- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 41/2022
- Messfehler kennen
Pharmazeutische Dienstleistungen
Messfehler kennen
Grenzen der unterschiedlichen Blutdruckmessmethoden
Fehler beim Blutdruckmessen können sowohl die Gesundheit der Patienten als auch die Wirtschaftlichkeit der Therapie gefährden. Abhängig von der Messmethode (oszillometrisch oder auskultatorisch), dem Ort (Oberarm, Handgelenk) und der Art der Messung (einfach, wiederholt, 24-Stunden-Messung) sowie den Durchführenden der Messung sind mindestens 25 typische Limitationen und Fehlerquellen bekannt [3], deren Einfluss möglichst gering gehalten werden sollte. Einige Fachgesellschaften empfehlen auch für Fachpersonal vor der Durchführung von Blutdruckmessungen Schulungen [4], da von den gemessenen Werten die Risikobewertung und die Anpassung der antihypertensiven Therapie abhängig gemacht werden. Für die Messung in der Arztpraxis oder Apotheke empfehlen aktuelle Leitlinien inzwischen sowohl validierte auskultatorische oder (halb)automatische oszillometrische Geräte [5], wobei nicht jedem Verwender von oszillometrischen Geräten bekannt sein dürfte, dass die Validierungsprotokolle mehr als 10 mmHg Abweichung bei bis zu 15% der Messungen zulassen [6]. Solche Abweichungen erklären sich aus der grundsätzlichen Unterschiedlichkeit der beiden Methoden: Während die akustische Methode Töne als Messparameter nutzt, errechnet die oszillometrische Methode abgeleitete Werte aus dem Verlauf einer Vibrationskurve (s. u.). Bei bestimmten Patientengruppen, unter anderem mit Arrhythmien, isolierter systolischer Hypertonie oder ausgeprägter Arteriosklerose, sind Abweichungen besonders häufig [7, 8] und können die Aussagekraft von OZ-Messungen limitieren.
Grundlagen: Methoden der Blutdruckmessung
„Puls tasten“: Palpationsmethode nach Riva-Rocci
Die heute auf dem Markt befindlichen Blutdruckmessgeräte haben eine gemeinsame Grundlage, die erstmals im Jahre 1896 vom italienischen Kinderarzt Scipione Riva-Rocci beschrieben wurde, aber wahrscheinlich noch älter ist, nämlich die Verwendung einer aufblasbaren Manschette, mit der eine Arterie im Arm (oder Oberschenkel) so lange immer stärker abgedrückt wird, bis kein Blut mehr fließt [9]. Historisch betrachtet erhöhte man zunächst den Druck so lange, bis kein Puls am Handgelenk mehr tastbar war (Kompressionsphasenmessung). Später wurde der Ablauf umgekehrt, indem man mit einem hohen Manschettendruck begann und ihn (wie heute noch meist üblich) langsam verringerte, bis ein Puls wieder tastbar wurde (Deflationsphasenmessung). Auf beide Weisen konnte so aus der Höhe der Quecksilbersäule eines an die Manschette angeschlossenen Sphygmomanometers (von Riva-Rocci so bezeichnet, aus griech. sphygmos: Puls) erstmals indirekt (das heißt nichtinvasiv, „unblutig“) der Blutdruck abgeleitet werden, allerdings zunächst nur der systolische. Bis heute werden als Abkürzung für Blutdruckmessungen die Initialen von Riva-Rocci (RR) verwendet, obwohl er im Prinzip lediglich der Erfinder der Druckmanschette war.
„Stethoskop-Messung“: Auskultatorische Methode
Der russische Militärarzt Nikolai Sergejewitsch Korotkoff veröffentlichte im April 1905 eine Methode, durch „Auskultieren“ (Abhören mit einem Stethoskop) der Arteria brachialis während der Deflationsphase den Blutdruck zu messen [10] (s. Kasten „Blutdruckmessung nach Korotkoff“ und Abb. 1). Hierbei werden durch turbulente Strömungen Töne hörbar, die später nach ihrem Entdecker benannt wurden. Die Töne werden zum ersten Mal hörbar, wenn das Herz in der Systole erstmalig den Manschettendruck über dem Gefäß überwinden kann und das Blut wieder durch das Gefäß zu fließen beginnt (Systole). Die Töne verschwinden wieder, wenn der Innendruck gleich dem Außendruck ist (Diastole), Ausnahme sind sogenannte auskultatorische Lücken [11].
