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Management

Wenn Vielfalt Kompetenz schlägt …

Bei der Zusammenstellung des Teams kommt es auf die richtige Mischung der Charaktere an

Der War for Talents wird auch in den Apotheken ausgefochten: Denn die qualifizierten und motivierten Mitarbeiter können sich aufgrund der Situation auf dem Arbeitsmarkt „ihren“ Arbeitgeber oft aussuchen. Selbst wenn die Macht der Mitarbeiter wächst: Die Apothekenleiter sollten darauf achten, dass die Passung zwischen Arbeitsplatz und Bewerber gegeben ist. Ein wichtiges Einstellungskriterium: Die Mischung verschiedener Charaktere im Apothekenteam muss stimmen.

Ohne Frage ist die fachliche Eignung eines Bewerbers entscheidend für eine Einstellung. Darüber hinaus spielen weitere Aspekte eine zentrale Rolle, etwa die Frage, ob ein Bewerber charakterlich und von seiner Persönlichkeit und Mentalität her ins und zum Team passt. Oft ist es richtig, wenn eine gewisse Vielfalt – oder Diversity – herrscht. Das kann die Erfahrung, das Alter, das Geschlecht und die Werteorientierung betreffen. In Kreativprozessen ist es hilfreich, wenn verschiedene Persönlichkeiten unterschiedliche Perspektiven und Blickwinkel einbringen und über unterschiedliche Lebens­erfahrungen verfügen. Selbst­verständlich kann eine zu große Unterschiedlichkeit auch zu Problemen führen – wenn Kollegen keine gemeinsame Basis finden und permanent aneinandergeraten und streiten, ist niemandem gedient. Ein Teamspirit wird dann wohl nicht entstehen. Ein Patentrezept gibt es nicht, aber doch Fälle, in denen gilt: Vielfalt schlägt Kompetenz – oder lässt diese immerhin als zweitrangig erscheinen.

Lücke im Team

Nehmen wir an, im Apothekenteam gibt es zahlreiche hochqualifizierte Mitarbeiter, die es ausgezeichnet verstehen, Kunden auf der Produktebene zu beraten. Woran es hapert, ist die Bereitschaft, im Frei- und Sichtwahlbereich eher verkäuferische Initiativen zu entwickeln. Oft scheuen sich Mitarbeiter, offensiv auf Kunden zuzugehen, die sich erkennbar beispielsweise für Blutdruckgeräte interessieren. Von ihrem Selbstverständnis her sehen sich PTA oft nicht motiviert, auf die entsprechenden Kaufsignale zu achten, auf den Kunden zuzugehen, eine Beziehung zu ihm aufzubauen und mit kommunikativer Überzeugungskraft in ein Verkaufsgespräch einzusteigen. Sie scheuen sich geradezu davor, nach dem Motto: „Ich bin doch kein Verkäufer …“ Es gibt mithin eine Lücke im Team-Portfolio.

Wenn die Apotheken­leitung nun im Einstellungsgespräch einem extrovertierten Bewerber begegnet, der gern aktiv auf Menschen zugeht, bei dem es jedoch hinsichtlich der pharmazeutischen Qualifikationen nicht zum Besten steht, könnte er diese Überlegung anstellen: „Der Bewerber passt gut ins Team! Denn uns fehlt ein Kollege, der nicht nur beraten kann, sondern gut und vor allem gern verkaufen will. Und die pharmazeutischen Defizite lassen sich bestimmt durch eine Weiterbildung oder interne Unterstützung kompensieren.“

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Buntes Team bietet Vorteile

Das Beispiel zeigt, dass es zielführend sein kann, bei der Zusammensetzung des Apothekenteams auf Vielfalt zu setzen und eine Gruppe aus Mitarbeitern zusammenzustellen, die unterschiedliche Persönlichkeitsprofile und Fähigkeiten einbringen, mithin ein „buntes“ Team bilden. Die Aufgabe des Apothekenleiters besteht darin, die Charaktere zusammenzubinden und dafür zu sorgen, dass die Vielfalt nicht ins Chaos führt, sondern konstruktiv kanalisiert und genutzt wird.

