Wirtschaft

Wie funktioniert die Direktabrechnung?

E-Rezepte ermöglichen zusätzliche Abrechnungswege

jb | Direktabrechnung ohne zwischengeschaltetes Rechenzentrum? E-Rezepte, bei denen kein Papier mehr durch die Gegend transportiert werden muss, machen es möglich. Das Dresdener Unternehmen Scanacs bietet einen solchen Service an. Dort ist man der Meinung, die Rezeptabrechnung müsse in Zukunft vereinfacht werden, um den steigenden Bedarf an gesundheitlicher Versorgung und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand zu bewältigen. Dabei werden für die Apothekerschaft alternative Abrechnungswege attraktiver, um mehr Sicherheit für das eigene Geschäft zu realisieren, so Scanacs. Doch wie funktioniert dieser alternative Weg eigentlich?

Bei der Direktabrechnung fließen Abrechnungsdaten und Geld nur zwischen Krankenkassen und Apotheken (unten dargestellt). Das Start-up Scanacs stellt mit seiner Software nur die technische Infrastruktur für die Datenübertragung zur Verfügung. Bei der Abrechnung über ein Rechenzentrum ist dieses jeweils zwischengeschaltet und es werden Papierrezepte und Daten hin- und hertransportiert (oben).


Anders als bei der Abrechnung über ein Rechenzentrum landen die Datensätze für die Abrechnung nicht erst bei einem Abrechner, sondern direkt bei den jeweiligen Krankenkassen. Über ein gesondertes Institutionskennzeichen (IK) „weiß“ das System, welche Rezepte zum Apothekenrechenzentrum (ARZ) gehen und welche direkt über die Infrastruktur von Scanacs bei den jeweiligen Kassen landen sollen. Schließlich werden noch eine ganze Weile nicht alle Rezepte direkt abrechenbar sein, was parallele Prozesse in den Apotheken, die die Direktabrechnung nutzen, erforderlich macht. Ziel sei es, in der Apotheke eine Erstattungszusage in Echtzeit zu erhalten und das (elektronische) Rezept direkt mit der Krankenkasse abzurechnen, heißt es in einem Whitepaper von Scanacs zu diesem Thema. Mit der Digitalisierung soll es möglich werden, die E-Rezepte während bzw. bereits vor der Abgabe des Arznei­mittels auf fachliche und technische Korrektheit zu prüfen. Nach vollelektronischer Prüfung in der Apotheke könnten die Rechnungen über die Scanacs-Plattform an die versichernde Krankenkasse übertragen werden, heißt es von Scanacs. Auch das Geld fließt direkt zwischen Apotheken und Kassen. Scanacs stellt dabei nach eigener Aussage nur die Infrastruktur zur Verfügung. Damit seien die Forderungen der Apotheke gegenüber der Krankenkasse vor der Insolvenz Dritter für Apothekerinnen und Apotheker sicher, so Scanacs.
 

„Mit der zunehmenden Digitalisierung des Gesundheitswesens wird deutlich, dass eine Anpassung der Geschäftsmodelle für die Beteiligten notwendig wird. Die Direktabrechnung bietet einen zusätzlichen Abrechnungsweg für E-Rezepte, der sich in Zukunft als Alternative zum herkömmlichen Abrechnungsprozess etablieren wird.“

Frank Böhme, Geschäftsführer der Scanacs GmbH

Auch wenn laut der Firma technisch sogar eine Zahlung in Echtzeit möglich wäre und man sich aktuell in Gesprächen zur Automatisierung der Erstattungsprozesse bis hin zur Echtzeitbezahlung befinde, müssen die Apotheken momentan im Normalfall doch noch zumindest ein paar Tage auf ihr Geld warten. Die Zahlungsziele der Krankenkassen sind in den Arzneimittellieferverträgen festgelegt, aktuell ist das eine Frist von zehn Tagen. Eine frühere Zahlung obliege der Hoheit der Krankenversicherung, erläutert Scan­acs. Zumindest in der Theorie. Denn derzeit können die Apotheken gar nicht unbedingt zu jedem Zeitpunkt und so oft sie wollen, den Kassen Rechnungen stellen: Die CGM Direktabrechnung orientiert sich an den Arzneimittellieferverträgen und löst automatisiert am Monatsanfang die Rezeptabrechnung aus – neben CGM ist die Direktabrechnung derzeit noch bei Apotechnik möglich. Für die Mehrfachabrechnungen, also dass die Apotheke zu jedem Zeitpunkt und beliebig häufig innerhalb eines Monats gegenüber einer Krankenkasse ab­rechnen kann, braucht es separate Vereinbarungen. Laut der Scanacs GmbH gibt es diese. Eine Zwischenfinanzierung im Sinne eines Vorschusses oder einer Abschlagszahlung benötige man dann nicht.
 