An der auskultatorischen Blutdruckmessung wird kritisiert, dass sie (zumindest früher) das umwelt- und gesundheitsschädliche Quecksilber verwendet, ihre Genauigkeit vom Gehör des Untersuchers abhängt und es messmethodisch bedingte Fehler geben kann, wie etwa durch falsches Platzieren des Stethoskops, eine Ziffernpräferenz für gerade Zahlen (Rundungsfehler) oder Probleme beim korrekten Erkennen der Korotkoff-Töne [3, 13 – 15].
Blutdruckmessung nach Korotkoff
- Phase I: das erste Erscheinen schwacher, repetitiver, klarer Klopf-Geräusche, deren Intensität graduell zunimmt für mindestens zwei aufeinanderfolgende Schläge, entspricht dem systolischen Blutdruck
- Phase II: es kann ein kurzer Zeitraum folgen, in dem die Töne weicher und raschelnd werden
- auskultatorische Lücke: bei einigen Patienten können die Töne vorübergehend völlig verschwinden
- Phase III: es kehren klarere Töne zurück, die knackiger werden und die Intensität der Phase I erreichen oder sogar übertreffen
- Phase IV: deutliches Dämpfen der Töne, die nun weicher und sausender sind
- Phase V: der Punkt, an dem alle Töne endgültig komplett verschwinden, entspricht dem diastolischen Blutdruck
(modifiziert nach [12, 13])
Trotzdem galt sie über Jahrzehnte hinweg als „Goldstandard“ der indirekten Blutdruckmessung [16], weil in den meisten großen epidemiologischen Hypertoniestudien auf diese Weise der Blutdruck gemessen wurde [17 – 19]. Die abgeleitete Evidenz zu kardiovaskulären Risiken bzw. durch Blutdrucksenkung erreichter Risikoreduktion darf daher streng genommen nur auf Patienten übertragen werden, bei denen der Blutdruck auf die gleiche Weise gemessen wurde, da es aus verschiedenen Studien Hinweise darauf gibt, dass sich auskultatorisch und mit anderen Messmethoden ermittelte Werte nicht bei allen Patienten vergleichen lassen [20, 21].
Trotzdem wird in jüngerer Vergangenheit, zum Teil um die genannten Fehlerrisiken zu reduzieren, aber auch aus Gründen der Bequemlichkeit, immer häufiger mit automatischen Blutdruckmessgeräten gearbeitet, sowohl im Praxisalltag als neuerdings auch in großen klinischen Studien wie SPRINT [22].
„Druckschwankungen umrechnen“: Oszillometrische Methode
Die Grundlagen der oszillometrischen Methode wurden schon vor Korotkoff entdeckt. Bereits im Jahr 1876 hatte der französische Physiologe Étienne-Jules Marey unter dem Titel „Pression et vitesse du sang“ eine Methode veröffentlicht, um während des Druckablassens auftretende Druckschwankungen in den gestauten Arterien oszillometrisch zu messen [19]. Damit ließ sich zunächst jedoch nur ein „mittlerer arterieller Blutdruck“ ableiten – also keine systolischen oder diastolischen Werte. Dieser Wert entsprach außerdem nicht dem, was man heute als „mittleren arteriellen Blutdruck“ bezeichnet (= Quotient aus dem Flächenintegral unter der nach Korotkoff gemessenen Blutdruckkurve und der Pulsdauer) und es ist unklar, wie nah diese beiden Werte beieinanderliegen [19]. Ein „mittlerer arterieller Blutdruck“ gilt generell nur als bedingt aussagekräftig, als entscheidende Risikofaktoren gelten unbestritten der systolische und diastolische Blutdruck (SBP bzw. DBP) [4]. Diese beiden Werte können mit oszillometrischen Messungen methodisch bedingt bis heute nicht getrennt ermittelt werden. Abb. 1 zeigt, dass die gemessenen Schwingungen nicht dem ertasteten Puls (Palpationsmethode) entsprechen, sondern bereits vor dem Einsetzen der Korotkoff-Töne (= systolischer Blutdruck) beginnen und auch nach deren Verschwinden (= diastolischer Blutdruck) noch zu messen sind. Damit lassen sich die Lage von systolischem und diastolischem Blutdruck aus OZ-Messungen lediglich mathematisch mit von den Herstellerfirmen streng geheim gehaltenen Rechenalgorithmen aus der Kurvenform (u. a. Kurvenmaximum und Wendepunkte) einer OZ-Messung ableiten bzw. errechnen [4, 17]. Einige Autoren sprechen daher von oszillometrischen Geräten als Blackbox für den Untersuchenden [23]. Grundlage der Umrechnungsalgorithmen sind große Beobachtungsstudien, in denen Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Eigenschaften der diesem Messwert ermittelten Kurvenverläufe der oszillometrischen Kurven und den nach Korotkoff bestimmbaren systolischen und diastolischen Blutdruckwerten gefunden wurden. Die Algorithmen unterscheiden sich jedoch von Hersteller zu Hersteller und zum Teil sogar von Gerät zu Gerät, weshalb sich oszillometrisch ermittelte Blutdruckwerte nicht in jedem Fall vergleichen lassen [24]. Bekannt ist auch, dass die Methode bei Patienten mit abweichenden Pulskurvenformen unzuverlässig ist: bei Schwangeren [13], Kindern [25], älteren Patienten (> 65 Jahre) [26], Diabetikern [13], Vorliegen von Arteriosklerose [7, 27], Morbus Parkinson [28], isolierter systolischer Hypertonie [29, 30] sowie Herzrhythmusstörungen [25, 29]. In diesen Fällen ist die oszillometrische Methode ungeeignet oder muss zumindest im Einzelfall auf Entsprechung gegenüber der auskultatorischen getestet werden [23]. Vermutlich ließen sich auch für diese Patientengruppen spezielle Algorithmen entwickeln [31], dagegen spricht jedoch die allgemeine Akzeptanz als Universalgeräte.
