Arzneimittel und Therapie

Jackpot für Rheumatiker – wie sicher sind JAK-Inhibitoren?

Ein Vergleich von Studienergebnissen mit Real-World-Daten bei rheumatoider Arthritis

Seit einigen Jahren bereichern Inhibitoren der Januskinase (JAK) das Behandlungsspektrum der rheumatoiden Arthritis. Die Small Molecules punkten durch ihre Effektivität, ­jedoch muss Vorsicht bei der Sicherheit walten. Auf dem Deutschen Rheumatologiekongress diskutierten Experten Vor- und Nachteile ­gegenüber Biologika und erörterten Unterschiede zwischen klinischen Studienergebnissen und Real-World-Daten. Nun hat die Europäische Arzneimittel-Agentur Sicherheitsbedenken geäußert.

Bei der Therapie rheumatischer Erkrankungen hat in den letzten zwei Jahrzehnten eine grundlegende Revolution stattgefunden – dank zahlreicher hochwirksamer Wirkstoffe. Neben den konventionellen, synthetischen krankheitsmodifizierenden Substanzen (csDMARD) und Biologika (bDMARD) steht mit den Januskinase-Inhibitoren (targeted synthetic, tsDMARD) eine neue Therapieoption zur Verfügung. JAK-Inhibitoren greifen in die Patho­genese der rheumato­iden Arthritis ein, indem sie verhindern, dass die Signale von proinflammatorischen Zytokinen über ihre Rezeptoren in den Zellkern weitergeleitet werden. Für die Therapie der rheumatoiden Arthritis sind zurzeit vier JAK-Hemmer zugelassen:

  • Tofacitinib (Xeljanz®),
  • Upadacitinib (Rinvoq®),
  • Baricitinib (Olumiant®) und
  • Filgotinib (Jyseleca®).

Insgesamt weisen alle eine sehr gute Wirksamkeit auf und konnten in verschiedenen Head-to-Head-Studien Überlegenheit gegenüber Tumor­nekrosefaktor(TNF)-alpha-Blockern zeigen. Da die Arzneimittel häufig über viele Jahre eingenommen werden müssen, spielt aber auch ihr ­Sicherheitsrisiko eine wichtige Rolle in der Therapieentscheidung. In diesem Zusammenhang steht die Studie ORAL ­Surveillance in der Diskussion. Hier wurde die Sicherheit bei einer speziellen Risikogruppe untersucht. Die Studie schloss Patienten mit rheumatoider Arthritis ab 50 Jahren ein (31% waren 65 Jahre oder älter), die mindestens einen zusätzlichen kardiovaskulären Risikofaktor aufwiesen und ungenügend auf Methotrexat (MTX) ansprachen. Die Studienteilnehmer erhielten randomisiert und unverblindet entweder Tofacitinib (5 mg oder 10 mg zweimal täglich) oder einen TNF-alpha-Inhibitor (Adalimumab 40 mg alle zwei Wochen oder Etanercept 50 mg jede Woche). Die MTX-­Basistherapie wurde beibehalten. Das Ergebnis: Die Altersgruppe ≥ 65 Jahre hatte ein erhöhtes Risiko von schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen (MACE = ­major adverse cardiovascular events) und bestimmten Malignomen im ­Vergleich zu den TNF-alpha-Blockern.

Foto: Tomasz Zajda/AdobeStock

Sind JAK-Inhibitoren tatsächlich ein Jackpot bei rheumatoider Arthritis?

Sicherheitsaspekte der JAK-­Inhibitoren und ihre Folgen

Die Konsequenz: 2021 gaben die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA und ihr US-amerikanisches Pendant FDA Warnungen zur kardiovaskulären Sicherheit von Tofacitinib heraus [21]. Darüber hinaus startete die EMA eine allgemeine Sicherheitsüberprüfung aller JAK-Inhibitoren, die für chronische Entzündungskrankheiten angewendet werden. In diesem sogenannten Artikel-20-Verfahren wurde überprüft, welches Risikoprofil für diese JAK-Inhibitoren bezüglich schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse, Thromboembolien, schwerer Infektionen, Malignomen und Mortalität besteht. Die EMA meldete Ende Oktober 2022 ihre Ergebnisse aus der Risikoanalyse (s. Kasten „Maßnahmen der EMA zur Risikominimierung“).