Zum Weiterlesen

Wie die Rezeptabrechnung im Moment funktioniert und welche Aufgaben die Ab­rechner dabei übernehmen, beschrieb Carlos Thees, Geschäftsführer des ARZ Darmstadt.

Thees C. Vom Rezept zum Geld – welche Vorteile die Abrechnung über das Rechenzentrum bietet. 

DAZ 2023, Nr. 17, S. 46

Neben der Weiterleitung der Abrechnungsdaten an die Kassen übernimmt Scanacs auch die Abrechnung der Herstellerabschläge mit der Pharmaindustrie. Außerdem meldet das Unternehmen die abgegebenen Packungszahlen an den Nacht- und Notdienstfonds des DAV (NNF). Rechtlich ist es unproblematisch, das Apothekenrechenzentrum bei der Abrechnung außen vor zu lassen. Laut § 300 Absatz 2 Satz 1 SGB V können Apotheken ihre Abrechnung an die Rechenzentren auslagern, sie müssen es aber nicht tun. Auch der Rahmenvertrag sieht vor, dass Sammelrechnungen aus Apothekenrechenzentren, aber eben auch Einzelrechnungen aus Apotheken zulässig sind. |

Auf den ersten Blick charmant, aber …

Ein Kommentar

Julia Borsch, Chef­redakteurin der DAZ

Direktabrechnung klingt zunächst charmant. Direkter Datenfluss an die Krankenkasse, nach vorheriger vollautomatisierter Prüfung, und im Anschluss kommt von der Kasse das Geld, möglicherweise auch irgendwann in Echtzeit. Liquiditätsprobleme gehörten ebenso der Vergangenheit an wie Retaxationen ein halbes Jahr nach der Abgabe. Angesichts des steigenden Hochpreiseranteils in Apotheken ist das sicher eine verlockende Aussicht. Aber die Möglichkeit der Erstattungszusage in Echtzeit wird bei den Krankenkassen Begehrlichkeiten wecken. Denn sie eröffnet ganz neue Möglichkeiten. So könnte bei bestimmten Arzneimitteln oder Indikationen aus der Möglichkeit ganz schnell eine Pflicht zur Erstattungszusage werden, ähnlich der Genehmigungspflicht bei Hilfsmitteln. Und wollen wir wirklich, dass die Kasse jede Abgabe „kontrolliert“?

Dazu kommt, dass die Direktabrechnung ein rein digitaler Prozess ist. Das heißt, solange noch irgendein Papierrezept existiert, werden Rechenzentren benötigt werden. Je weniger Papierrezepte es gibt, desto teurer wird aber die Abrechnung jedes einzelnen Papierbelegs. Warum das so ist, erläuterte Carlos Thees vom ARZ Darmstadt in seinem Beitrag in DAZ 17 (s. Kasten „Zum Weiterlesen“): „Es macht für die Rechenzentren fast keinen Unterschied, ob sie bei einer Apotheke 2000, 200 oder nur noch 20 Papierrezepte abholen. Solange auch nur ein einziges Papierrezept existiert, müssen sie die Logistik und die Produktionskapazitäten für dessen Verarbeitung aufrechterhalten.“ Rechnet eine Apotheke aber nur noch die wenigen Papierbelege über das ARZ ab und alles andere direkt, ist für die Rechenzentren keinerlei Mischkalkulation möglich, was die Abrechnung der verbliebenen „echten“ Rezepte unfassbar teuer macht.

Die Direktabrechnung mag in einer fernen, rein digitalen Zukunft ein ressourcensparendes Modell sein. Aktuell ist die Zeit aber noch nicht reif dafür. Zudem ist davon auszu­gehen, dass mit zunehmendem E-Rezept-Anteil auch bei Rechen­zentren kleinteiligere Abrechnungsmodelle, wie zum Beispiel eine taggenaue Abrechnung, immer mehr der Standard und auch die Prozesse einfacher und schlanker werden. Ob eine Parallelstruktur zur Direktabrechnung dann noch einen Platz hat, bleibt abzuwarten.

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