Denn seit in den 1970er-Jahren automatische elektronische Blutdruckmessgeräte, basierend auf der oszillometrischen Messmethode, entwickelt wurden, deren Handhabung einfach ist, die mechanisch weniger anfällig sind und deren Herstellung deutlich preiswerter ist, war die Verbreitung der OZ-Methode trotz ihrer Einschränkungen nicht zu stoppen [32].
Weitere Messmethoden
Es existieren weitere Messmethoden, die zum Beispiel auf Infrarotmessungen oder auf Doppleruntersuchungen mit Photosensoren basieren [33], die bei schwieriger zu messenden Gruppen wie kachektischen Patienten, Kindern oder Schwangeren genutzt werden. In jüngerer Vergangenheit wird intensiv an sogenannten Wearables geforscht, also nichtinvasiven Blutdruckmessmethoden, die zum Teil ohne Manschette auskommen und mit Smartphones verbunden werden können [34]. Trotz vielversprechender Ansätze gibt es jedoch noch kaum validierte Geräte, sodass von ihrem Einsatz außerhalb von Forschung und Entwicklung noch abgeraten werden sollte [35].
Besonderheiten auskultatorischer Blutdruckmessungen
Da die Korotkoff’schen Geräusche nur in einer ausreichend großen Arterie (Resonanzraum!) aussagekräftig sind, erfolgt die auskultatorische Blutdruckmessung am Oberarm. Sie ist für Geübte relativ problemlos. Voraussetzungen sind jedoch:
- eine geeignete Manschette,
- ein geeichtes Manometer,
- ein gutes Stethoskop, das auf die Arteria brachialis gelegt wird sowie
- eine Druckablassgeschwindigkeit von 2 bis 3 mmHg/s [36].
Für die Selbstmessung durch den Patienten ist die auskultatorische Methode in der Regel weniger gut geeignet, da das Erkennen der Korotkoff‘schen Töne erst mithilfe eines Trainings mit Doppelstethoskop erlernt werden muss, die auskultatorische Lücke (s. u.) problematisch sein kann und die Handhabung für Laien anspruchsvoll ist.
Es gab halb- und vollautomatische Auskultationsgeräte mit einem in die Manschette fest integrierten Mikrofon [9, 37]. Dieses war, wie auch bei manuellen Messungen, exakt auf der Arteria brachialis (am Innenarm, unter dem Bizeps) zu platzieren und musste dort nach dem Festziehen der Manschette auch sicher verbleiben. Eine ungenaue Lage des Mikrofons hätte den gemessenen diastolischen Wert erhöht. Den gleichen Effekt haben auch Schalldämpfungen, z. B. durch ödematöses Hautgewebe oder Stoff, wohingegen eine zu hohe Druckablassgeschwindigkeit den ermittelten diastolischen Druck erniedrigen kann. Zudem können bei ungenauer Lage des Mikrofons die Geräusche zwischen dem systolischen und diastolischen Druck vorübergehend verschwinden (auskultatorische Lücke, s. Abb. 1). Deshalb ist es stets wichtig, die Plausibilität der Messergebnisse kritisch zu hinterfragen und sich nicht auf Einfachmessungen zu verlassen.