Maßnahmen der EMA zur Risikominimierung

Am 28. Oktober 2022 gab die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) Maßnahmen bekannt, die das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen der Therapie mit JAK-Inhibitoren minimieren sollen. Zu diesen Nebenwirkungen zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Blutgerinnsel, Krebs und schwere Infektionen.

Demnach sollen JAK-Inhibitoren bei folgenden Patienten nur angewendet werden, wenn es keine geeigneten Therapiealternativen gibt: Patienten, die

  • 65 Jahre oder älter sind,
  • ein erhöhtes Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Ereignisse, wie Herzinfarkt oder Schlaganfall, haben,
  • rauchen oder in der Vergangenheit lange geraucht haben oder
  • ein erhöhtes Krebs-Risiko aufweisen.

Außerdem sollen JAK-Inhibitoren nur mit Vorsicht angewendet werden bei Patienten mit Risikofaktoren für Blutgerinnsel in der Lunge und tiefen Venen (venöse Thromboembolien). Darüber hinaus sollen die Dosierungen bei Patienten reduziert werden, die ein Risiko für venöse Thromboembolien, Krebs oder schwere kardiovaskuläre Ereignisse aufweisen.

Die Sicherheitsmaßnahmen beziehen sich auf alle JAK-Inhibitoren, die bei chronisch entzündlichen Erkrankungen eingesetzt werden. Davon betroffen sind auch die vier JAK-Inhibitoren, die u. a. bei rheumatoider Arthritis eingesetzt werden: Tofacitinib (Xeljanz®), Upadacitinib (Rinvoq®), Baricitinib (Olumiant®) und Filgotinib (Jyseleca®) sowie Abrocitinib (Cibinqo®), das zur Behandlung der mittelschweren bis schweren atopischen Dermatitis indiziert ist.

Die Produktinformationen der genannten JAK-Inhibitoren werden mit neuen Empfehlungen und Warnhinweisen aktualisiert. Schulungsmaterialien für Patienten und Heilberufler werden ebenfalls angepasst.

Diese Empfehlungen wurden vom Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) erarbeitet und werden nun an den Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) weitergeleitet. Dieser wiederum erarbeitet eine Stellungnahme. Im letzten Schritt liegt die rechtsverbindliche Entscheidung bei der EU-Kommission [22].

Die Daten aus der ORAL-Surveillance-Studie haben sich bereits auf die Empfehlungen der European League Against Rheumatism (EULAR) ausgewirkt. Die neue, noch nicht publizierte Empfehlung lautet nun: Wird das Behandlungsziel mit der ersten csDMARD-Strategie nicht erreicht, sollte bei Vorliegen schlechter prognostischer Faktoren ein bDMARD hinzugefügt werden. JAK-Inhibitoren können ebenfalls in Betracht gezogen werden, wobei jedoch einschlägige Risikofaktoren berücksichtigt werden müssen.

Das American College of Rheumatology (ACR) positioniert sich konträr dazu und sieht einen Einsatz von JAK-Inhibitoren erst dann vor, wenn Patienten nicht auf TNF-alpha-Hemmer angesprochen oder diese nicht vertragen haben.

