Wischen ist das neue Waschen

Im OTC-Sortiment der Apotheke ist Diclofenac ein Zugpferd. 85 Tonnen Wirkstoff verbrauchen die Deutschen jährlich. Doch nun rückt ein wesentlicher Nachteil des Wirkstoffes in den Fokus: Denn für die Umwelt ist Diclofenac problematisch. Für manche Greifvögel etwa sei Diclofenac so giftig wie für Menschen Zyankali, kommentierte der Veterinärmediziner Jürgen Dämmgen gegenüber „Geo“. Bereits Anfang der 1990er-Jahre brachte der Wirkstoff drei Geier-­Arten in Pakistan fast zum Aussterben. 2021 konnte erstmals der Tod eines europäischen Tieres direkt auf Diclofenac zurückgeführt werden. Ornithologen gehen davon aus, dass dieser Tod kein Einzelfall war. Auch andere Wildtierarten wie Fischotter oder Forellen können Schaden nehmen. Toxikologen vermuten, dass Konzentrationen von weniger als 0,5 µg Diclofenac pro Liter für Lebewesen unproblematisch sind. Doch dieser Wert wird bei 21 von 24 Messstellen des Bundes­umweltamtes überschritten.

Bei oraler Einnahme wird Diclofenac fast vollständig metabolisiert. In Deutschland überwiegt jedoch die topische Anwendung des unselektiven Cyclooxygenase-Hemmers. Bei Schmerzgelen werden nur circa 10% des Wirkstoffes resorbiert, wenngleich dieser Wert individuell stark schwankt. Wenn sich Patienten nach der Anwendung die Hände und die betroffenen Stellen waschen, landet der überwiegende Teil im Grundwasser. In Kläranlagen kann Diclofenac nur mit Ozon oder Wasserstoffperoxid unschädlich gemacht werden. Doch nur in wenigen Anlagen werden diese Methoden genutzt.

Hände mit Papiertuch reinigen

Autoren einer aktuellen Studie suchten nun nach einer Methode, mit der Patienten topische Diclofenac-Zubereitungen anwenden können, aber weniger Wirkstoff ins Abwasser gelangt.

Ein Teil der Probanden wusch sich nach der Anwendung von Voltaren^® Forte die Hände mit Seife. Der andere Teil wischte sich die Hände vor dem Waschen mit einem Papierhandtuch ab. Dabei befolgten sie eine besondere Technik: Anwender sollten mit dem Tuch zunächst Handinnenfläche, dann Handrücken, Daumen und Fingerzwischenräume reinigen. Vor jedem Wechsel der zu reinigenden Haut­partie war das Tuch in der Mitte zu falten. Das Papiertuch wurde dann im Restmüll entsorgt. Anschließend untersuchten die Studienautoren das Abwasser auf Diclofenac. Sie fanden heraus, dass sich die Abwasserbelastung mit Diclofenac durch das Abwischen mit dem Papiertuch um 60% senken ließ.

AMK: „Jeder kann etwas tun“

Mitte Januar 2022 informierte auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) über die neuen Anwendungshinweise. Jeder könne etwas tun, um die Umweltbelastung durch Diclofenac zu verringern, kommentierte der Vorsitzende Prof. Dr. Martin Schulz. Die AMK legt dem pharmazeutischen Personal ans Herz, Patienten für einen umweltbewussten Umgang zu sensibilisieren. Neben der besonderen Wischtechnik mit dem Papierhandtuch könnten folgende Hinweise den Eintrag in die Umwelt verringern:

• Nur die zur einzelnen Anwendung nötige Menge entnehmen und auftragen.
• Erst nach ausreichender Einwirkzeit die Partie waschen, auf der das Gel aufgetragen wurde.
• Restmengen und Primärpackmittel des Arzneimittels ausschließlich über den Restmüll entsorgen. |