Pharmazeutische Dienstleistung: „Risikoerfassung hoher Blutdruck“
Zu den vergüteten pharmazeutischen Dienstleistungen, die in den Apotheken erbracht werden dürfen, gehört auch die „Standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck“. Damit soll Patientinnen und Patienten angeboten werden, den Erfolg ihrer medikamentösen Blutdruckeinstellung standardisiert in der Apotheke kontrollieren zu lassen. Werden bei der Blutdruckmessung in der Apotheke auffällig erhöhte Blutdruckwerte gemessen, so soll die Apotheke die Patienten an die betreuenden Ärzte verweisen. Ziel ist es, frühzeitig zu erkennen, wann eine antihypertensive Therapie angepasst bzw. intensiviert werden sollte. Auch kann so die Therapietreue gefördert werden. Durch einen optimal eingestellten Blutdruck sollen langfristig vor allem blutdruckbedingte Endorganschäden wie Schlaganfall, Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz oder Nierenfunktionsstörungen vermieden werden.
Anspruchsberechtigt sind Versicherte mit
- nach Selbstauskunft bekanntem Bluthochdruck und
- mindestens einem verordneten Antihypertensivum ab zwei Wochen nach Therapiebeginn einmal alle zwölf Monate und darüber hinaus sowie
- bei Änderung der antihypertensiven Medikation ab zwei Wochen nach Einlösung einer Neuverordnung.
Die Dienstleistung „Standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck“ wird mit 11,20 Euro honoriert.
In jeder öffentlichen Apotheke kann vom pharmazeutischen Personal diese Dienstleistung ohne Zusatzqualifikation durchgeführt werden. Es wird aber empfohlen, Verantwortlichkeiten und Arbeitsabläufe im Team festzulegen sowie einen geeigneten Raum vorzubereiten, der eine vertrauliche Beratung ermöglicht. Die Bundesapothekerkammer (BAK) bietet zu den pharmazeutischen Dienstleistungen umfangreiches Schulungsmaterial an, bis hin zu Arbeitsmaterialien und Informationen zur Abrechnung: www.abda.de/pharmazeutische-dienstleistungen/standardisierte-risikoerfassung-hoher-blutdruck/
Eine weitere bekannte Unsicherheit der Methode besteht bei manueller Durchführung im „menschlichen Ablesen“ der Messwerte, bei dem der Untersucher aufgrund seiner subjektiven Erwartung einen Wert falsch wahrnehmen kann (engl. digit preference) bzw. Fehler durch Rundungen entstehen können (vorzugsweise auf Werte mit abschließender 0) [9]. Um das Problem der auskultatorischen Lücke zu beseitigen, wurden auskultatorische Geräte konstruiert, mit denen die Pulsgeräusche vom Beginn der Systole bis zum Ende der Diastole mithilfe eines visuellen Signals verfolgt werden können (visuelle Auskultationsmethode) [38]. Mit der Entwicklung von oszillometrischen Geräten, die preiswerter, weniger mechanisch anfällig und leichter zu handhaben waren, ging die Nachfrage nach automatischen auskultatorischen Geräten so sehr zurück, dass ihre Produktion inzwischen (leider) eingestellt wurde.
Allerdings gibt es inzwischen Geräte auf dem Markt, die „dual“ automatisch messen, nämlich parallel oszillometrische und auskultatorische Messungen durchführen (unter anderem von den Herstellern Hartmann und Uebe), für die erste Vergleichsstudien bei Arrhythmiepatienten vorliegen und die eine gute Alternative zu reinen oszillometrischen Automatikgeräten sein können [39].
Besonderheiten (automatisierter) oszillometrischer Blutdruckmessungen
Die OZ-Methode ist prinzipiell an jeder pulsierenden Arterie anwendbar. Sie beruht auf den oszillometrischen Druckschwankungen zwischen Systole und Diastole, die durch Bewegungen und Muskelkontraktionen nicht gestört werden dürfen [21, 40].
Daher kann eine solche Blutdruckmessung ungeeignet sein für Patienten mit Parkinson, hyperkinetischem Syndrom, Alterstremor, erhöhtem Muskeltonus (z. B. bei Epilepsie-Anfall), ausgeprägter Arrhythmie oder häufig einsetzenden Herzschrittmachern (Tab. 1). Auch eine veränderte Blutzirkulation, wie sie während einer Schwangerschaft, einer Therapie mit Vasodilatatoren oder bei Herzinsuffizienz vorkommt, kann die Messung verfälschen [41]. Störquellen können auch unregelmäßige Atmung, Sprechen, Husten oder häufiges Schlucken während der Messung sein [40]. Auch eine geringere Gefäßflexibilität, die bei Patienten mit Arteriosklerose oder Diabetes typisch ist, beeinträchtigt die Messgenauigkeit von OZ-Geräten [7], denn die Pulswellen breiten sich in den geschädigten Arterien anders aus als bei Durchschnitts-Hypertonikern, von denen die Berechnungsalgorithmen abgeleitet wurden. Da die Wellenform der oszillometrischen Messung einen Einfluss auf die Zuverlässigkeit der Messung hat [42], können z. B. für Patienten mit isolierter systolischer Hypertonie die Werte für Systole und Diastole mit den üblichen Algorithmen nur unzureichend berechnet werden.