Ein Blick auf die „echte“ Welt – Studien versus Praxis

Das Ganze sieht im Versorgungsalltag ein wenig anders aus. Hier weicht die Nebenwirkungsrate der JAK-Inhibitoren von den Ergebnissen aus den klinischen Studien ab. So zeigte eine US-amerikanische longitudinale Kohortenstudie mit über 100.000 Patienten unter der Therapie mit Tofacitinib kein signifikant erhöhtes kardiovaskuläres Risiko im Vergleich zu TNF-alpha-Hemmern. Ein ähnliches Ergebnis liefern Daten aus dem deutschen RABBIT-Register (Rheumatoide Arthritis: Beobachtung der Biologika-Therapie), in dem die JAK-Inhibitoren im Vergleich zu TNF-alpha-Hemmern und csDMARD hinsichtlich kardiovasku­lärer Ereignisse untersucht wurden. Auch hier gab es keine Hinweise auf ein erhöhtes relatives Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse bei JAK-Inhibitoren im Vergleich zu TNF-alpha-Hemmern in der täglichen rheumatologischen Versorgung. Zudem zeigen Real-World-Daten aus der JAKPOT-Studie mit über 31.000 Patienten eine ähnliche Therapiepersistenz unter JAK-Inhibitoren wie unter Biologika. Patienten bevorzugen die einfachere, orale Einnahme gegenüber der subkutanen Applikation. Ein weiterer Vorteil: Durch die kurze Halbwertszeit sind die JAK-Inhibitoren gut steuerbar. Bei bestimmten Patientengruppen ist jedoch eine Risikoabwägung notwendig. Einer drohenden Thromboembolie lässt sich beispielsweise durch gründliche Anamnese und Ausschluss thrombosegefährdeter Patienten begegnen, dem erhöhten Risiko für Herpes Zoster unter JAK-Inhibitoren mit einer vorausgehenden Impfung. Darüber hinaus müssen weitere Studien zeigen, ob mit der unterschiedlichen JAK-Selektivität auch verschiedene Sicherheitsaspekte verbunden sind. Somit wird das Risikoprofil der JAK-Inhibitoren Gegenstand künftiger Forschung sein. |

Literatur

 [1] Pfeil A. WIN: RA. Vortrag auf dem Deutschen Rheumatologiekongress 1. September 2022, Berlin

 [2] Rubbert-Roth A. Der Stellenwert der JAKi in der RA-Therapie: Ein Rückblick auf 5 Jahre. Symposium auf dem Deutschen Rheumatologiekongress 2. September 2022, Berlin, unterstützt von Galapagos Biopharma Deutschland GmbH

 [3] Buttgereit F. Vortrag: Sicherheitsaspekte und Langzeitdaten der JAKi. Symposium auf dem Deutschen Rheumatologiekongress 2. September 2022, Berlin, unterstützt von Galapagos Biopharma Deutschland GmbH

 [4] Fraenkel L et al. 2021 American College of Rheumatology guideline for the treatment of rheumatoid arthritis. Arthritis Rheumatol 2021;73(7):1108-1123, doi: 10.1002/art.41752

 [5] Fleischman RM et al. Safety and effectiveness of upadacitinib or adalimumab plus methotrexate in patients with rheumatoid arthritis over 48 weeks with switch to alternate therapy in patients with insufficient response. Ann Rheum Dis 2019;78(11):1454-1462, doi: 10.1136/annrheumdis-2019-215764

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 [8] Fleischmann R et al. Efficacy and safety of tofacitinib monotherapy, tofacitinib with methotrexate, and adalimumab with methotrexate in patients with rheumatoid arthritis (ORAL Strategy): a phase 3b/4, double-blind, head-to-head, randomised controlled trial. Lancet. 2017;390(10093):457-468, doi: 10.1016/S0140-6736(17)31618-5

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[14] Meissner Y, et al. OP0135 Risk of cardiovascular events under Janus kinase inhibitors in patients with rheumatoid arthritis: observational data from the German RABBIT register. Ann Rheum Dis 2022;81:86-87

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[20] Snow M et al. Janus kinase inhibitor boxed warning. Stellungnahme des American College of Rheumatology, 28. Januar 2022, www.rheumatology.org/Portals/0/Files/ACR-Statement-JAK-Inhibitor-Boxed-Warning.pdf

[21] Xeljanz® (Tofacitinib): Erhöhtes Risiko für schwerwiegende unerwünschte kardiovaskuläre Ereignisse und maligne Erkrankungen bei Anwendung von Tofacitinib im Vergleich zu TNF-alpha-Inhibitoren. Roter Hand Brief, 6. Juli 2021

[22] EMA recommends measures to minimise risk of serious side effects with Janus kinase inhibitors for chronic inflammatory disorders. Meldung der Europäischen Arzneimittel-Agentur, 28. Oktober 2022

Apothekerin Dr. Ines Winterhagen

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