträge sind vom 23. Mai bis 30. September 2022 auf der Seite der DAV-Akademie abrufbar.
Der Preis beträgt 149,- Euro zzgl. MwSt.; Abonnenten der Deutschen Apotheker Zeitung sowie PTAheute-Clubmitglieder können für einen reduzierten Sonderpreis von 119,- Euro zzgl. MwSt. dabei sein!
Anmeldung und weitere Informationen unter www.cannabis-gipfel.de

Aufbewahrung und Haltbarkeit

Dronabinol-Tropfen sollen bei Raumtemperatur aufbewahrt werden, damit die Lösung bei jeder Entnahme garantiert Raumtemperatur hat. Nur so stimmt die Dosierung, weil die Viskosität des Öls – und damit die Tropfengröße – temperaturabhängig ist. Die Flasche soll stehend aufbewahrt und möglichst nicht geschüttelt werden. Für Dronabinol-Tropfen 25 mg/ml NRF 22.8. wird eine sechsmonatige Aufbrauchsfrist angegeben. |

Literatur bei der Verfasserin

Autorin

Antje Piening ist Apothekerin und arbeitet als selbstständige Medical Writerin in Tübingen.

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