Korotkoff (Stethoskop) | Korotkoff (Automatik) | OZ (Oberarm) | OZ (Handgelenk) | |
---|---|---|---|---|
Krankheit, Symptom | ||||
Extrasystolen | ++ | ++ | – | – |
Vorhofflimmern | ++ | ++ | – | – |
Brady-/Tachykardie | ++ | + | ? | ?? |
Hypotonie | ++ | + | ? | ?? |
aktivierter Schrittmacher | ++ | + | – | – |
krankhafte Bewegungen (z. B. bei M. Parkinson) | ++ | + | ? | ? |
hyperkinetisches Syndrom | + | + | ? | ? |
Schwerhörigkeit (des Untersuchenden) | – | ++ | ++ | ++ |
schwache Pulswelle (z. B. bei Muskelatrophie) | ++ | + | ? | ? |
Diabetes, Arteriosklerose | ++ | + | ? | ? |
Leberleiden | ++ | + | ? | ? |
Herzinfarkt, Schlaganfall | ++ | + | ? | ? |
Adipositas | bei Oberarm-Messungen korrekte Manschettengröße (undercuffing) beachten! | ? | ||
Eigenschaft, Begleitumstand | ||||
sehr alt (> 65 Jahre) / sehr jung (Kinder) | + | + | ? | ?? |
starke Handgelenke | ++ | ++ | ++ | + |
starke subjektive Erwartung | – | ++ | ++ | + |
starke elektromagnetische Felder | ++ | + | – | – |
Transportsituationen (z. B. Krankenwagen, Helikopter) | – | – | – | – |
laute Umgebung | - | + | + | + |
Ablenkung durch Umgebung | + | + | – | – |
Fahrradergometer | + | ++ | – | – |
Schwangerschaft | nur nach Rücksprache mit behandelndem Arzt | |||
++/+ anwendbar – nicht anwendbar ? simultane Kontrollmessung mit auskultatorischer Methode sinnvoll/notwendig |
Der Einsatz von oszillometrischen Handgelenkgeräten findet eine immer breitere Anwendung, was in erster Linie auf ihren Anwendungskomfort zurückzuführen ist. Dieser wird jedoch oft mit einer Einbuße an Messgenauigkeit erkauft [43, 44]. In vielen Fällen kann dies durch eine falsche Positionierung des Handgelenks erklärbar sein [45]. Grundsätzlich sollten nur validierte Handgelenkgeräte empfohlen werden [46], bei denen die Limitation der Validierung jedoch beachtet werden muss (s. u.). Fingergeräte sind für Patienten mit ausgeprägter Arteriosklerose oder Diabetes völlig ungeeignet [47].
Limitationen Blutdruckmessgeräte-Validierungen
OZ-Geräte erhalten selbst bei den strengsten Validierungsverfahren auch dann das höchste Gütesiegel, wenn ihre Messwerte gegenüber der auskultatorischen Messung bei bis zu 15% der Patienten um bis zu 10 mmHg und bei bis zu 5% der Patienten sogar über 15 mmHg abweichen (z. B. Association for the Advancement of Medical Instrumentation, AAMI, British Hypertension Society, BHS [48], European Society of Hypertension ESH [29]). Diese Tatsache findet leider viel zu wenig Beachtung [49]. Somit sind die derzeitigen Validierungsstandards mitschuldig, wenn „systematisch ungenau“ gemessen wird [50]. Trotzdem wird auch für die Zukunft für die Erarbeitung eines weltweiten, universellen Standards vorgeschlagen, das Fehlerniveau von weniger als 10 mmHg Abweichung bei lediglich 85% der Messungen als Konsens beizubehalten [51]. Experten stimmen darin überein, dass beide Methoden im Einzelfall (!) sogar erheblich abweichende Ergebnisse liefern können [17, 52]. Aus vergleichenden populationsbasierten Studien zur Messgenauigkeit weiß man etwa, dass auch bei einer geringen Durchschnittsabweichung einzelne Messungen kontinuierlich erheblich (bis zu 25 mmHg) abweichen können [46]. Auch Erfahrungen aus der Notfallmedizin belegen zum Teil extreme Abweichungen von oszillometrischen Messungen in Transportsituationen (in diesem Fall verglichen mit invasiv bestimmten Werten): Messungen bei Notfallpatienten können vor einem Hubschrauberflug aufgrund von Lärm und Vibrationen um –37,3 bis +30 mmHg (systolische Werte) abweichen, während des Fluges sogar noch stärker (−40,6 bis +33,1 mmHg) [53].
