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Arzneimittel und Therapie
Hürden im Zugang zu oralen Kontrazeptiva
Interview zu den Vorteilen rezeptfreier Gestagen-Monopräparate
DAZ: In der Umfrage wurden 100 Apotheker und Apothekerinnen nach ihrer Einstellung und ihren Erwartungen zu rezeptfreien Gestagen-Monopräparaten, auch Minipille genannt, befragt. Sind 100 genug, um ein repräsentatives Meinungsbild zu erhalten?
May: Das ist eine Größenordnung, die in Marktforschungsstudien oft gewählt wird. Der Begriff repräsentativ ist immer ein bisschen schwierig. Es geht darum, ob die Ergebnisse signifikant sind, und das sind sie. In der Umfrage waren die Antworten einfach, die Teilnehmer mussten nur zwischen wenigen Möglichkeiten entscheiden. Es erscheint uns ausgeschlossen, dass das Ergebnis merklich anders ausfällt, wenn wir 100 andere Apotheker befragen würden.
DAZ: Was waren die wesentlichen Ergebnisse der Umfrage?
Bauer: Wir hatten zwei zentrale Erkenntnisse. Die erste beruht darauf, dass befragte Apotheker und Apothekerinnen zunächst spontan antworteten, dass es keine Probleme im Zugang für Frauen zu oralen Kontrazeptiva in Deutschland gibt. Jede Frau kann zum Arzt gehen und sich ein Rezept ausstellen lassen. Fragten wir jedoch detaillierter nach und setzten sich die Befragten intensiver mit dem Thema auseinander, erkannten viele, dass es durchaus Hürden für Frauen gibt. Das konkretisierte sich in der Einschätzung, was die größte Schwierigkeit bzw. das Hauptproblem bei der Versorgung ist. Immer wieder geht den Frauen die Packung ihres Kontrazeptivums aus und sie stehen dann zum Beispiel am Mittwochnachmittag oder am Wochenende ohne Rezept in der Apotheke und ihnen kann nicht geholfen werden.
DAZ: Was ist die zweite Erkenntnis?
Bauer: Wichtig war für uns auch zu sehen, dass die Apothekerinnen und Apotheker zum überwiegenden Teil sagen, dass sie sich nach einer Schulung zutrauen würden, ein rezeptfreies Gestagen-Monopräparat abzugeben. Dies ist natürlich eine wichtige Voraussetzung dafür, dass eine Entlassung der „Minipille“ tatsächlich in der Versorgungspraxis ankommt und ein Erfolg wird.
DAZ: Birgt es Risiken, wenn eine Frau zwischen ihrem gewohnten Kontrazeptivum und einem Gestagen-Monopräparat wechselt, wenn sie kein Rezept hat?
Bauer: Ich denke, das Konzept ist nicht dafür gemacht, ständig das Präparat zu wechseln. Das ist auch wichtig in der Beratung. Die Apothekenmitarbeiter müssen erkennen, ob für eine Patientin in dieser Situation ein rezeptfreies Präparat eine Alternative wäre. Das könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn eine Patientin sichergehen will, dass sie ihr Präparat auch dann bekommt, wenn gerade die Packung ausgegangen und die Arztpraxis geschlossen ist. Die Frau könnte bezüglich des Wechsels auf das rezeptfreie Präparat gegebenenfalls auch Rücksprache mit ihrem Gynäkologen halten. Wichtig erscheint uns, dass es diese Option für Frauen gibt und sie sich selbst für diese Variante entscheiden können.
May: Ich würde an der Stelle gerne ergänzen, dass wir beim Thema „Impfen in der Apotheke“ ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Da stand am Anfang auch der Gedanke, warum man diese Option überhaupt braucht. Schließlich könne doch jeder zum Arzt gehen und sich impfen lassen. Tatsächlich sehen sich die Menschen trotzdem oftmals vor einer individuellen Hürde, denn einem Arzttermin stehen im Alltag mitunter zeitliche und organisatorische Aspekte entgegen. Die Hürde kann auch Bequemlichkeit sein oder, bei der Verschreibung eines Kontrazeptivums, die Angst oder Abneigung, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen.
DAZ: 48% der befragten Apothekerinnen und Apotheker äußerten Bedenken, dass Frauen aufgrund rezeptfreier Gestagen-Monopräparate nicht mehr zu Vorsorgeuntersuchungen gehen würden. Wie begegnen Sie diesen Bedenken?
Bauer: Da sollte man differenzieren. Zum einen sind Gestagen-Monopräparate risikoärmer als Kombinationspräparate mit Estrogen. Eine ärztliche Untersuchung, um festzustellen, ob die „Minipille“ eingenommen werden kann, ist nicht notwendig, das haben uns auch Gynäkologen bestätigt. Zum anderen gibt es diesen gesamten Komplex an Vorsorgeuntersuchungen, der in der Praxis mit der Verschreibung eines oralen Kontrazeptivums gekoppelt ist, zum Beispiel die Krebsvorsorge. Manche haben Angst, dass, wenn eine Frau kein Rezept mehr braucht, sie auch diese Untersuchungen nicht durchführen lässt. Allerdings hat etwa eine Brustkrebs-Vorsorgeuntersuchung rein gar nichts mit der Verschreibung eines oralen Kontrazeptivums zu tun. Diese Untersuchungen sind natürlich eine gute Sache, aber es kann nicht sein, dass man diese als Bedingung an die Verordnung eines oralen Kontrazeptivums knüpft.
May: Das ist das große Missverständnis dahinter. Man darf die Rezeptpflicht nicht als Erziehungsmaßnahme für sachfremde Anliegen benutzen. Außerdem werden damit auch nur die Frauen erreicht, die ein Kontrazeptivum einnehmen. Was ist mit den anderen Frauen?
DAZ: Wie stehen Ärzte zu einem rezeptfreien Gestagen-Monopräparat? Gibt es da auch Umfragen?
Bauer: Das haben wir nicht erfragt. Oft sehen Ärzte solche Themen aber eher kritisch. So war es auch bei dem Thema „Impfen in der Apotheke“. Die Ärzteschaft befürchtete wohl auch, dass ihnen bestimmte Patienten abwandern. In erster Linie ist das aber nicht der Punkt, der uns interessiert, denn wir schauen uns das Thema aus der Versorgungsperspektive an.
May: Aus gesellschaftlicher Sicht hat es kein Gewicht, ob Ärzte das mögen oder nicht. Es geht darum, wann wir die beste Versorgung zu angemessenen Bedingungen haben und wie wir die Arbeitsteilung zwischen Heilberuflern zum Wohle der Patienten effizient organisieren.
DAZ: Vielen Dank für das Gespräch! |
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