So kann er bei einer Aufgabe den kreativen Inspirator, dem es leichtfällt, Ideen am Fließband zu produzieren, der jedoch Umsetzungsprobleme hat, mit dem praxisorientierten Macher-Typen zusammenwirken lassen. Um es an einem Extremfall zu verdeut­lichen: Es ist für die Weiterentwicklung und die Zielerreichung von Nutzen, wenn das Team nicht nur aus zahlenorientierten Controllern oder Kreativlern besteht. Die gesunde Mischung macht’s – ein Grund mehr, im Einstellungsprozess und -gespräch neben der pharmazeutischen Kompetenz darauf zu achten, inwiefern die Persönlichkeit des Bewerbers für das Team-Portfolio eine sinnvolle Ergänzung darstellt.

Dies kann übrigens auch für die Bewerber von Vorteil sein. Der Apothekenleiter stellt heraus, dass der Bewerber aufgrund seiner Persönlichkeit und Mentalität eine Bereicherung für das Team ist. Um bei dem erwähnten Beispiel zu bleiben – er argumentiert wie folgt: „Wir können Ihnen die Möglichkeit bieten, Ihre kommunikativen Stärken im Frei- und Sichtwahlbereich einzusetzen. Über diese Fähigkeit verfügt sonst kein Kollege, von daher wären Sie einerseits eine ideale Ergänzung für das Team und könnten andererseits Ihre Stärken bei uns gezielt zur Entfaltung bringen.“

Fehler im Einstellungs­prozess vermeiden

Um sich im Einstellungsgespräch nicht nur ein Bild zu den fachlichen Kompetenzen zu machen, ist es erforderlich, den Prozess auf eine breitere Basis zu stellen und Fragen zu Bereichen zu formulieren, die ein komplexeres Bewerber-Bild ergeben. Fragen wie „Bevorzugen Sie es, nach vorgegebenen Richtlinien zu arbeiten, oder schätzen Sie es, sich in Ihrem Verantwortungsbereich frei zu entfalten?“, „Wie gehen Sie mit Problemen und schwierigen Herausforderungen um?“ und „Gehen Sie gern auf Menschen zu oder bewegen Sie sich im Kundengespräch lieber in der sicheren Komfortzone?“ erlauben dem Apothekenleiter die Einschätzung der Persönlichkeit des Bewerbers und geben erste Hinweise darauf, inwiefern sich dieser von den anderen Apothekenmitarbeitern abhebt.

Voraussetzung ist, dass der Apothekenleiter ausdrücklich Vielfalt und „Buntheit“ wünscht und es als Bereicherung ansieht, wenn sich in seinem Team höchst unterschiedliche Charaktere befinden. Zu empfehlen ist, dass er sich vorab überlegt, mithilfe welcher Fragen es gelingt, die Persönlichkeit eines Bewerbers besser einschätzen zu können. Eventuell ist es richtig, sich dabei externe Unterstützung zu holen, etwa, um den sogenannten Pinocchio-Effekt zu vermeiden. Denn manche Bewerber – und wer will es Ihnen verdenken, sie wollen gern die Stelle haben und stellen sich in einem möglichst günstigen Licht dar – übertreiben bei der Beschreibung der Kompetenzen, Fähigkeiten und Eigenschaften, von denen sie glauben, dass sie für die Entscheidung des Apothekenleiters wichtig sind. Um Übertreibungen zu erkennen, Blender zu enttarnen und das Sein vom Schein zu unterscheiden, sollte der Apotheken­leiter immer wieder nachfragen und bei Ungereimtheiten, Widersprüchen und insbesondere bei Aspekten, die für ihn von besonderer Relevanz sind, lieber einmal zu viel als zu wenig intervenieren und nachbohren.

Ein Teil des Einstellungsgesprächs sollte darauf verwendet werden, kritische Punkte, die dem Apo­thekenleiter unklar geblieben sind, zu vertiefen. Dies dürfte in der Regel gleichfalls im Interesse des Bewerbers liegen, dem es recht sein wird, wenn die Passung auf der fachlichen Ebene und auf der Persönlichkeitsebene stimmig ist. Deshalb sollte zwar auch über allgemeine Themen wie das Gehalt und die Arbeitsbedingungen gesprochen werden, aber weitaus intensiver als üblich über praxisorientiertere Themen und die Frage, welche seiner Stärken der Bewerber am neuen Arbeitsplatz einsetzen und entfalten möchte. |

Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater

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