Die Betrachtung lediglich von Mittelwerten in Evaluationsstudien sollte daher kritisch bewertet werden, weil nur anhand von Standardabweichungen und Streuungen erkannt werden kann, wie groß Abweichungen im Einzelfall sein können. Es wäre sicher sinnvoll, einzelne Patientengruppen mit unterschiedlichen Erkrankungen getrennt zu betrachten und systematische Störquellen aus der Messumgebung sorgfältiger zu beachten.
Für Patienten mit bestimmten Krankheiten oder Eigenschaften sind oszillometrische Messungen weniger gut oder nicht geeignet (s. Tab.). Bei extremen Werten von Puls, Blutdruck und Alter sowie bei deutlichen Gefäßwandschädigungen infolge von Diabetes oder Arteriosklerose oder um ganz allgemein die patientenindividuelle Eignung für OZ-Messungen bzw. die Vergleichbarkeit zu auskultatorisch ermittelten Werten zu überprüfen, werden Simultanmessungen empfohlen (idealerweise oszillometrische und auskultatorisch in der gleichen Manschette), bei denen die Ergebnisse weniger als ±5 mmHg abweichen dürfen [12, 29]. |
Literatur
[1] Neuhauser H, Kuhnert R. 12-Monats-Prävalenz von Bluthochdruck in Deutschland. Journal of Health Monitoring 2017;2(1):57-63
[2] Neuhauser H et al. Der Blutdruck in Deutschland ist gesunken, das Präventionsspotenzial bleibt aber hoch. Epidemiologisches Bulletin 2015;2015;(5):33-36
[3] Kallioinen N et al. Sources of inaccuracy in the measurement of adult patients‘ resting blood pressure in clinical settings:a systematic review. J Hypertens 2017;35(3):421-441
[4] Muntner P et al. Measurement of Blood Pressure in Humans:A Scientific Statement From the American Heart Association. Hypertension 2019;73(5):e35-e66
[5] Visseren FLJ et al. 2021 ESC Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice. Eur Heart J 2021;42(34):3227-3337
[6] Stergiou GS et al. Validation protocols for blood pressure measuring devices in the 21st century. J Clin Hypertens (Greenwich) 2018;20(7):1096-1099
[7] van Popele NM et al. Arterial stiffness as underlying mechanism of disagreement between an oscillometric blood pressure monitor and a sphygmomanometer. Hypertension 2000;36(4):484-488
[8] Picone DS et al. Identifying Isolated Systolic Hypertension From Upper-Arm Cuff Blood Pressure Compared With Invasive Measurements. Hypertension 2021;77(2):632-639
[9] Missel K. Blutdruckmessung – Methoden und Geräte. PZ Prisma 1996;2(2):73-84
[10] O‘Brien E, Fitzgerald D. The history of blood pressure measurement. J Hum Hypertens 1994;8(2):73-84
[11] Blank SG et al. Characterization of auscultatory gaps with wideband external pulse recording. Hypertension 1991;17(2):225-233
[12] James GD, Gerber LM. Measuring arterial blood pressure in humans: Auscultatory and automatic measurement techniques for human biological field studies. Am J Hum Biol 2018;30(1)
[13] Pickering TG et al. Recommendations for blood pressure measurement in humans and experimental animals: part 1: blood pressure measurement in humans:a statement for professionals from the Subcommittee of Professional and Public Education of the American Heart Association Council on High Blood Pressure Research. Circulation 2005;111(5):697-716
[14] Prisant LM, Bottini PB, Carr AA. Ambulatory blood pressure monitoring:methodologic issues. Am J Nephrol 1996;16(3):190-201
[15] Campbell NR et al. Errors in assessment of blood pressure:blood pressure measuring technique. Can J Public Health 1994;85(Suppl 2):18-21
[16] Schutte AE, Kollias A, Stergiou GS. Blood pressure and its variability: classic and novel measurement techniques. Nat Rev Cardiol 2022
[17] Anlauf, M. Will blood pressure measuring by the Riva-Rocci and Korotkoff method soon by substituted? Missing oscillometric appliances-technical data kept secret]. Fortschr Med 1999;117(10):21, 31
[18] Chen Y, Lei L, Wang JG. Methods of Blood Pressure Assessment Used in Milestone Hypertension Trials. Pulse (Basel) 2018;6(1-2):112-123
[19] Pickering TG. Principles and techniques of blood pressure measurement. Cardiol Clin 2002;20(2):207-223
[20] Seidlerova J et al. Long-term relationship between unattended automated blood pressure and auscultatory BP measurements in hypertensive patients. Blood Press 2019;28(1):34-39
[21] Holler J et al. The Impact of Measurement Methods on Office Blood Pressure and Management of Hypertension in General Practice. High Blood Press Cardiovasc Prev 2019;26(6):483-491
[22] Johnson KC et al. Blood Pressure Measurement in SPRINT (Systolic Blood Pressure Intervention Trial). Hypertension 2018;71(5):848-857
[23] Benmira A et al. From Korotkoff and Marey to automatic non-invasive oscillometric blood pressure measurement:does easiness come with reliability? Expert Rev Med Devices 2016;13(2):179-89
[24] Forouzanfar M et al. Oscillometric Blood Pressure Estimation:Past, Present Future. IEEE Rev Biomed Eng 2015;8:44-63
[25] Stergiou GS et al. Blood pressure measurement in special populations and circumstances. J Clin Hypertens (Greenwich) 2018;20(7):1122-1127
[26] Landgraf J, Wishner SH, Kloner RA. Comparison of automated oscillometric versus auscultatory blood pressure measurement. Am J Cardiol 2010;106(3):386-388
[27] Ochiai H et al. Assessment of the accuracy of indirect blood pressure measurements. Jpn Heart J 1199;38(3):393-407
[28] O’Brien E. Measurement of blood pressure. ABC of Hypertension. 5th ed. UK: BMJ/Blackwell Publishing 2007
[29] O‘Brien E et al. European Society of Hypertension recommendations for conventional, ambulatory and home blood pressure measurement. J Hypertens 2003;21(5):821-48.
[30] Thijs L et al. Conventional and ambulatory blood pressure measurement in older patients with isolated systolic hypertension:second progress report on the ambulatory blood pressure monitoring project in the Syst-Eur trial. Blood Press Monit 1996;1(2):95-103
[31] Liu J et al. Patient-Specific Oscillometric Blood Pressure Measurement. IEEE Trans Biomed Eng 2016;63(6):1220-1228
[32] Sharman JE et al. Automated ‚oscillometric‘ blood pressure measuring devices: how they work and what they measure. J Hum Hypertens 2022
[33] Tochikubo O et al. A new photo-oscillometric method employing the delta-algorithm for accurate blood pressure measurement. J Hypertens 1997;15(2):147-156
[34] Konstantinidis D et al. Wearable blood pressure measurement devices and new approaches in hypertension management:the digital era. J Hum Hypertens 2022
[35] Mukkamala R et al. Evaluation of the Accuracy of Cuffless Blood Pressure Measurement Devices:Challenges and Proposals. Hypertension 2021;78(5):1161-1167
[36] Anlauf M. Blutdruckmessung, in Klaus D (Editor). Manuale Hypertonologicum. 1997 Dustri Verlag, 1-18
[37] Imai Y et al. Clinical evaluation of semiautomatic and automatic devices for home blood pressure measurement:comparison between cuff-oscillometric and microphone methods. J Hypertens 1989;7(12):983-990
[38] Wang Y et al. Improving auscultatory blood pressure measurement with electronic and computer technology:the visual auscultation method. Am J Hypertens 2009;22(6):624-629
[39] Farsky S et al. Clinical blood pressure measurement verification when comparing a Tensoval duo control device with a mercury sphygmomanometer in patients suffering from atrial fibrillation. Blood Press Monit 2011;16(5):252-257
[40] Shih Y-C, Yen S-C. Apparatus and method for measuring blood pressure with motion artifacts elimination. 2009, Quanta Computer Inc: USA
[41] Weaver MG, Park MK Lee DH. Differences in blood pressure levels obtained by auscultatory and oscillometric methods. Am J Dis Child 1990;144(8):911-914
[42] Amoore JN et al. Effect of the shapes of the oscillometric pulse amplitude envelopes and their characteristic ratios on the differences between auscultatory and oscillometric blood pressure measurements. Blood Press Monit 2007;12(5):297-305
[43] Altunkan S, Yildiz S, Azer S. Wrist blood pressure-measuring devices:a comparative study of accuracy with a standard auscultatory method using a mercury manometer. Blood Press Monit 2002. 7(5):281-284
[44] Rogers P et al. Comparison of oscillometric blood pressure measurements at the wrist with an upper-arm auscultatory mercury sphygmomanometer. Clin Exp Pharmacol Physiol 1999;26(5-6):477-481
[45] Casiglia E et al. Poor Reliability of Wrist Blood Pressure Self-Measurement at Home:A Population-Based Study. Hypertension 2016;68(4):896-903
[46] Shahriari M et al. Measurement of arm blood pressure using different oscillometry manometers compared to auscultatory readings. Blood Press 2003;12(3):155-559
[47] Meyer-Sabellek W, Schulte KL, Gotzen R. Non-invasive ambulatory blood pressure monitoring:technical possibilities and problems. J Hypertens Suppl 1990;8(6):3-10
[48] O‘Brien E et al. The British Hypertension Society protocol for the evaluation of automated and semi-automated blood pressure measuring devices with special reference to ambulatory systems. J Hypertens 1990;8(7):607-619
[49] Anlauf M, Tholl U. Automatic blood pressure monitors. Even with seal of approval they are often inaccurate!]. MMW Fortschr Med 2000;142(7):34-36
[50] Gerin W et al. Limitations of current validation protocols for home blood pressure monitors for individual patients. Blood Press Monit 2002;7(6):313-318
[51] Stergiou GS et al. A universal standard for the validation of blood pressure measuring devices:Association for the Advancement of Medical Instrumentation/European Society of Hypertension/International Organization for Standardization (AAMI/ESH/ISO) Collaboration Statement. J Hypertens 2018;36(3):472-478
[52] Hasan MA, Thomas TA, Prys-Roberts C. Comparison of automatic oscillometric arterial pressure measurement with conventional auscultatory measurement in the labour ward. Br J Anaesth 1993;70(2):141-414
[53] McMahon N et al. Comparison of non-invasive and invasive blood pressure in aeromedical care. Anaesthesia 2012;67(12):1343-1347
[54] Leblanc ME et al. Blood Pressure Measurement in Severely Obese Patients:Validation of the Forearm Approach in Different Arm Positions. Am J Hypertens 2019;32(2):175-185
[55] Whelton PK et al. 2017 ACC/AHA/AAPA/ABC/ACPM/AGS/APhA/ASH/ASPC/NMA/PCNA Guideline for the Prevention, Detection, Evaluation Management of High Blood Pressure in Adults:Executive Summary: A Report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Clinical Practice Guidelines. Hypertension 2018;71(6):1269-1324
[56] Williams B et al. 2018 ESC/ESH Guidelines for the management of arterial hypertension. Eur Heart J 2018;39(33):3021-3104
[57] Agarwal R. Implications of Blood Pressure Measurement Technique for Implementation of Systolic Blood Pressure Intervention Trial (SPRINT). J Am Heart Assoc 2017;6(2)
[58] Bennett I. Erfahrungsbericht einer Ärztin zu eigenen und Patienten-24h-Blutdruckmessungen. 2019
[59] Mieke S et al. Ist eine automatische Blutdruckmessung im Krankentransportwagen möglich? in: Braunschweiger Tage der Qualitätsinfrastruktur (QI-Tage), Thema Gesundheit, PTB, Braunschweig, 16. bis 17. Mai 2011, Berlin
[60] A&D Medical, TM-2440 Instruction Manual 2018
[61] Ward AM et al. Home measurement of blood pressure and cardiovascular disease:systematic review and meta-analysis of prospective studies. J Hypertens 2012;30(3):449-456
[62] Goebel R, Schaefer M. Blutdruckkontrolle in Apotheken: Ergebnisse zweier Studien in Brandenburg und Thüringen. DAZ 2003;12:66
[63] Neue Gesetze - das müssen Apotheker bei Medizinprodukten nun beachten. DAZ.online vom 17. Januar 2017, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2017/01/17/das-muessen-apotheker-bei-medizinprodukten-nun-beachten
[64] Sucher-Sket K. Hilfsmittelversorgung mit der Knappschaft:Neue Pflichten, mehr Geld. DAZ.online vom 24. Juli 2019, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2019/07/24/neue-pflichten-mehr-geld
[65] Thews G. Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie des Menschen. 5. ed. 1999, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
[66] Hüttemann D. Blutdruckmessung als pharmazeutische Dienstleistung. PZ vom 14. Juni 2022, www.pharmazeutische-zeitung.de/blutdruckmessung-als-pharmazeutische-dienstleistung-133730/
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.